Kinderräder: So leicht wie möglich? Über Gewicht und Sicherheit
Kinderräder leicht und sicher – geht das zusammen?
Kinderräder: So leicht wie möglich? Über Gewicht und Sicherheit
in Hintergrund
Es ist ein wahrer Widerstreit der Interessen. Kinder wollen ein cooles Fahrrad, in einer angesagten Farbe und mit viel Stil. Die Eltern hingegen? „Da muss Licht ran. Und Schutzbleche. Ein Gepäckträger ist wichtig für die Fahrt zur Schule. Und wie sitzt Du denn da überhaupt drauf? Das macht ja einen ganz krummen Rücken!“ Nicht einfach also, alle Wünsche für das Fahrrad des Nachwuchses unter einen Hut beziehungsweise Fahrradhelm zu bringen.
Dazu kommt: Ein Kinderrad ist nicht einfach nur ein normales Fahrrad in kleiner. Kinder haben einen anderen Körperbau als Erwachsene, brauchen entsprechend eine auf sie angepasste Geometrie. Auch hat der Leichtbau seine Grenzen. Denn Rahmen, Laufräder, Reifen und die weiteren Anbauteile haben nun einmal Gewicht. Sehr viel leichter als bei Erwachsenen-Fahrrädern sind sie nicht zu bekommen. Kinderräder wiegen oft um die zwölf Kilogramm und mehr – je nach Ausstattung. Wiegt die Elfjährige dann selbst etwa 40 Kilogramm, muss sie gleich fast ein Drittel mehr Gewicht durch ihre Muskelkraft bewegen. Zum Vergleich: Gute Trekkingräder für Erwachsene bringen etwa 15 Kilogramm auf die Waage. Ein 80 Kilogramm schwerer Mann muss dann entsprechend nicht einmal ein Fünftel mehr Masse als sein eigenes Körpergewicht in Fahrt bringen.
Gewicht ist aber nicht alles. Und auch die Komponenten allein machen noch lange kein gutes Fahrrad für Ihr Kind aus. Doch was ist denn nun das beste? Kurz: Da scheiden sich die Geister – auch in unserer Redaktion.
Kinderfahrräder – worauf kommts beim Kauf an?
Pro leichte Kinderräder: Biken soll Spaß machen!
Ein Kommentar von Benedikt Winkel
Warum wollen wir immer die neuesten, besten, leichtesten Räder? Weil sie den größten Spaß machen. Wieso soll das bei Kindern anders sein? Die Kleinen brauchen vernünftiges Material!
Es ist wirklich erstaunlich. Viele Hersteller von aktuellen Kinderrädern sind noch gar nicht alt. Early Rider existiert noch keine 20 Jahre, Woom gerade einmal zehn Jahre. Liest man sich in die Gründungsgeschichten ein, kommt ganz oft ein Thema auf – das Gewicht. Oftmals sind die Firmengründer junge Väter oder deren Verwandte. Auf der Suche nach passenden Bikes für den Nachwuchs wurden sie nicht fündig und bauten über kurz oder lang eigene Räder.
Natürlich geht es auch um passende Ergonomie, einen geringen Q-Faktor, kleine Bremshebel, dünne Griffe usw. Aber treibende Kraft ist das Gewicht. Seit ich vor zwei Jahren das erste Rad für meinen Sohn gekauft habe, kann ich das gut nachvollziehen. Ich hatte überall gelesen, dass der Markt leergefegt sei – wegen der Pandemie und der Probleme bei den Lieferketten. Doch ein Blick in ein gängiges Kleinanzeigen-Portal schien vielversprechend. Jede Menge ältere Puky-Räder, teils zu Spottpreisen, wurden da angeboten. Also alles nur Panikmache?
