Michael Teuber: Der Paralympics-Radsportler im Interview
Der Unbeugsame
Michael Teuber: Der Paralympics-Radsportler im Interview
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Ein brutaler, unverschuldeter Autounfall auf dem Weg in den Surfurlaub rammte im Sommer 1987 eine dramatische Veränderung ins Leben des damals 19 Jahre jungen Abiturienten Michael Teuber und gliederte es in zwei Teile. Jenes vor und das neue, nach dem Unfall. Die Diagnose danach: inkomplette Querschnittslähmung.
Ab unterhalb der Knie ist Teuber vollständig gelähmt, zwischen Knien und Hüfte konstatieren die Ärzte eine Teillähmung. Die Zukunft, die man in den Wochen nach dem Unfall klar umreißt ist für den Bewegungsmenschen Teuber niederschmetternd: Rollstuhl. Motiviert durch eine minimale Restfunktion, die er im rechten Oberschenkel verspürt und gepaart mit seiner enormen Willenskraft, stemmt sich Michael Teuber gegen den Rollstuhl. Mit intensivem Training steigert er seine Körperfunktionen, ist nach drei Jahren nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen.
Michael Teuber und die Rehabilitationsphase
Parallel zum Wiedererlernen des Gehens entdeckt Teuber während seiner langjährigen Rehabilitationsphase das Radfahren für sich, fährt dann rasch auch Wettbewerbe. Anfangs auf dem Mountainbike, später auch auf dem Rennrad.
An eine Wunderheilung hat der analytische Verstandesmensch Teuber dabei nie geglaubt, vielmehr auf seine essentielle Fähigkeit vertraut, „wie besessen trainieren zu können“ (Teuber). Und das mit beeindruckendem, inspirierendem Erfolg: Heute ist der 50-Jährige gleichzeitig Familienvater und Profisportler mit Behinderung. Und das überaus erfolgreich: Fünf Goldmedaillen konnte Michael Teuber als Para-cycling-Sportler bei den Paralympics bereits erkämpfen: im Einzelzeitfahren und der Einerverfolgung. Neben insgesamt 20 WM-Titeln auf der Straße und Bahn hat er es „nebenbei“ geschafft, 2010 mit Unterstützung den Kilimandscharo (5895 m) als höchsten Berg Afrikas zu erklettern.
Michael Teuber im Interview
War Ihr dramatischer Autounfall 1987 in dem Maß motivierend, als dass Sie sich sagten: Trotz meiner körperlichen Herausforderungen will ich meine physischen und mentalen Grenzen ertasten?
Kann schon sein, dass sich meine Energien zunächst vorrangig aufs Körperliche konzentriert haben. Ich war vor dem Unfall bereits leidenschaftlicher Sportler, aber in Funsportarten wie Windsurfing oder Snowboarden. Ausdauerport war da noch kein Thema für mich. In der zehnjährigen Übergangsphase von meinem Unfall bis zum Einstieg in den Radrennsport bin ich zum Mountainbiken gekommen: Auch hier spielte der Spaß an der Sache die Hauptrolle! In den 1990ern bin ich als Sportler mit Behinderung MTB-Weltcups gefahren, hab bei der Mountainbike-WM in Cairns, Australien den 92. Platz im Downhillrennen erreicht. Mein positiver Eindruck der paralympischen Sportler bei den Olympischen Spielen 1996 von Atlanta hat dann mein Interesse am paralympischen Sport geweckt – so bin ich 1997 bei der Deutschen Meisterschaft, 1998 bei der Weltmeisterschaft der paralympischen Radsportler gestartet.
Ist in den 20 Jahren Ihrer Radsportkarriere die Wertschätzung gegenüber Behindertensportlern gewachsen?
Man kann sicherlich nicht wegdiskutieren, dass sich einiges getan hat, sich paralympischer Sportverband und Sportler professionalisiert haben oder die Paralympics größer geworden sind. Trotzdem ist es noch so, dass das Interesse am Behindertensport primär zu den Paralympics passiert und zwischen den Spielen enorm abflaut. Bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft ist es immer schwierig, öffentliches Interesse für den Sport zu generieren. Wenn man überlegt, dass wir ja beim Weltradsportverband UCI organisiert sind und die gleichen Weltmeistertitel erhalten wie die Profis, dann werden wir im Verhältnis nicht sonderlich wahr genommen.
Berichterstattung über Behindertensport
Betrifft Sie das auch selbst? Und worin liegt das fehlende Interesse begründet?
Natürlich hab ich die Barrieren in der Berichterstattung deutlich gespürt – das ist nach wie vor noch so. Aber woran das liegt? Puhh …! Wahrscheinlich ist das Publikumsinteresse in dem Maß einfach nicht vorhanden. Der Deutsche interessiert sich nun mal hauptsächlich für Fußball und da ist der Drittliga-Fußball eben interessanter als Parasportarten. Klar, die Frage ist schon, warum sich öffentlich-rechtliche Medien für viel Geld in die Fußballberichterstattung einkaufen, um über Fußballer zu berichten, die Millionen verdienen. Warum nicht auch über Nationalmannschaften berichten, die die Bundesregierung unterstützt – die deutsche paralympische Mannschaft hängt ja wesentlich am Tropf des Bundes. Öffentlich-rechtliche Sender berichten anlässlich der Paralympics über Sportler mit Behinderung – also eben nur alle vier Jahre!
