Exotische E-Bikes im Test: Pedelecs mit dem gewissen Etwas
Lässiger, innovativer, selbstbewusster
Exotische E-Bikes im Test: Pedelecs mit dem gewissen Etwas
in Test & Teile
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In einen Topf werfen lässt sich unser Testfeld ohnehin nicht. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Bikes, als dass wir sie miteinander vergleichen wollen. Vielmehr geben wir mit diesen neun so unterschiedlichen Rädern einen unterhaltsamen Überblick, was im E-Bike-Segment alles möglich ist. Klassisches, langstreckentaugliches Trekkingrad? Komfortables, praktisches Stadtrad? Sportliches, bulliges E-MTB? Schön und gut. Das E-Bike kann aber so viel mehr sein! Lastentransporter, Pendelbegleiter, Familienkutsche, Strandcruiser – die Einsatzmöglichkeiten sind mit dem passenden „Ride“ schier unbegrenzt. Unsere Testräder können sogar noch mehr sein: Die Erweiterung der eigenen Persönlichkeit, des eigenen Lebensstils auf das Fortbewegungsmittel auf zwei Reifen. Ja, E-Bikes können ein Statement sein!
Sonne & Meer selbst im Winter
Ruff Cycles „Biggie“ und Rayvolts „Beachin“ sind nicht die klassischen Fahrräder für den deutschen Winter. Gebaut sind sie für Sonne, Strand und Meer. Das Beachin trägt diesen Lifestyle ja schon im Namen. Kunststück, stammt das kompakte Bike doch aus Barcelona. Aber auch das Biggie aus Regensburg hat den Strandauftritt tief verinnerlicht. Breite Reifen, lässige Sitzposition, souveräne Antriebe – die beiden Strandcruiser machen was her. Gebaut sind sie dabei nicht gerade für die Langstrecke. Auf kürzeren Wegen haben sie nüchtern betrachtet trotzdem einiges an Nutzwert.
Die breiten Reifen rollen nicht nur am Strand, sondern auch auf frisch gefallenem Schnee griffig und sicher, auf Asphalt und leichtem Schotter sowieso. Die Riesenpneus bringen gleichzeitig viel Federungskomfort mit. Dank der Motorunterstützung schaffen sie auch Einkäufe und weitere Erledigungen sehr ordentlich. An beide kann man zudem Anhänger ankoppeln. Ruff Cycles vertreibt sogar einen passenden Anhänger direkt. Den Alltag auf kurzen Wegen meistern die beiden Buddies super, auch abseits des feinen, warmen Sandstrands. Und das mit jeder Menge Urlaubs-Vibes.
Leicht, schnell, sportlich
Mit ganz anderem Charakter und trotzdem ähnlich stilvoll rollen die leichten E-Bikes GEOS sowie Urwahns Waldwiesel in der Beast-&-Trickstuff-Version in den Test. Die Basis beider Bikes ist Stahl. Urwahn verarbeitet diesen wohl ältesten Werkstoff im Fahrradbau in einem 3D-gedruckten Rahmen mit sehr markanter Silhouette: Es fehlt das Sattelrohr!
Auch das GEOS ist aus Stahl, die Rahmenrohre sind allerdings klassisch verarbeitet. Trotzdem sind sie alles andere als gewöhnlich. Denn ihre abgerundet-dreieckige Form macht sie einzigartig. Beide Bikes setzen auf leichte, dezent unterstützende, trotzdem kraftvolle Heckmotoren. Im Einsatzbereich klaffen die zwei Räder dann doch weit auseinander. Das GEOS ist ein vollausgestattetes Pendlerrad mit Lichtanlage, Schutzblechen, Gepäckträger und leicht gekröpftem Tourenlenker. Das Urwahn ist konsequent sportlich: Rennradlenker, Gravelreifen, Carbonlaufräder und gänzlich fehlende Alltagsausstattung identifizieren es als echtes Sportgerät.
Easy Rider ohne Verbrenner
Das nächste Paar in unserer Übersicht greift die Optik klassischer Chopper-Motorräder auf. Wieder sind es Ruff Cycles aus Regensburg und Rayvolt aus Barcelona, die Style-Maßstäbe setzen. Viel lässiger als mit diesen beiden Bikes kann man nicht durch die Stadt rollen.
