Winterschuhe für Radfahrer: Marken, Infos, Hintergründe

Die Saison-Verlängerer: Winterschuhe für Radfahrer

Winterschuhe für Radfahrer: Marken, Infos, Hintergründe

Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, die Luft ist klar, der Blick geht weit. Leicht glitzert Raureif im Morgenlicht. Alles sieht nach perfekten Bedingungen für eine lange Winterausfahrt aus. Nur schade, wenn die ganz kurz ausfallen muss, weil an den Füßen Eiszapfen wachsen und die Zehen vor Kälte schmerzen.
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Natürlich ist Radfahren im Winter eine größere Herausforderung als im Sommer – und das Material muss stimmen, damit Spaß und Sicherheit nicht auf der Strecke bleiben. Das fängt beim Rad an, mit entsprechender Beleuchtung und angepassten Reifen. Aber auch die Kleidung muss zum Einsatzzweck passen. Dabei geht es nicht nur um Komfort, sondern auch um passive Sicherheit. Denn kalte Glieder lenken ab und gerade glatte Straßen und schlechte Lichtverhältnisse fordern die volle Aufmerksamkeit.

Die Liste für passende Winterkleidung ist lang und reicht von Kopf bis Fuß, denn die Kälte greift überall an, es gibt aber besonders empfindliche Stellen, die anfällig für Kältebrücken sind. Das sind Stellen, an denen die Kälte die Isolation der Kleidung überwindet und direkt auf den Körper trifft. Besonders häufig geschieht das bei Öffnungen und Übergängen zwischen Körperteilen wie am Hals, an den Händen oder eben den Füßen.

Im Regelfall helfen verschiedene Kleidungsschichten – Zwiebelprinzip – dabei, die richtige Wärmestufe zu finden und sich auf wechselnde Wetterbedingungen – etwa einsetzenden Regen – einstellen zu können. Doch leider gibt es Bereiche am Körper, bei denen das Zwiebelprinzip an seine Grenzen kommt – etwa bei den Füßen.

Füße: Echte Sensibelchen

Ganz unmöglich ist es bei den Füßen nicht. Soll der Sommer- oder Ganzjahres-Schuh weiter genutzt werden, gibt es einige Hilfsmittel, um die Wärmeleistung zu steigern. Handelt es sich um einen Sommer-Schuh bzw. einen nicht wasserdichten Schuh, werden vor allem die Belüftungsöffnungen bzw. die Mesh-Einsätze zum Problem. Alles, was im Sommer für eine gute Belüftung sorgt, lässt im Winter kalte Luft in den Schuh. Die einfachste Möglichkeit ist ein Abkleben dieser Bereiche, etwa mit Gewebeband. Besonders haltbar und nachhaltig ist diese Lösung allerdings nicht. Gleiches gilt für das Überziehen von Plastiktüten. Das kann im Notfall helfen, eine Dauerlösung ist es aber nicht.

Eine Möglichkeit, das Zwiebelprinzip zu übertragen, sind wasserdichte Überschuhe. Diese werden außen über den gewohnten Schuh gezogen. Meist sind sie so lang geschnitten, dass sie auch den Übergang zwischen Schuh und Hose abdecken. Um Flattern und Kontakt mit drehenden Teilen am Rad – Sturzgefahr – zu vermeiden, sind Über­schuhe in der Regel eng geschnitten. Daher ist das An- und Ausziehen allerdings meist mühsam und es dauert länger als bei einem herkömmlichen Schuh. Beim An- und Ausziehen wirken außerdem große Kräfte auf Materialien, Nähte und Verschlüsse. Ebenso sind die Überschuhe nicht dafür gedacht, damit zu laufen. Kleine Spaziergänge beschädigen das Material an der Unterseite. Die Unterseite ist nicht durchgängig und nicht stabil, weil sie Öffnungen in dem Bereich hat, an dem die Schuhe die Pedale berühren – etwa für Klicksysteme. Die Haltbarkeit der Überschuhe ist daher begrenzt. Für gelegentliche Fahrten oder als Back-up im Rucksack können sie aber nützlich sein.

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Socken und Einlegesohlen

Im Schuh können spezielle Wintersocken und Einlegesohlen für mehr Wärme sorgen. Eine Möglichkeit für mehr Wärme im Schuh sind Socken aus Merinowolle. Das Material hält warm, transportiert Feuchtigkeit aber dennoch nach außen. Weitere Möglichkeiten sind wasserdichte Socken mit integrierter Membran. Weil zwischen Membran und Haut aber kaum Isolationsmaterial ist, bleiben die Füße zwar trocken, sie können aber dennoch schnell auskühlen. Außerdem sind solche Spezialsocken meist dicker als normale Radsocken. Sie sollten unbedingt mit den eigenen Radschuhen ausprobiert werden. Passt der Schuh mit den Wintersocken nicht mehr, hilft auch der wärmste Strumpf nichts.