Die Ernüchterung kam, als ich das Rad, das für eine Handvoll Euro angeboten wurde, das erste Mal hochhob. Zugegeben – ein massiver Stahlrahmen mag seine Vorteile haben. Er zeigt sich von Umfallern und lieblosem Umgang gänzlich unbeeindruckt. Das Rad vor mir war Jahrzehnte alt und würde sicherlich auch noch weitere Dekaden zwischen zig Kinderbeinen überstehen. Zur Not könnte man damit wahrscheinlich auch ein Spielplatztor auframmen und weiterfahren.
Im Schnitt wiegt ein Kind im Alter von drei Jahren 14 Kilo. Das betagte Stahlrad brachte gute zehn Kilos auf die Waage. Allein das Aufheben vom Boden wird da für die Kleinen zur Herausforderung. Außerdem muss diese Masse von den kleinen Beinen in Schwung gebracht werden. Man stelle sich diese Gewichtsverhältnisse einmal für sich selber vor.
Das wollte ich meinem Sohn damals nicht antun und seine Freude, die er vom Laufrad mitbrachte, nicht einbremsen. Aktuelle Räder für die Kleinsten wiegen dagegen nur etwa fünf Kilo und sie sind durchdacht aufgebaut. Ein geringes Gewicht gegen einen kindgerechten Aufbau ausspielen zu wollen, ist in vielen Fällen absurd. Ein passender Q-Faktor bringt ebenso wenig Zusatzkilos mit wie farblich markierte Bremsgriffe, die dabei helfen, die Hebel auseinander zu halten.
Viele Probleme sind in der Folge dann aber auch hausgemacht. Ein schönes Körbchen hier, wahnsinnig wichtige Schutzbleche dort und überhaupt ein Gepäckträger für – was auch immer. Die Kleinsten sind erstmal damit beschäftigt, ihr Rad zu fahren und Spaß zu haben. Und wenn es regnet? Dann werden sie halt nass und dreckig. Das werden sie ohne Rad auch, beim Springen in Pfützen und Matschgräben.
Zugegeben, das ändert sich, wenn die Kinder selbstständig unterwegs sind und etwa in die Schule fahren. Dann müssen sie gesehen werden und es gibt Gepäck zu transportieren. Dennoch gilt es, das Interesse der Kinder am Radfahren zu stärken. Mit dem Schul-Rad auf den Pumptrack? Eher nicht. Aber da heißt es, sich an die eigene Nase fassen. Ich habe auch mehr als ein Rad in der Garage stehen, denn den perfekten Allrounder gibt es nicht. Ich habe keine Lust, mit dem Lastenrad auf die nächste Alm zu radeln oder mit dem Faltrad eine Runde mit den Rennrad-Kumpels zu drehen. Warum sollte es Kindern anders gehen?
Das führt uns zum einzigen wirklich Problem – Kinderräder sind fast so teuer wie die Pendants für Erwachsene. Und – ja, Überraschung – Kinder wachsen. Kaum jemand kann sich alle paar Jahre nicht nur ein, sondern gleich mehrere Räder für sein Kind leisten. Da sind wir dann wieder bei den Kleinanzeigen-Portalen und gebrauchten Rädern. Dort gibt es zum Glück nicht nur alte Stahlrösser, sondern auch aktuelle, leichte Räder. Und viele suchende Eltern, wenn man die eigenen leichten Bikes verkaufen will, aus denen die Kinder rausgewachsen sind.
Contra leichte Kinderräder: Sicherheit geht vor
Ein Kommentar von Stephan Kümmel
Ja, auch bei Kinderrädern lässt sich Gewichtsreduzierung auf die Spitze treiben. Aber Kinder sind nun mal Kinder. Das sollten Eltern auch beim Fahrradkauf bedenken.