Wie bei den Strandcruisern Biggie und Beachin gilt aber auch hier: Für wirklich lange Tourenfahrten sind „The Ruffian“ und „Cruzer“ nicht gebaut. Die coole Sitzposition ist weniger auf Effizienz denn auf den lässigen Auftritt ausgelegt. Dank der kraftvollen Motoren lassen sich beide Bikes trotzdem flott bewegen – ohne Angst vor einem Knieschaden. Beide haben passende Taschen an Bord, sodass der Arbeitsweg und Besorgungsfahrten ebenfalls locker drin sind. Auch hier gilt: Anhänger sind möglich.
Detailverliebt
Schon allein durch die Anzahl seiner Räder ist das Azub ein Exot im Testfeld: Das Ti-Fly X ist ein Trike, heißt: Dreirad. Mit Kinderspielzeug hat es aber so überhaupt nichts zu tun. Vielmehr bringt es rein wegen seiner Produktqualität unseren Test- und Technikleiter Sebastian sofort ins Schwärmen: „Das ist next Level. Jedes Detail, jede Schraube wirkt durchdacht. Eine solch hohe Verarbeitungsqualität habe ich selten gesehen. Wow!“
Das in vielerlei Hinsicht radikale Trike fährt sich zudem noch enorm gut. Es schreit förmlich danach, im Slalom bewegt zu werden, Drifts zu versuchen und enges Wenden. Das Fahrwerk macht das alles mit. Der Motor ist souverän, die Bremsen ebenso. Addieren wir noch Anhängeroption, Gepäckträger, hochwertige Lichtanlage und breite Spritzschützer dazu, ergibt sich ein rundes Gesamtbild für kurze Alltagswege bis hin zur Expedition.
Pendelprinz
Wieder in eine ganz andere Richtung biegen wir mit dem Vello-E-Faltrad ab. Das leichte 20-Zoll-Rad mit dem ungewöhnlichen Zehus-Hecknabenmotor spricht vor allem Menschen an, die mehrere Verkehrsmittel kombinieren wollen: Auto und Vello, Bahn und Vello, Bus und Vello – alles kein Problem. Denn es lässt sich handlich zusammenfalten und ist mit gut 17 Kilo auch noch vergleichsweise leicht tragbar.
Der Clou am Vello: Der Motor passt seine Unterstützung dank ausgeklügelter Sensorik automatisch an die jeweilige Fahrsituation an. Das heißt: Er gibt mal mehr, mal weniger Schub und bergab sowie beim Rückwärtstreten rekuperiert er. Laut Vello lässt sich so die Reichweite um bis zu 30 Prozent erhöhen.
Mitnehmer
Den Abschluss bildet ein sehr spannendes, leichtes Transportrad. Das „Finn“ genannte Bike bildet den ersten Versuch der auf Gewerbecargos spezialisierten Firma VSC, im Endkundensegment Fuß zu fassen. Von der ersten Ankündigung an waren wir neugierig: Schnörkelloses, sehr gefälliges Design, ein neuer, spannender Motor „Made in Germany“, ein erstaunlich geringes Gewicht und eine sportlich wirkende Geometrie ließen uns aufhorchen. Finn hält vieles, was es verspricht.
Doch von vorn. Und zwar nicht nur zeitlich, auch beim Bike: Finn ist ein klassischer Longjohn mit einer großen Transportplattform zwischen Vorderrad und Lenkstange. Die Testversion ist mit einer verschließbaren PVC-Tasche ausgestattet, in der kleinteilige Einkäufe ebenso Platz finden wie sperriges Transportgut. Wem das nicht reicht, der hängt Satteltaschen an den Gepäckträger hinten oder installiert dort einen zusätzlichen Fahrradkorb. Angetrieben wird er vom brandneuen Pendix-Hecknabenmotor. Pendix ist seit einiger Zeit auch Mehrheitseigner von VSC. Befeuert wird das Rad von einem 500 Wh großen Akku, leicht entnehmbar am Rahmen montiert. Ebenfalls besonders ist das Gewicht: Gerade einmal ein wenig mehr als 30 Kilo bringt das Cargobike auf die Waage – und spielt damit in einer Liga mit vielen „normalen“ E-Trekkingbikes. Die ihrerseits aber bei weitem nicht solch einen Laderaum bieten.