Ein weiteres Hilfsmittel sind warme Einlegesohlen. Sie helfen allerdings ausschließlich gegen die Kälte, die von unten an die Füße kommt. Daher helfen solche Sohlen mehr im Stehen als beim Radfahren, da der Fahrtwind den Schuh eher im Fersenbereich und am Spann kühlt. Einlegesohlen für den Winter arbeiten meist mit Materialien, die Luft einschließen – wie Wolle oder spezielle Schäume. Diese Luft wird erwärmt und dient als Isolationsschicht. Für einen entsprechenden Effekt muss genug Luft gespeichert werden können, die Einlagen brauchen entsprechend viel Volumen. Das geht allerdings mit der Zeit verloren, wenn das Körpergewicht auf den Einlagen lastet. Die Einlagen müssen daher regelmäßig erneuert werden. Viel Volumen kann außerdem zu einem schwammigen Gefühl auf den Pedalen führen. Die Verbindung zwischen Rad und Fahrer ist dann nicht mehr so direkt. Viele Einlegesohlen haben auch eine Schicht aus einer Metallfolie. Wie bei einer Rettungsdecke soll diese Folie Körperwärme reflektieren.

Aus der Vorrede wird klar, wer regelmäßig im Winter Rad fahren möchte, der kommt um einen Winterschuh nicht herum. Allerdings greift der Begriff Winterschuh zu kurz, denn der Einsatzzeitraum ist meist deutlich länger. Auch im Herbst und Frühjahr können die Temperaturen, gerade am Morgen und Abend, empfindlich kalt sein. Nicht nur Pendler freuen sich daher von Oktober bis April über warme und trockene Füße.

Manche Winterschuhe kommen ohne Membran aus, wie der Magma X Plus von Northwave. Hier setzt der Hersteller auf eine dicke Isolierung. Das spart Gewicht und Geld, ist aber nur bei trockenen Ausfahrten sinnvoll.

Der perfekte Winterschuh

Der Markt für Radkleidung ist enorm breit und ausdifferenziert. Daher gibt es nicht den einen Winterschuh, sondern es gibt etliche von diversen Herstellern. Allein Northwave bringt es in seinem Produktkatalog auf 16 verschiedene Wintermodelle. Sie unterscheiden sich im Einsatzzweck, damit auch im Aufbau und schließlich im Preis.

Wie viel Arbeit in der Entwicklung von Winterschuhen für Radfahrer steckt, wird an einem Projekt des Herstellers Vaude deutlich. Zusammen mit der Universität Bayreuth entwarf Vaude ein umfangreiches Testprozedere für den ersten eigenen Fahrrad-Winterschuh. Dabei setzte das Unternehmen auf viele Messungen in Kältekammern. Nicht nur die Umgebungstemperatur wurde dabei untersucht, sondern auch die typische Bewegung beim Radfahren und die spezielle Anströmung des Fußes.

Dafür stiegen die Tester auch barfuß auf das Rad in der Kältekammer und stellten sich danach vor eine Wärmebildkamera. Es zeigt sich, vor allem die Zehen und der Rist sind anfällig für Auskühlung. Während die Zehen gut isoliert werden können, ist die Abdeckung des Rists eine größere Herausforderung. Denn verwendete Isolationsmaterialien wie etwa Primaloft arbeiten mit Luft in Zwischenräumen, die sich erwärmen kann und dann isoliert. Wird der Schuh aber geschnürt oder auf andere Weise verschlossen, dann wird die Isolierung komprimiert und kann nicht ungehindert arbeiten. Der Verschluss des Winterschuhs ist damit immer ein Kompromiss zwischen einem guten Sitz und einer guten Isolation.

Der Worst Case für die Wärmeisolierung ist es jedoch, wenn kalte Luft von außen einfach einströmen kann. Daher widmen sich die Hersteller intensiv der Öffnung des Schuhs. Es fällt dabei auf, dass alle Winterschuhe höher geschnitten sind als die Sommer-Pendants. Bei den meisten Modellen ist der Abschluss mit einem flexiblen Material, etwa mit Neopren, gelöst. Teilweise setzen die Hersteller auf Verschlüsse (etwa Vaude), teilweise ist der Abschluss als eng anliegender Strumpf gelöst (etwa Northwave). Das Material muss am Knöchel besonders flexibel sein, um die Bewegung des Fußgelenks nicht zu stören. Je extremer die Anforderungen sind, desto ­dicker wird auch das Material am Knöchel. Statt eines regulären Schuhs mit Neopren-Schaft gleichen die Schuhe dann eher Stiefeln.

