Jason Osborne: E-Cycling-Weltmeister 2024 im Interview
E-Cycling-Weltmeister 2024 und Ex-Ruderer Jason Osborne im Interview
Jason Osborne: E-Cycling-Weltmeister 2024 im Interview
in Persönlichkeiten
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Längst nicht alle Tage erlebt man es, dass ein, in seiner ersten Karriere erfolgreicher, Profisportler seine erste Laufbahn beendet – und in eine zweite startet. Genau das hat der heute 30-jährige Mainzer Leichtgewichts-Ruderer Jason Osborne: Nach seiner zweiten Olympia-Teilnahme 2021 in Tokio sattelte der Sohn einer Deutschen und eines Briten konsequent aufs Rennrad um, will Radrennfahrer werden.
Jason Osborne im Interview
Ein Plan, dessen Umsetzung der Ruderer des Mainzer Rudervereins von 1878 ursprünglich bereits 2020 anstrebte – bis Corona kam und die Tokioter Olympiade um ein Jahr verschoben wurde. Ein fliegender Wechsel sozusagen aus dem flinken Einer- respektive Doppelzweier-Ruderboot aufs schnelle Rennrad.
Nicht zuletzt auch deshalb fuhr Osborne in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 bereits über 10.000 Kilometer.
Seinen spektakulären, mutigen Wechsel in den Profi-Radrennsport befeuert haben bereits erste, beachtliche Raderfolge. Im Dezember 2020 konnte sich der gebürtige Mönchengladbacher bei der über die virtuelle Zwift-Trainingsplattform ausgetragene E-Cycling-Straßen-WM zum ersten UCI-Weltmeister im E-Cycling küren und sich erfolgreich gegen starke Konkurrenz durchsetzen.
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Auch sein beachtliches Können beim anspruchsvollen, leidenschaftlichen Kampf gegen die Uhr stellte der Radsport-Quereinsteiger unter Beweis. Bei den deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren raste Osborne 2018 auf den starken 8. Platz, 2019 wurde er Sechster. Ab dann ging es steil bergauf: Osborne wurde bei den E-Cycling-Weltmeisterschaften 2022 Dritter und belegte Rang 14 in der Gesamtwertung der Tour de Langkawi. 2023 wechselte der Radsportler vom Nachwuchsteam in die WorldTour-Auswahl Alpecin-Deceuninck, er gewann bei den E-Cycling-Weltmeisterschaften des Jahres Silber, wurde Gesamtzweiter der Tour of Austria und beendete mit der Vuelta a España seine erste Grand Tour auf Platz 131.
Nun sein jüngster Erfolg: Osborne holte bei den E-Cycling-Weltmeisterschaften 2024 Abu Dhabi Gold!
Im Laufe seiner ersten sportlichen Karriere „zu Wasser“ war Jason Osborne in den letzten Jahren im Leichtgewichts-Einer- und Leichtgewichts-Doppelzweier-Boot sehr erfolgreich. In der nicht-olympischen Leichtgewichts-Einer-Disziplin errang er 2018 WM-Gold und ruderte mit Zweier-Partner Jonathan Rommelmann zunächst 2019 zur WM-Bronzemedaille, schließlich 2020 zu Silber bei der Europameisterschaft.
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Radfahren.de: Du bist es gewohnt, elegante und schöne Boote schnell durchs Wasser zu bewegen. Reizen dich Fahrräder auch ästhetisch?
Jason Osborne: Mich faszinieren Räder schon sehr. Ruderboote bin ich gewohnt, die kenn ich einfach. Das ist dann nicht mehr so geil, wenn ich zum fünften Mal in Folge einen Einer hingestellt bekomme, der zwar ein krasses Boot ist, aber: Wenn ich mir mein tolles Rennrad angucke, dann finde ich das schon nochmal cooler. Muss ich ganz ehrlich sagen. Das könnte man sich auch an die Wand hängen, um es die ganze Zeit anzugucken.
Du wirkst nicht strikt auf dein Arbeitsgerät, das Rennrad, fokussiert. Das Gravelbike sagt dir durchaus auch zu, oder?
Ja, ich versuche, mich so vielseitig wie möglich auszutoben. Vor einigen Jahren hab ich mir ein Gravelbike geholt. Find ich halt einfach geil: Du fährst nicht auf der Straße, hast keinen störenden Verkehr und ein bisschen deine Ruhe. Gleichzeitig ist es für mein Fahrtechnik-Training gut. Ich denke, das hilft mir dann auch bei meinen Rennen auf der Straße, was Fahrgefühl und Sicherheit anbelangt. Damit man sich auf sein Rad verlassen kann und ein gutes Bikehandling bekommt.
