DaVe – ist das Darmstadt Vehicle die Mobilität der Zukunft?
DaVe aus Darmstadt will Mobilität revolutionieren
DaVe – ist das Darmstadt Vehicle die Mobilität der Zukunft?
in Test & Teile
In der Aula des Fachbereichs Gestaltung direkt gegenüber dem berühmten Darmstädter Hochzeitsturm enthüllten Industriedesign-Professor Tom Philipps, Dr.-Ing. Stefan Gloger und Designer Robert Toroczkay von der h_da sowie Head of Design Johannes Rasche und Geschäftsführer Arndt Graeve von CaGo das Darmstadt Vehicle. „Für uns ist es der Abschluss eines Forschungsprojekts, gleichzeitig aber der Startschuss für ein äußerst spannendes Mobilitätskonzept“, sagte Tom Philipps. Tatsächlich ist DaVe zwar auf den ersten Blick als Fahrrad zu erkennen, schnell aber zeigt sich auch, dass es mehr ist als ein Drahtesel Drais’scher Idee. Die ersten Gedanken, die zum Zuschlag für das Forschungsprojekt führten, liefen keineswegs von vornherein auf ein Fahrrad hinaus. „Am Anfang stand, dass wir uns gewahr wurden, dass täglich rund 15.000 Menschen aus den unmittelbar benachbarten Kommunen nach Darmstadt hinein pendeln. Der ÖPNV allein kann das nicht leisten“, berichtete Tom Philipps. So entstünden Kilometerlange Pkw-Staus, die sich in die Innenstadt zögen. „Darum wurde uns schnell klar, dass ein weiteres E-Auto keine Option ist.“
DaVe: 25er- und 45er-Version geplant
Die Forschungsgruppe befragte also die Betroffenen. „Das Tempo, mit dem die Menschen die im Schnitt rund 15 Kilometer unterwegs sein wollen, deutete recht bald zum S-Pedelec“, erklärte der Industriedesign-Professor. DaVe ist entsprechend auch als S-Pedelec gedacht, also als ein Fahrzeug, das bis 45 km/h motorunterstützt fahren kann. Beim Blick vor die Tür an diesem leicht verregneten, nebeligen Novembertag wies Philipps auf eine weitere Bedingung hin, die DaVe erfüllen sollte. „Bei nasskaltem Wetter ist das Auto schon attraktiver als ein klassisches Fahrrad. Wir haben uns also Gedanken über einen Witterungsschutz gemacht.“ DaVe hat entsprechend ein leichtes Verdeck und eine Windschutzscheibe. „Das ganze ist wie ein Regenschirm konzipiert“, so der Professor. Die Scheibe lässt sich entsprechend justieren, sodass sie verregnet nicht den Blick beeinträchtigt und trotzdem den Regen abhält.
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Witterungsschutz im Rucksack
Wind- und Spritzwasserschutz sei ein guter Kompromiss, den die Menschen akzeptieren bei einem Fahrzeug, das einen Zweit- oder Drittwagen ersetzen soll. Weniger dürfe es aber zumindest bei Schmuddelwetter nicht sein. Bei warmem Sonnenschein hingegen schon, und so lässt sich das gesamte Verdeck in einer Art Rucksack hinter dem Fahrer verstauen. Dieser Rucksack kann einfach abgenommen werden. „Das Prinzip hat die Automobilindustrie schon vor Jahrzehnten entdeckt. Sie nennt es Cabrio“, sagte Philipps schmunzelnd.
DaVe bringt einige Sicherheits-Neuerungen
Neben Witterungsschutz sei Sicherheit eines der wichtigsten Merkmale, das ein Autoersatz erfüllen müsse. Sie sei beim DaVe in verschiedenen Punkten adressiert. Ein schon allein optisch auffälliges Detail dabei: Der sehr steile Lenkwinkel – im Prototyp sichtbar an der um 180 Grad gedreht verbauten RockShox-Federgabel. Stefan Gloger erklärt: Bei einem normalen Fahrrad kippt das Rad je nach Lenkeinschlag oder Kippwinkel zur Seite.“ DaVe hingegen richte sich im Fahren von alleine wieder auf. Eine Erkenntnis, die nur in Zusammenarbeit mit einem solchen Forschungsprojekt zustande komme. „Die Industrie hat eigentlich gar nicht die Entwicklungskapazitäten, die völlig neue Geometrie alleine zu entwickeln.“ Diese erinnere eher an einen großen Motorroller als an ein Fahrrad. Sie entstand aus unzähligen Testläufen an der Hochschule. An deren Ende stand auch der sehr flache Tretwinkel, der deutlich nach vorn verläuft, nicht nach unten wie beim klassischen Fahrrad. „Das hat zur Folge, dass im Stand beide Beine fest auf dem Boden stehen. Auch das erhöht die Sicherheit.“ Gleichzeitig sind die Beine beim Pedalieren so gestreckt, dass effizient Kraft aufgewendet wird.
