Schauspieler und Comedian Markus Stoll / Harry G im Interview
Harry G - "Ich war ein richtiger Radlbua"
Schauspieler und Comedian Markus Stoll / Harry G im Interview
in Persönlichkeiten
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Überfürsorgliche Helikoptereltern oder wichtigtuerische Schickeria-Münchner und selbstgefällige Rennradfahrer: Alles Charaktere, die der Wahlmünchner Markus Stoll in seiner Rolle des bayerischen Grantlers Harry G bereits humoristisch betrachtet hat. Die Ergebnisse dieser Arbeit veröffentlicht der 42-jährige, gebürtige Regensburger seit 2013 in Form von Videoclips auf Social Media.
Markenzeichen des bayerischen Comedians: der obligatorische Hut, unterhaltsame und genaue Betrachtungen seiner menschlichen, insbesondere der bayerischen, Umwelt sowie bissiger Humor. Unter diese mischt sich gern ein Schuss Selbstironie, etwa wenn Markus Stoll den übertriebenen Trainingsehrgeiz von Rennradfahrern kommentiert.
Schließlich tobt sich Harry G seit vielen Jahren selbst mit Begeisterung auf Rennrad sowie Mountain- oder Gravelbike aus, weiß um die in Radfahrgruppen gern zelebrierten Eigenarten. Sein Rennrad nutzt Stoll dabei nicht allein als sportiven Alltagsfluchthelfer, sondern auch als Reisemittel zu seinen Bühnenauftritten in der Rolle des Harry G, die ihn seit 2014 in Deutschland, Österreich und der Schweiz populär gemacht haben.
Auf sein erstes Bühnenprogramm „Leben mit dem Isarpreiß“ folgte 2016 mit „#HarrydieEhre“ bereits das zweite. Mit seinem aktuellen Programm „Hoamboy“ hofft Markus Stoll, die Bühnen ab dem Frühjahr wieder in seiner Paraderolle als leidenschaftlich grantelnder (sprich: meckernder) Harry G bespielen zu können.
Parallel zu seiner Live-Präsenz auf der Bühne etabliert sich der Kabarettist Stoll zunehmend auch als Schauspieler. An der Seite von Tatort-Kommissarin Lisa Bitter spielt er in der aktuellen Serie „Der Beischläfer“ mit dem unerwartet zum Schöffenrichter berufenen KFZ-Mechaniker Charlie Menzinger die Hauptrolle. Anders als Charlie ist Markus neben schönen Autos auch Zweirädern sehr zugetan.
Markus, du feierst als Comedian mit der Figur des Harry G und jetzt auch mit der Schauspielerei tolle Erfolge. War das von langer Hand geplant?
Markus Stoll : Nee. Tatsächlich ist es so, dass das Leben ganz andere Pläne mit mir hatte. Ich habe BWL studiert und danach einen Investment- und einige andere Jobs in dem Bereich gemacht, unter anderem im Social-Media-Marketing. Privat habe ich mein Umfeld schon länger mit eigenen Kurzfilmchen
unterhalten und so war es ein kleiner Schritt, auch einmal was für die Öffentlichkeit zu machen: den „Wiesn-Clip“. Das war der Start für meine Karriere als Comedian.
Jener legendäre Clip vom „Kotzhügel“ am Münchner Oktoberfest?
Markus Stoll : Genau.
Ab dann hat sich deine Karriere rasant entwickelt …
Markus Stoll : Ja. Es war tatsächlich so, dass das ein echt glücklicher Umstand war. Und da gab es dann genau zwei Möglichkeiten: Entweder du nutzt das oder du nutzt das nicht – und hab mich dafür entschieden, es mit wirklich aller Kraft zu machen und auf die Bühne zu gehen. Das war ein ganz, ganz wichtiger Schritt bei dem Ganzen und ich hab es durch harte Arbeit wirklich geschafft, die Figur oder die Marke Harry G als ernstzunehmenden Kabarettisten und Comedian zu etablieren.
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Warst du schon in Kinder- und Jugendtagen viel mit dem Radl unterwegs?