Michael Teuber über seine Stärken und Schwächen
Ihre Erfolgsliste ist lang – was würden Sie als Ihre besonderen Stärken bezeichnen, wo erkennen Sie Schwächen?
Ich denke, ich bin mental extrem ausdauernd, bleibe an Dingen dran und besitze die Fähigkeit hart an einem weit entfernten Ziel zu arbeiten. Letzteres wurde mir durch meinen Unfall auch schon in jungen Jahren abgefordert. Da wusste ich auch nicht: Wie weit kann ich mit meiner Behinderung kommen, kann ich jemals wieder laufen, wie lange wird das dauern? Auch bei meinem BWL-Studium hatte ich das Gefühl, dass es mir leicht fällt, mich für ein langfristiges Ziel zu motivieren. Zu arbeiten, ohne gleich den Erfolg abschätzen zu können. Und von diesem Durchhaltevermögen, das im Profisport essentiell ist, profitiere ich.
Ein Durchhaltevermögen, dass wahrscheinlich ganz wesentlich für Ihren Erfolg ist?
Du trainierst im Paracycling wie ein Profi, um vorn mitzufahren. Es gibt nach wie vor die Denke, auch unter Sportlern, dass das auch mit Halbgas funktioniert. Aber ich fahr jetzt in meiner 21. Saison meine 12. Straßen-WM und dazu musst du jedes Jahr viele Trainingskilometer machen, um leistungsfähig zu sein. Wenn ich zwei Jahre wenig trainiere, spiel ich sportlich keine Rolle. Um erfolgreich zu sein, musst du extremes Ausdauertraining betreiben und in meiner besonderen Situation mit meinen Lähmungen muss ich jedes Jahr hart daran arbeiten, damit ich eine wettbewerbsfähige Form erziele.
Radtraining aus der Sicht von Michael Teuber
Wie bleiben Sie für das anspruchsvolle Radtraining motiviert?
Mir geht’s nicht mehr nur darum, Anerkennung für Erfolge zu bekommen, auch wenn das noch ein treibender Faktor ist. Ich will meine Leistungsfähigkeit, meine Grenzen ausreizen. Für mich ist spannend: Gehen meine Pläne im Rennen auf, verläuft die Leistungsentwicklung nach Wunsch? Das stellt mich vor Herausforderungen und die zu bewältigen reizt mich. Ich bezeichne mich als Lebenssportler, für den der Radsport wichtiger Lebensinhalt geworden ist und der gern auf dem Rad sitzt. Das Zeitfahren ist aufgrund meiner körperlichen Konstitution – großer Ausdauertyp, gute Hebel – meine Spezialdisziplin geworden. Und für mich ist es aufregend, von meiner enormen Erfahrung im Zeitfahren zu profitieren, zu versuchen, einen Vorsprung zu wahren. Zeitfahren ist ein taktisch-strategisches Spielchen und ich würde behaupten, das ich hinsichtlich des Wissens um wichtige Faktoren ähnlich gut aufgestellt bin wie ein Vollprofi.
Radsport im Leben von Michael Teuber
Derzeit und insbesondere mit Ihrer unmittelbar bevorstehenden, zwölften Straßen-Weltmeisterschaft prägt der Radsport Ihr Leben entscheidend. Ändert sich das künftig?
Aktuell habe ich als Radsportler noch einen Fördervertrag bei der Bundeswehr, somit ist Radfahren einfach auch mein Beruf. Zudem bin ich in Teilzeit bayerischer Paracycling-Landestrainer mit einem A-Trainerschein des Bundes Deutscher Radfahrer und ich halte Vorträge zu Themen wie Sport & Behinderung. Ich bin auch Diplom-Kaufmann, aber ehrlich gesagt hab ich nicht vor, mich in eine abhängige Stelle zu begeben – ich möchte dem Radsport treu bleiben. Meine Perspektive Rad zu fahren reicht bis zur WM 2020 in Tokio, dann werde ich überlegen, ob es leistungstechnisch noch reicht, um vorn dabei zu sein.
Den Bergen gilt Ihre zweite Passion. Bei der erfolgreichen Besteigung des 6310 m hohen Chimborazo in Ecuador sind Sie an Ihre körperlichen Grenzen gegangen. Streben Sie weitere extreme Bergabenteuer an?
Als nicht draufgängerischer Typ wäre es sehr schwer, den Chimborazo zu toppen. In die Berge werde ich weiterhin gehen, aber ob ich ein ähnlich aufwändiges Projekt, inklusive einer TV-Produktion, noch mal mache, was ich noch nicht. Die Frage ist bei so einem Abenteuer: Was hab ich davon? Was bleibt finanziell davon hängen? Letzten Endes muss ich eine Familie ernähren, was ich mit dem Zusammenhalten meiner Sponsoren und dem Halten von Vorträgen immer erreicht hab.
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