Woher rührt deine Radleidenschaft? Gab es Parallelen zwischen beiden Sportarten, dem Rudern und Radfahren?
Die hat sich schon seit 2012 entwickelt, als mir mein Trainer gesagt hat, ich soll mir doch ein Rennrad kaufen, weil das ein super Ausgleichssport zum Rudern sei. Dem Rat bin ich gefolgt, hab mir ein Rennrad gekauft und das Radfahren schon ein bisschen ins Rudertraining implementiert. Ich hab bald einen Großteil meines Trainings auf dem Rad absolviert. Und über die Jahre wurde das immer mehr, so dass ich teilweise nur noch drei- bis viermal die Woche im Rudertraining war. Den Rest der Zeit hat man überwiegend auf dem Rad trainiert, weil man damit große Umfänge schafft. Wenn man im Boot sitzt, trainiert man ruderspezifische Technik und fährt unterschiedliche Intensitäten. Das also, was du im Rennen brauchst. Die Grundlagenausdauer holt man sich dann vom Radfahren.
Interessant! Hätte ich nicht gedacht …
Ja, man merkt eben auch, dass sich beides super ausgleicht. Zum einen, wie gesagt, die tolle Möglichkeit, große Trainingsumfänge auf dem Rad zu fahren und zudem bietet die Kombination Rudern/Radfahren Vorteile für beide Sportarten. Ich hab dazu lange mit den Leuten gesprochen, die mich für die E-Cycling-WM von Zwift gecoacht haben und die sagen auch, Ruderer haben – was die Sportart besonders macht – ein krasses Schlagvolumen am Herz, was du so in fast keiner anderen Sportart siehst. Dadurch kannst du teilweise beim Fahren von einem Stufen-Belastungstest zur Ermittlung deiner Leistungswerte feststellen, dass es Ruderer teilweise schaffen, eine höhere Leistung über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Obwohl es nach der Radanalyse nicht unbedingt danach aussieht. Ruderern gelingt es da irgendwie noch besser übers Limit zu gehen und dabei ein hohes Leistungsniveau beizubehalten.
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Was macht die Zeitfahr-Disziplin so attraktiv für dich?
Ich find es einfach geil, gegen die Uhr zu fahren. Das hat zum Teil Ähnlichkeiten mit einem Ruderrennen. Wenn wir zum Beispiel im Winter einen 2000-Meter-Test indoor fahren – was im Winter immer zur Leistungsüberprüfung ansteht – setzt du dich aufs Ergo-Testgerät und versuchst, alles herauszuholen. Das hat also klare Ähnlichkeiten zum Zeitfahren; da setze ich mich aufs Rad und trete einfach, was geht. Dann guckt man ebenfalls, was dabei rauskommt.
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Wo siehst du für deine zweite Karriere als Rennrad-Straßenprofi noch Optimierungspotential?
Gut, zunächst gilt es für mich, ein Team zu finden, was mir als Fahrer eine Chance gibt. Ich bin da guter Dinge, dass mir meine betreuende Sportvermarktungsagentur einen Vertrag ranholen kann. Dann muss ich mich da langsam herantasten. Ich bin gespannt, wie das alles weitergeht. Wenn ein Team sich auf das Projekt einlässt, kann es direkt losgehen. Klar, es gibt einiges zum Fahren im Feld zu lernen und es wird eine Herausforderung, aber auf die hab ich einfach Bock. Ich hab hier Leute wie einen Cameron Wurf (ehemaliger australischer Olympia-Straßenfahrer/Ruderer, Anmerkung d. Red.) vor Augen, der ja erfolgreich Profi-Triathlet und Straßenprofi ist. Meine Fitness reicht schon aus, um in der Worldtour mitzufahren, und er sagt auch, dass ich, wenn ich jetzt noch Straßen-Radrennen fahren könnte, einer der besseren Fahrer wäre. Deswegen bin ich zuversichtlich. Ich find, das ist einfach ein super Sport!
Den tollen Bildern bei Instagram nach, erkletterst du per Rennrad gerne Schweizer Bergpässe. Deine Vorstellung einer perfekten Rennradtour?
