Dashcams am Fahrrad: Rechtslage, Wissenswertes, Produkte
Vorsicht, Kamera! - Dashcams, die digitalen Unfallzeugen
Dashcams am Fahrrad: Rechtslage, Wissenswertes, Produkte
in Service
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Es ist das Horrorszenario eines jeden Radfahrers: Von hinten nähert sich ein LKW. Im Kreuzungsbereich schließt er zum Fahrrad auf. Und fährt den Radler beim Abbiegen um. So sieht tatsächlich der typische Abbiegeunfall mit LKW aus. Schnell heißt es, der Radfahrer sei „in den toten Winkel hineingefahren“. Um Unfallhergänge eindeutig belegen zu können, gibt es Dashcams.
Als Beweismittel in bestimmten Fällen zugelassen
Bei Dashcams handelt es sich um kleine Videokameras, die ihren Namen vom Armaturenbrett eines Autos haben und das Verkehrsgeschehen während der Fahrt aufzeichnen sollen. Schon längst werden diese Kameras nicht mehr nur in Autos eingesetzt. Auch für Radfahrer sind diese Geräte einsetzbar. Bei der rechtlichen Einordnung spielt es keine Rolle, ob die Kamera in einem Auto oder an einem Fahrrad angebracht ist. Für Fahrradfahrer herrschen daher bei der Verwertung der Aufnahmen die gleichen Regeln und Auflagen wie für Autofahrer.
Wie und wo eine Dashcam am Fahrrad angebracht werden muss, ist nicht speziell geregelt. Zu beachten ist jedoch, dass sie stabil sitzt (was übrigens auch für die Befestigung am Helm gilt) und die Sicht nicht beeinträchtigt. Viele Radfahrende sehen in den Filmaufnahmen eine Möglichkeit, nach einem Unfall ihre Ansprüche beim Unfallgegner besser geltend machen zu können. Das betrifft nicht nur mögliche Konflikte mit Kraftfahrern, sondern beispielsweise auch gegenüber anderen Radfahrern, z. B. bei Radrennen, wo oft viele Fahrer auf dichtem Raum nebeneinander fahren und es zu Stürzen kommen kann. Wieder andere wollen mit den Aufzeichnungen einfach ihre Ausflüge dokumentieren. Unabhängig davon, was gefilmt wird, gilt das Urteil des Bundesgerichtshofs.
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Endlich Rechtssicherheit
Lange Zeit gab es keine einheitliche gesetzliche Regelung. Am 15. Mai 2018 hat der Bundesgerichtshof das geändert. In dem BGH-Urteil wurde entschieden, dass Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel in Unfallprozessen verwendet werden können. Derartige Aufnahmen können jedoch gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, verstoßen. Das Anbringen einer Dashcam ist nun aber generell erlaubt. Allerdings bleibt das permanente Filmen und Aufzeichnen des öffentlichen Straßenverkehrs ohne Anlass verboten, da es gegen den Datenschutz verstößt (Art. 6 DSGVO, § 4 BDSG).
Abwägung zweier Rechtsgüter
Prinzipiell sind bei Dashcam-Aufnahmen immer zwei Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen: das Persönlichkeitsrecht des einen Verkehrsteilnehmers und das Interesse des anderen an der Wiedergutmachung seines Schadens. Im konkreten BGH-Urteil bewerteten die Richter das Persönlichkeitsrecht weniger stark. Denn die Aufnahmen spielen sich im öffentlichen Straßenraum ab. Dort sei jeder Verkehrsteilnehmer ohnehin den Blicken und der Wahrnehmung anderer Menschen ausgesetzt. Die Dashcam habe nur das aufgezeichnet, was ohnehin für jeden wahrnehmbar sei.
Kein Persilschein
Trotzdem hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Datenschutzverstöße mit hohen Bußgeldern geahndet werden können. Die kleinen Kameras, so hilfreich sie auch sein können, sind also aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch. So kann die Datenschutzbehörde von Dashcam-Nutzern verlangen, das Filmen einzustellen und die Daten zu löschen, sofern sie das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer aufzeichnen und öffentlich machen.
Der Fall eines Rechtsanwalts aus Mittelfranken zeigt das. Er hatte als Dashcam-Nutzer wiederholt Verkehrsverstöße an die Polizei gemeldet. Die Videoaufnahmen seiner Dashcam schickte er als Beweismittel mit. Die Häufigkeit der Anzeigen und die große Menge an Videomaterial bewegte die Polizei dazu, den Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht zu informieren. Vor Gericht dann das Urteil: Der Rechtsanwalt hatte mit seiner Kamera großflächige Beobachtungen auf öffentlichen Straßen gemacht. Dies stelle einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar. Der Anwalt wurde zur Kasse gebeten.
Weitere ungelöste Fragen
Auch für Radfahrer bietet das Karlsruher Urteil gute Möglichkeiten, ihre Rechte nach einem Unfall vor Gericht durchzusetzen. Doch ein wichtiger Punkt ist noch unklar: Möglicherweise gibt es einen Anspruch auf Herausgabe der Aufnahmen einer Dashcam. Die Polizei könnte in einem solchen Fall berechtigt sein, die Kameraaufzeichnungen nach einem Unfall zu Beweiszwecken zu verwenden – auch wenn das negative Folgen für den Besitzer der Kamera haben könnte. Der Eigentümer der Kamera hätte zwar die Möglichkeit, die Herausgabe der Aufnahmen zu verweigern. Jedoch müsste er dann damit rechnen, dass die Polizei Rückschlüsse auf den Unfallhergang zieht, die für ihn ungünstig wären. Die Zukunft wird zeigen müssen, wie die Rechtsprechung in dieser Hinsicht aussieht.