Ich halte es für extrem wichtig, dass Kinder möglichst früh Fahrrad fahren lernen. Seitdem das Laufrad Einzug in die Familien gefunden hat, klappt das auch sehr gut. Ich war extrem erstaunt, als mein Neffe bereits mit vier Jahren wie selbstverständlich umstieg und locker pedalierend über den Hof sauste. Zwei Jahre später rockte er schon die ersten Trails im Taunus und im Urlaub in Finale Ligure. Natürlich liebte er sein Kinder-Mountainbike mit den Stollenreifen, der Federgabel und der knalligen Lackierung. Für den Weg zur Schule aber, einmal quer durch Frankfurt, setzten seine Eltern trotzdem lieber auf das voll ausgestattete Kinderrad mit Schutzblech, vollwertiger Lichtanlage mit Nabendynamo, Speichenreflektoren und einem guten Gepäckträger. Klar maulte der Kleine hin und wieder und wollte lieber mit seinem coolen Mountainbike in die Schule. Durchgesetzt hat er sich damit aber meines Wissens nicht – und das zu Recht.
In meiner Kindheit in den 80er Jahren hatte auch ich ein voll ausgestattetes Kinderrad. Felgendynamo, Funzellicht, Stahlrahmen. Die Technik war einfach, das Rad schwer. Außerdem hat der Dynamo beim Fahren genervt. Das Ergebnis: Viel zu oft bin ich ohne Licht morgens zur Schule und abends zum Training gefahren. Das war rückblickend kein Problem hier im Dorf, denn es fuhren nur wenige Autos. Meine Eltern hätten wohl trotzdem die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Zum Glück wussten sie es nicht. Hätte ich damals schon ein schnittiges leichtes Rennrad oder ein Mountainbike gehabt, ich wäre ganz bestimmt damit losgedüst.
Beim heutigen Verkehr selbst hier auf dem Land aber sieht das ganz anders aus. Darum plädiere ich ganz klar zu voll ausgestatteten Kinderrädern, auch wenn sie dafür etwas schwerer sind. Nabendynamos sind deutlich leichtläufiger als die alten Felgendynamos meiner Kindheit, LEDs geben zudem ein sauberes Leuchtfeld. Warum aber keine Stecklichter? Moderne Akkulampen machen kein schlechteres Licht, die Akkus halten ebenfalls lange. Klare Antwort: Sie halten lange, aber nicht ewig. Und ich kenne die kleinen Racker. Stecklichter werden gerne mal vergessen. Nicht nur zuhause, sondern auch in der Schule oder direkt am Rad. Die Lampen sind also schneller weg, als der durchschnittliche Teenager „Minecraft“ sagen kann. Und sind sie nicht verschwunden, sind sie leer. Welcher Elternteil kontrolliert schon ständig den Ladestand der Lampe des Filius? Eben!
Dazu kommt: Besonders leichte Komponenten sind oft auch besonders wartungsaufwendig. Auch hier gilt es, die Neigungen der Nachwuchsbiker zu bedenken. Klar: Fahrradpflege gehört dazu und ich bin der Meinung, Kinder sollten schon selbst ein Auge darauf haben, ob ihr Fahrzeug gut funktioniert. Ganz ehrlich: Kinder wollen dafür aber meistens nicht mehr tun als unbedingt nötig – da geht es ihnen im Übrigen fast genauso wie mir.
Ganz wichtig ist natürlich, dass Kinder überhaupt Spaß am Radfahren haben. Steigen sie nur missmutig aufs Bike, sollten Sie ergründen, warum das so ist. Fährt das Kind grundsätzlich gerne Rad, empfehle ich, die Sicherheit an die erste Stelle zu setzen. Das heißt nicht, dass Kinder ein klobiges, besonders schweres Rad bekommen sollen. Wer es sich leisten kann, sollte beim Kinderrad nicht sparen. Sicher und leicht ist möglich. Zumal der Wertverlust bei Kinderfahrrädern äußerst gering ist. Allen anderen aber rate ich: Safety first bei Alltagsfahrten. Diese sind ohnehin meistens nicht sehr lang. Da ist ein Kilogramm mehr für eine vernünftige Sicherheitsausstattung kaum der Rede wert.