Markus Stoll : Ja, das Fahrrad war bei mir in der sportlichen Betätigung immer schon wichtig. Ich war ein richtiger Radlbua, wie man sagt. In die Schule mit dem Radl, danach über sämtliche Waldwege oder Pfade wieder heim. Bei mir war alles Radl. Es gibt so Menschen, die sind früh „am Rad“ und man hat dann – wie
wir früher mit den ersten Mountainbikes in den 90ern – Sprünge gemacht, ist BMX-Strecken gefahren. Ich glaub, diese Affinität zum Radl hat sich relativ früh entwickelt. Auch über meine Familie: Das waren immer schon Radlfahrer, die einfach gern gefahren sind, ohne militante Radfahrer gewesen zu sein.
Daher war für mich das Auto nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch Liebhaberobjekt. Und ich hab Autos immer noch sehr gerne, aber entferne mich vom Auto noch mehr. Es ist mir nicht wichtig, im Gegenteil: Wichtiger ist mir, dass ich ein gutes Sportgerät beieinander hab, sprich, ein gutes Radl. Das Autofahren zwischendrin, natürlich auch zu Auftritten, gibt’s natürlich. Wobei ich da auch gerne mit dem Rennrad anreise.
In welchem Radius reist du per Rad zu Auftritten, bis zu 300 km?
Markus Stoll : Das geht nicht, das ist leider das etwas Entzaubernde daran, aber in einem Radius von 100 km kann man fahren. Ansonsten hab ich bei Strecken über 100 km Randerscheinungen, die den Auftritt schwerer machen: Müde Beine, generell fertig sein oder du hast einen Wind abbekommen. Wenn das Wetter aber passt, fahr ich gern mal bis zu 100 km per Rad zum Auftritt. Das Auto ist natürlich unabdingbar in der heutigen Zeit, aber mir ist es nicht mehr wichtig.
100 km sind ja ordentlich für eine Radanreise …
Markus Stoll : Ja, das ist ja eine tolle Distanz. Es kommt natürlich schon auf die Strecken an. Es ist oft so, dass es verschiedene Streckenvarianten gibt, dann entscheidest du dich für eine und wenn man schließlich nur auf einer Bundesstraße fährt, ist das natürlich auch scheiße. Das müssen deswegen dann schon Strecken sein, die ich irgendwie einschätzen kann.
Du bist in Regensburg in der Oberpfalz aufgewachsen. Gutes Radfahrterrain, oder?
Markus Stoll : Genau, ich war in Regensburg wahnsinnig viel mit dem Radl unterwegs. Das ist dort von den Möglichkeiten her unfassbar vielfältig, was noch mal besonders dazu beiträgt, dass man ein Radlkind wird. Du kannst in Regensburg als Kind unglaublich schöne Touren fahren, auch mit den Eltern. Dort hast
du die Donau, fährst in der Ebene. Dann wird das langweilig, bis du checkst, dass man dafür besser ein Rennrad verwendet. Mit dem stärkeren Aufkommen des Mountainbikes in den 90ern bin ich auch viel am Schliersee und Spitzingsee gefahren. Dort hab ich gemerkt: „Okay, hier geht noch mehr, auch in puncto Downhill.“ Und irgendwann kam die Phase, da war klar, Mountainbiken entwickelt sich, ähnlich wie Skifahren und Snowboarden, teilweise auch zu einem Freestylesport. Mountainbiken hat damals ein neues, höheres Niveau erreicht.
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Wie definierst du MTB-Freestyle? Warst du damals dann mit deinem MTB auch im Bikepark unterwegs?
Markus Stoll : Genau. Nach meinem Abitur hab ich dann in Innsbruck studiert und da war es dann ganz klar, dass ich Mountainbike und MTB-Downhill fahre und Downhill war einfach meins. Dementsprechend bin ich zum Downhillsport gekommen und ab dann war fahrerisch alles Freestyle: Da ging’s meist darum zu springen, wildes Zeug zu machen.
Hast du in dieser Zeit deine technische Affinität zum Fahrrad, vor allem zum MTB entdeckt, die man auch deinen Videoclips zu Radthemen anmerkt?
Markus Stoll : Ja, durch das Downhill-Mountainbiken oder, sagen wir, einen „professionelleren“ Einsatz deines Bikes, kommst du um manche Themen nicht herum. Also: Was ist mein korrektes Federungs-Setup, wie viel Federweg braucht’s? Dann kamen früher ja viele neue Sachen raus, die konnte man sich nicht leisten.
Dann hast du die Magazine durchgeblättert und ja klar, am End war das schon eine Gschaftlhuberei*. Mittlerweile bin ich aus der raus, aber damals war es das Höchste!