Verbesserte Rundumsicht
Der Ständer lasse sich aus dem sicheren Stand des Fahrers heraus ganz leicht ausfahren. Das gelinge auch kleinen, leichten Nutzern. „Das Ziel war immer, das Umkippen des Rads zu vermeiden. Im Stand wie unterwegs“, erläuterte Robert Toroczkay. Der Oberkörper sitzt dabei sehr aufrecht. „Das verbessert die Rundumsicht im Vergleich zur gebeugten Sitzposition auf dem Fahrrad“, so Toroczkay. Gloger ergänzt: „DaVe bietet auch eine bessere Sicht als in einem Auto. Denn keine A-, B- oder C-Säule behindert das Blickfeld.“
DaVe soll Autofahrer ansprechen
Mit all diesen Details wolle die Forschungsgruppe vor allem Autofahrer ansprechen. „Wir wollen, dass der Zweit- oder Drittwagenfahrer sein E-Bike nicht nur am Wochenende aus der Garage holt, sondern es jeden Tag nutzen will“, sagt Stefan Gloger. Das „will“ sei dabei entscheidend. DaVe soll dazu beitragen, die Akzeptanz des Fahrrads deutlich zu erhöhen. Dass dabei auch der Preis eine gewisse Rolle spiele, sei den Verantwortlichen bewusst. Zwar gebe es noch keine Kalkulation, was DaVe später einmal kosten werde. „Das Ziel aber“, so Stefan Gloger, „ist der Preis eines herkömmlichen, hochwertigen Pedelecs.“ Um das zu erreichen, soll DaVe sowohl komplett ohne Aufbauten – Transportbox vor dem Fahrer, Windschutzscheibe und Regenrucksack – als auch als Pedelec-25-Version zu haben sein. Modular ließe sich darauf aufbauend das Zubehör ordern. „Wie DaVe am Ende aber aussehen wird und was er kostet, ist heute noch nicht sicher.“
DaVe-Prototyp noch nicht im finalen Design
Um das zu verdeutlichen, ging Johannes Rasche auf die Konzeptstudie im Maßstab 1:4 ein, die CaGo schon im Juli auf der Eurobike in Frankfurt gezeigt hatte. Darin lässt sich die Designhandschrift von CaGo deutlich besser ablesen als am fahrbaren Prototyp. „Am großen DaVe ist natürlich noch sehr viel improvisiert und bei weitem auch nicht alles nah an der geplanten Serie“, so der Chefdesigner der Koblenzer. Vor CaGo, die das DaVe-Projekt nun federführend übernehmen, liege noch ein langer Weg bis zur Markteinführung. „Der Schritt vom innovativen Prototyp zur Industriereife ist der schwierigste im ganzen Prozess.“
DaVe: Richtungweisend für Kurzstreckenmobilität
DaVe zeigt, wohin die Reise bei der Kurzstreckenmobilität gehen könnte. Der Faktor Umwelt spiele dabei immer eine wichtige Rolle. Ressourcen sollen dabei nicht nur beim Antrieb geschont werden. „Alle Anbauteile sind sortenrein, können wieder demontiert und dann dem Recycling zugeführt werden“, sagte Tom Philipps. Stefan Gloger ergänzte: Am gesamten Rad setzen wir keine Verbundstoffe ein. Denn auch wenn sie leichter sind, können wir durch die Gewichtseinsparung deren CO²-Fußabdruck von der Produktion selbst über den gesamten Lebenslauf des Rads nicht ausgleichen.“
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Sehr positiver Fahreindruck
Der erste kurze Fahreindruck von DaVe ist sehr positiv. Das Rad fährt tatsächlich so spurstabil wie angekündigt. Das Losfahren aus dem sicheren Stand ist einfach, auch wenn es am Anfang sicher einer kurzen Eingewöhnung bedarf, da es sich etwas vom Anfahren mit einem „normalen“ Fahrrad unterscheidet. Das Lenkverhalten ist ebenfalls sehr angenehm. Die Unterstützung – im Prototyp von einem Bosch Cargo Line-Motor – ist angemessen kraftvoll, die Bremsen groß dimensioniert und gut zu dosieren. DaVe hat eine Chance verdient. Hoffen wir, dass er sie auch auf dem Markt bekommen wird.