Zusammen sind sie stark
Sie sehen: Unser Testfeld ist höchst unterschiedlich zusammengesetzt. Die Bandbreite reicht von Cruisern über sportliche Leicht-E-Bikes, einem Trike und einem pendlerfreundlichen Faltrad bis hin zu einem echten Transportmeister. Jedes einzelne Rad ist dabei sehr eigenständig, hebt sich erfolgreich von der breiten Masse der Touren- und City-Bikes ab. Mit einem dieser Bikes unter dem Hintern ist Ihnen Aufmerksamkeit unterwegs garantiert. Ob sie aber auch Ihre Bedürfnisse erfüllen, erfahren Sie auf den nächsten Seiten. Wir haben die Bikes zwar ebenso ausgiebig getestet, wie Sie es sonst von uns gewohnt sind. Auf Noten und Punkte aber haben wir bewusst verzichtet. Denn es soll nicht der Eindruck entstehen, wir haben die Räder miteinander verglichen. Das kann und darf bei diesem Testfeld nicht unser Ansinnen sein.
Dazu kommt: Viel mehr als bei „klassischen“ E-Bike-Tests kommt bei diesen Rädern eine emotionale und wenig rationale Komponente dazu. Wer diese Räder fährt, der entscheidet sich nicht rein rational aufgrund des Alltagsnutzens für sie. Ihm gefallen die Ästhetik, das Design, das Lebensgefühl, das diese Räder ausdrücken – sogar bei eigentlich reinen Vernunfträdern wie unserem Cargobike. Ja, jedes einzelne Rad hat auch nicht von der Hand zu weisende Nachteile. Zu schwer, zu sperrig, zu unkomfortabel, zu wenig Reichweite für lange Touren … Aber jedes Rad hat Charakter. Und der lässt dann seinerseits über die wenigen Mankos generös hinwegsehen. Wenn man sich denn auf die Bikes einlassen will. Wir jedenfalls laden Sie dazu ein.
Exotische E-Bikes: Einige Euro mehr
Dazu kommt – jedenfalls bei einigen der Testräder –, dass der Stylefaktor, die Exklusivität, neueste technische Innovationen oder aber auch eine besonders hochwertige Ausstattung mit einigen Euro mehr zu Buche schlagen. Wie bei vielen nicht ganz rational zu sehenden Anschaffungen sind wir da durchaus bereit, diesen Bonus in Kauf zu nehmen. Die Obergrenze müssen Sie dabei für sich selbst definieren. Aber keine Angst, es geht immer noch eine Spur exklusiver. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie doch mal bei unserem E-MTB-Test ab Seite 116 vorbei …
Auch wegen dieser Ecken und Kanten verzichten wir auf Noten. Eines aber versichern wir Ihnen: Die Räder machen allesamt enorm viel Spaß. Klar: Nicht jeder von Ihnen wird mit jedem dieser Bikes gleichermaßen glücklich. Denn so unterschiedlich wie die Räder selbst sind Sie, unsere Leser. Zur Inspiration, zum Träumen, Schmunzeln, Erfreuen und – ganz sicher – auch zu der einen oder anderen tatsächlich konkreten Kaufempfehlung taugen die nun folgenden Beschreibungen dieser Bikes allemal! Lassen Sie sich auf sie ein, lassen Sie sich mitnehmen auf zehn ganz verschiedene E-Bike-Konzepte, die uns allesamt überzeugt haben. Wir jedenfalls konnten uns kaum wieder trennen von ihnen.
Diese exotischen E-Bikes haben wir getestet
Marke | Modell | Preis |
Ruff Cycles | Biggie | 3308 Euro |
Rayvolt | Beachin | 2799 Euro |
Urwahn | Waldwiesel Special Edition | 8499 Euro |
GEOS | Stahl-E-Bike | 6980 Euro |
Ruff Cycles | The Ruffian | 6199 Euro |
Rayvolt | Cruzer | 3769 Euro |
Azub | Ti-Fly X | 11.575 Euro |
Vello | Bike+ Automatic | 3290 Euro |
VSC.Bike | Finn | 4759 Euro |
Die getesteten exotischen E-Bikes in der Bildergalerie
Die ausführlichen Testberichte der exotischen E-Bikes lesen Sie in der ElektroRad 9/2023. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.