Winterschuhe: Membranen und Verarbeitung

Neben der reinen Wärmeleistung ist auch die Wasserdichtigkeit bei vielen Winterschuhen ein wichtiges Thema. Ausnahme sind lediglich Schuhe, die für den Einsatz bei extrem niedrigen Temperaturen gedacht sind. Denn dann gibt es kaum Luftfeuchtigkeit und keinen Regen, sondern nur Schnee. In diesem Fall kann auf eine Membran zugunsten einer dickeren Isolierung verzichtet werden. Gerade wenn der Schuh aber auch im Frühling und Herbst getragen werden soll, ist eine Mem­bran sinnvoll. An der Oberseite arbeiten die Hersteller mit Materialien, die möglichst kein Wasser und keine Luft ins Innere gelangen lassen. Vaude setzt etwa auf dickes PU-Material. Die Kombination aus dichtem Obermaterial und Membran soll für garantiert trockene und warme Füße sorgen.

Vaude und Northwave setzen auf unterschiedliche Membranen – Sympatex und ­GoreTex –, sind sich beim Aufbau allerdings einig. Ganz innen sitzt ein Futterstoff (auch Lining genannt), dieser hat bei Winterschuhen meist eine „teddyartige“ Struktur. Der Stoff ist flauschig, um möglichst viel Luft halten und erwärmen zu können. Auf das Futter folgt die Membran. Die Membran hält durch ihren Aufbau Wasser vom Fuß fern, Wasserdampf aus dem Inneren kann aber entweichen. Je nach Stelle am Schuh folgt eine mehr oder weniger dicke Schicht aus Isolationsmaterial, gefolgt vom Obermaterial. Bei beiden Herstellern sind die Schichten im Vorderfußbereich miteinander verklebt – booty genannt. Die Verklebung sorgt für einen besseren Sitz und verhindert ein Verrutschen der verschiedenen Schichten aufeinander. Beide führen den kompletten Aufbau auch an der Unterseite weiter. Wie ein Strumpf umschließt das Material den Fuß, bevor es zur Hochzeit – der Verklebung mit der Sohle – kommt. Das sorgt einerseits für mehr Sicherheit bei der Wasserdichtigkeit. Andererseits gibt es an der Sohle oftmals mit dem so genannten Cleat-Fenster eine weitere Schwachstelle. Schuhe, die für den Einsatz mit Klickpedalen gedacht sind, haben im Sohlenbereich einen Bereich, in dem die Gegenstücke zu den Pedalen verschraubt werden. Für die individuelle Anpassung gibt es dabei auch noch Spielräume. Dieser Bereich ist besonders anfällig für eindringende Kälte, weil der Sohlenaufbau dort unterbrochen wird. Daher führen beide Hersteller den Aufbau des Innenschuhs komplett um den Fuß.

Vaude und Northwave sind nur zwei Firmen aus einer ganzen Reihe von Herstellern, die Winterschuhe für Radfahrer anbieten. Weitere Hersteller sind etwa 45NRTH, Ekoi, Five Ten, Fizik oder Shimano.

Winterschuhe für Radfahrer: Eine Auswahl

Der Shimano MW 702 ist für Mountainbiker entwickelt, Shimano positioniert ihn aber sportiv. Als Nässe- und Kälteschutz kommt eine GoreTex-Membran zum Einsatz.

Der Magma X Plus von Northwave kommt ohne Membran aus. Dafür setzt Northwave auf eine Primaloft Gold-Isolierung. Das spart Gewicht und sorgt dennoch für warme Füße.

45NRTH Ragnarök für kühle Herbsttage und milde Winter

Der Pavei Mid Winter STX von Vaude ist für Radreisende, Alltags- und Gravel-Fahrer gedacht.

Der Terra Artica GTX von Fizik hat Offroad-Ambitionen und kommt mit Profil-Sohle samt Klickpedal-Option.

Der W4 ist Ekois Winterschuh. Er ist der Nachfolger des früheren Winter Carbon Evo. Seine Rennsport-Gene werden in der steifen, carbon-verstärkten Sohle sichtbar.

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