Gleiches Recht, andere Anforderungen
Grundsätzlich können Radfahrer auch Dashcams für Autos verwenden, aber es werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Die Dashcams für Radfahrer müssen im harten Alltag ungeschützt funktionieren. Ihre Technik ist der Witterung und vor allem dem Regen ausgesetzt. Außerdem gibt es keine Möglichkeit, die Kamera einfach an eine 12-Volt-Steckdose anzuschließen, wie es bei Autos der Fall ist. Fahrrad-Dashcams müssen daher eine höhere elektrische Schutzklasse erfüllen und über eine Batterie verfügen. Außerdem benötigen sie spezielle Halterungen für den Lenker oder den Helm. Die bewährten Action-Cams erfüllen diese Anforderungen, weshalb manche Radfahrer auf sie zurückgreifen, anstatt sich eine extra Fahrrad-Dashcam zu kaufen. Doch Action-Cams sind in anderer Hinsicht problematisch.
Rechtliche Probleme mit Action-Cams
Anders als spezielle Dashcams, die oftmals nur einige Minuten an Aufnahmen in einer Schleife speichern, speichern Action-Cams ihre Aufnahmen normalerweise ununterbrochen. Das wurde auch vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom Mai unterstrichen: Die Daueraufzeichnung im Straßenverkehr bleibt illegal. Auch fehlen Action-Cams oft weitere hilfreiche Funktionen. Zum Beispiel der hochempfindliche Aufnahmesensor für Nachtaufnahmen, G-Sensor (Ermittlung eines Sturzes) usw. Weitere Funktionen von Dashcams (Kollisionswarnung, Fahrspurerkennung usw.) sind wahrscheinlich für Radfahrer weniger von Bedeutung.
Dashcams und Datenschutz
Niemand darf in Deutschland ohne Zustimmung gefilmt werden. Es ist auch nicht gestattet, Aufnahmen fremder Personen oder Nummernschilder ungefragt ins Internet zu stellen oder in anderer Weise zu veröffentlichen. Das wäre ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Denn auch wenn man die Person selbst nicht erkennt – man kann aus dem Fahrzeug (Farbe, Typ und Modell), dem Kennzeichen und den GPS-Daten Rückschlüsse ziehen, wo sich die Person zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehalten hat. Für Datenschutzexperten ist es daher von großer Bedeutung, dass Dashcams nur kurz und anlassbezogen filmen. Anlassbezogen heißt in diesem Fall, dass die Daten ausschließlich dann gespeichert werden, wenn es beispielsweise zu einem Unfall kommt. Die Videoaufzeichnung ist nur erlaubt, soweit sie zur Sicherung berechtigter Interessen in konkreten Situationen erforderlich ist und sie das schutzwürdige Interesse der Betroffenen überwiegt.
Außerdem ist der Gebrauch von Dashcams in Fahrzeugen schon deshalb problematisch, weil der Nutzer seiner Pflicht zur Information derjenigen, die aufgenommen werden, im fließenden Verkehr nicht nachkommen kann. Dies stellt grundsätzlich einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dar. In Fällen der stationären Videoüberwachung, z. B. von Firmengebäuden, wird diese notwendige Information durch gut lesbare Schilder gegeben. Während einer Fahrrad- oder Autofahrt ist dies nicht möglich.
Was darf man überhaupt filmen?
Man darf die Dashcam benutzen, wenn es einen triftigen Grund dafür gibt, etwa bei einem Verkehrsunfall. Damit man die Funktion nicht selbst nach einem Crash manuell auslösen muss, sollte das Gerät einen Sensor haben, der einen Sturz anhand der G-Kräfte erfasst und die Kamera automatisch startet. Dann erst wird zeitverzögert die Videosequenz gespeichert, welche vor dem Sturz aufgenommen, aber eigentlich nicht dauerhaft gespeichert wurde.
Die Loop-Funktion vermeidet eine permanente Datenspeicherung. Sie sichert das Videomaterial in kurzen Schnipseln in Endlosschleife. Sobald die Speicherkarte voll ist, wird die älteste Aufnahmesequenz überschrieben. Der angenehme Nebeneffekt ist, dass man immer genügend Speicherplatz zur Verfügung hat.
Damit die Aufnahme von einem Crash aber nicht überschrieben wird, braucht eine Dashcam wiederum den oben beschriebenen sogenannten G-Sensor. Dieser erkennt eine Kollision und starke Verzögerungen und nimmt diese als Gefahrensituation wahr. Diese Videosequenz speichert die Mini-Kamera dann automatisch ab.
Über die GPS- und Zeiterfassungsfunktionen werden Unfallort sowie Datum und Uhrzeit im Video festgehalten. Manche Dashcam-Modelle verfügen über integrierte Bewegungssensoren. Sobald das Fahrzeug bewegt wird, schaltet sich die Kamera automatisch ein. Diese Eigenschaft könnte auch in Fällen von Vandalismus und Diebstahl bei Fahrrädern nützlich sein. Bislang ist die Rechtslage bezüglich der Umfeldbeobachtung beim Parken aber noch nicht juristisch eindeutig geklärt.
Fazit
Verglichen mit den Dashcams für Autos ist die Angebotsvielfalt für das Fahrrad noch ziemlich überschaubar, obwohl es die ersten Geräte seit 2012 gibt. Mehr und vor allem günstigere Produkte sind wünschenswert. Die zunehmende Konnektivität am Fahrrad und insbesondere am E-Bike wird bestimmt noch zu Lösungen führen, die das Smartphone stärker mit einbeziehen. Zumindest Cyclaer und Greyp haben als Innovationstreiber die Zeichen der Zeit erkannt und statten ihre Bikes ab Werk mit Dashcams aus.Frank Seeger