Ja. Ich war viel mit meiner Ex-Freundin von Grenoble aus mit dem Rad in den Französischen und Schweizer Alpen unterwegs, auch im Urlaub. In drei Wochen bin ich beim Ruder-Worldcup im Schweizer Luzern und bleib dann bei einem Kumpel, der dort wohnt. Da werden wir dann wieder einige Pässe zusammen fahren. Das ist einfach geil! Ich begeistere mich dafür, das macht unglaublich Bock, da zu fahren. Ich bin auch, muss ich wirklich sagen, mehr der Bergtyp. Berge faszinieren mich. Und ich sehe mir gern die Rennen an, bei denen die Fahrer sich da gegeneinander hochkämpfen. Das ist schon das, worauf ich fahrerisch Lust habe.
Stichwort Abfahrten – reizen dich die auf dem Rad genauso?
Ja, macht mir auch Spaß. Zu Anfang meiner Radkarriere war ich bergab sehr vorsichtig. Über die Jahre hab ich mich da aber schon weiterentwickelt, so dass ich mittlerweile richtig Lust auf Abfahrten hab. Man merkt auch, wie man sein Rad-Handling verbessert, unterstützt vom Gravelbike-Fahren in leichtem Gelände. Wenn das Rennrad dann mal abrupt wegrutscht, lässt es sich trotzdem wieder leichter korrigieren. Bergab bin ich schon deutlich besser geworden und fahr gern schnell. Ich mag eher die technischen Abfahrten, auf denen man sich so schön in die Kurven legen kann.
Erträgst du es als Leistungssportler überhaupt noch, langsam zu fahren?
Doch, ja. Wenn ich mit Bekannten oder Freunden fahre, die nicht auf meinem Leistungsniveau sind, kann ich auch locker lassen und muss nicht immer diesen Leistungsgedanken mitspielen lassen. Ab und an gehe ich Rad fahren und nehme meine Kamera mit, mache ein paar schöne Fotos und halte auf einen Kaffee an. Da versuche ich bewusst, gar nicht an Leistung zu denken, sondern die Natur zu genießen. Es geht nicht immer nur um Vollgas, Vollgas … Radfahren als Sport ist einfach toll; man ist an der frischen Luft und sieht viel.
Stichwort „viel gesehen“: Wo fährst du am liebsten Rad?
Keine Frage, in der Schweiz gibt’s einige der schönsten Pässe und Straßen. Ich fühl mich zudem daheim in Mainz wohl, weil man vom Taunus, dem Oden- und Pfälzerwald oder dem Hunsrück als Revier profitiert. Auch an der Mosel kannst du toll fahren und von Mainz aus alles gut erreichen. Im Sommer ist es echt schön hier, da muss ich nicht unbedingt wegfahren. Solange man ab und an im Hochgebirge unterwegs ist, komme ich hier zum Trainieren gut klar.
Bei welchen Straßen-Radrennen und Disziplinen willst du künftig in Erscheinung treten?
Das muss sich erstmal finden. Beim Zeitfahren definitiv, das ist klar meine Stärke. Ich hätte außerdem Lust auf Bergetappen. Ich weiß nicht, ob ich direkt mit den Top-Bergfahrern mithalte, aber von meinen Leistungswerten her sollte es schon für einen guten Helfer am Berg reichen. Und Klassiker-Rennen reizen mich. Ich war schon mehrfach im radsportbegeisterten Belgien und hab dort den KOM (Bergkönig auf der Trainings-App Strava, Anmerkung d. Red.) an der Muur van Geraardsbergen (legendärer Anstieg der Flandern-Rundfahrt mit bis zu 20 % Steigung, auf Kopfsteinpflaster; die Red.) geholt. Das hat schon Flair dort! Man merkt, dass Belgien eine echte Rad-Nation ist und der Radsport fast so einen Stellenwert genießt wie der Fußball in Deutschland. Ich muss sagen, ich fand das Fahren auf Kopfsteinpflaster an der Muur nicht so schlimm. Vielleicht ist es etwas unangenehmer, wenn man in einem riesigen Fahrerfeld da rauffährt.
Von welcher Raddestination träumst du für 2021?
Ich hatte überlegt, Straßen- und Triathlonprofi Cam Wurf, mit dem ich befreundet bin, nach Olympia in Andorra zu besuchen. Das wäre für mich ein Highlight, wenn ich da ein paar Runden mit ihm drehen könnte. Die Höhenlage ist dort krass, daher macht man dort auch gern Höhentraining. Das wär was!
Anmerkung der Redaktion: das Interview wurde im Frühjahr 2021 geführt.