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Was würde Harry G sagen: der größte Nervarsch unter den Münchner Radfahrern?
Markus Stoll : Ja, das ist klar der Berufspendler, der immer auf sein Recht pocht, das ihm natürlich nichts bringt, wenn er dann unterm LKW oder Auto liegt. Auch wenn der Autofahrer Unrecht hatte, bringt dir das als Radler nichts.
Ebenso wie der Versuch, sich den Weg „freizuklingeln“. Radlrambos, die meinen, ihnen gehört die Straße, bloß weil sie auf dem Radl sitzen. Das ist bei denen wie eingepflanzt: Du bist der Schwächere und deshalb darfst du dich so aufführen.
Den Typ Radlrambo kennt in München jeder: Helm, Sonnenbrille, Pendlerkleidung – und Vollgas (lacht)!
Stichwort E-Lastenrad: Wäre das für dich eine Option im Alltag?
Markus Stoll : Na ja, ein E-Lastenrad ist natürlich wahnsinnig praktisch, aber es ist schon die Frage, wie viel Raum so ein Fahrrad einnehmen soll. Und wenn mir, wie neulich, in einer engeren Straße eine Lastenradfahrerin entgegenkommt und du kannst die Straße nicht mehr gemeinsam nutzen, weil das Ding so riesengroß ist, stellt sich natürlich schon die Frage: Muss das jetzt sein?
Was hat man denn vor dem E-Lastenrad gemacht? Nämlich einen Radanhänger gehabt, der war aber nicht gut genug. Jetzt müssen die Kinder vorne rein und ein dreirädriges Rad her. Das E-Lastenrad ist wieder eine Weiterentwicklung
des egoistischen Gedankens, „wie bringe ich meine Sachen und meine Kinder mit so wenig Aufwand wie möglich und möglichst sicher von A nach B“.
Das E-Lastenrad ist der SUV unter den Fahrrädern (lacht). Man will sich damit in der dicht bewohnten Großstadt mehr Raum um sich kaufen.
Dein Lebensmittelpunkt München und Radfahren – was assoziierst du da?
Markus Stoll : Radfahren in München ist eine Qual, trotz vieler Radwege, weil irgendwo wieder das Auto eines Paketboten den Weg versperrt und dir jeder Schwung genommen wird. Das Radfahren im Münchner Umland ist wirklich traumhaft, vom Starnberger See bis in die Alpen rein. Vor allem mit meinem Gravelbike hab ich ein Allroundfahrrad, mit dem ich direkt vom Waldstück, an dem ich wohn, überall hin fahren kann.
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Beruflich bist du vielbeschäftigt, hast du dennoch einen Fahrradtraum?
Markus Stoll : Ja, tatsächlich wär’s für mich extrem reizvoll, irgendwo länger mit dem Rad hinzufahren – und da rede ich jetzt nicht vom Gardasee. Sondern davon, mit dem Radl mal nach Asien oder Griechenland zu fahren. Weißt, um die ganz langen Strecken zu machen (lacht). Mir fehlt dazu aber momentan die Zeit, aber ich bin ja noch jung genug, um das irgendwann mal zu machen.
Verhilft dir die Radfahrerei zu gesteigerter Kreativität?
Markus Stoll : Definitiv, ja. Also Fahrradfahren ist eine der wenigen Sportarten, die man ausüben kann, wenn man zum Beispiel ein Bühnenprogramm oder ein Stück auswendig lernen muss. Das hat was von einem monotonen „Einschleifen“, wenn man mit jedem Pedaltritt seine Texte wiederholen kann. Teilweise bin ich dann auch 70 km gefahren und hab eigentlich davon gar nichts gespürt, weil ich wie in einer Art Trance war. Beim Radfahren geht das, weil man so dahingleitet, recht ruhig auf dem Rad sitzt und an etwas anderes denken kann. Ich kann da schon komplett abschalten.
Zu guter Letzt: der Radfahrtyp mit dem größten komödiantischen Potential?
Markus Stoll : Puh … Ich kann mich nicht ganz entscheiden, ob es der Rennradfahrer oder der Mountainbiker ist. Der Rennradfahrer ist schon einer, der viel Potential für so was hat, weil er aus meiner Sicht von der Kleidung her und so weiter so viele Angriffspunkte mitbringt. Der ist schon großartig!
* die Gschaftlhuberei bezeichnet im Bayerischen:
Wichtigtuerei