Verkehrswende: Scheuer muss Taten folgen lassen
Scheuer muss seinen Worten Taten folgen lassen
Verkehrswende: Scheuer muss Taten folgen lassen
in Story
in Story
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die vielen positiven Beispiele aus dem Ausland für die Verkehrswende hin zu besserer Radinfrastruktur gelobt. In Amsterdam, Paris, Kopenhagen führen weit mehr Menschen Rad als in Deutschland. Das müsse Vorbild sein. Da hat Scheuer recht. Nur: Sein Ministerium und damit er selbst hat die Macht, das umzusetzen. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass der Radverkehr immer weit hinter dem motorisierten Individualverkehr zurückstecken musste. Das muss er ändern. Er hat es beim ADFC-Symposium ausgesprochen, jetzt muss er handeln!
Jahrzehntelanges Ungleichgewicht
Straßen waren Jahrzehntelang vor allem für Autos und Lastwagen da. Fahrradfahrer waren lästiges Übel, nicht auf dem Schirm. Auch deshalb gründete sich vor 40 Jahren der ADFC als Gegenpol zum allmächtigen ADAC und der übrigen Autolobby. Es dauerte aber viele Jahre, bis der Fahrradfahrer überhaupt, der Radpendler im Speziellen etwas mehr in den Fokus rückte.
Anfangs nur Blick auf Freizeitradler
Wenn Radverkehrsinfrastruktur geschaffen wurde, dann vor allem für Freizeitradler. Radwege auf dem Land und in Tourismusregionen waren das Höchste der Gefühle. Erst allmählich erkannten Verkehrsplaner und das Verkehrsministerium, dass es auch Menschen gibt, die das Rad als Verkehrsmittel nutzen. Also versuchten die Städte und Gemeinden, für diese Radler Nischen zu schaffen. Viel zu lange wurden diese Nischen als Radverkehrspolitik verkauft. Dabei war das vor allem Radverkehrsverhinderungspolitik.
Radfahren ist wie Fleisch kaufen
Denn wer sich unsicher fühlt, wer ausgebremst wird, wer einfach keinen Spaß und keinen Nutzen am Radfahren hat, der lässt sein Rad stehen. In Zeiten von Klimawandel und Feinstaubdebatte wünschen sich viele Menschen mehr Radverkehr. Er ist sauber, leise und umweltfreundlich. Haben sie aber davon keinen Mehrwert, fahren sie weiter Auto. Es ist wie beim Fleisch: Jeder wünscht sich mehr Tierschutz. Im Supermarkt greifen dann aber doch die meisten zum billigsten Schnitzel. Das Hemd ist mir näher als der Rock.
Das Rad muss das schnellste und bequemste Verkehrsmittel sein
Andreas Scheuer hat es selbst gesagt: Wenn Paris ganze Autospuren schließen und für Radfahrer freigeben kann, dann sollte das in Deutschland auch möglich sein. Auch Amsterdam und Kopenhagen zeigen, wo es in Deutschland hakt: Sichere, baulich getrennte Radwege gibt es so gut wie nicht. Ein Fahrradparkhaus in Münster mit 3300 Stellplätzen ist hierzulande immer noch das Größte – und fast das einzige. Sichere Abstellplätze? Nahezu nicht vorhanden. Ein Beispiel gefällig? Der Berliner Hauptbahnhof hat offiziell gerade einmal eine Abstellfläche für 50 Fahrräder.
Massive Investitionen sind nötig – mit einer klaren politischen Priorisierung
Der Umbau der Verkehrsinfrastruktur muss jetzt beginnen und er muss umfassend sein. Im Vergleich zu Dänemark und den Niederlanden hinken wir Jahrzehnte nach. Aber auch Frankreich, Spanien, die Schweiz und England sind inzwischen deutlich weiter. Deutschland läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Denn hier wird um jeden Autoparkplatz gekämpft. Jede Umwidmung einer Straße zieht die Gründung einer Bürgerinitiative nach sich. Radschnellwege scheitern an der unzureichenden Zusammenarbeit der beteiligten Kommunen und an kleinlichen Debatten etwa um wegfallende Parkplätze – siehe München.
Der Umstieg kommt automatisch
Die Menschen beginnen Rad zu fahren, sobald es einfacher, schneller und sicherer ist als alle anderen Verkehrsmittel. Bei Strecken von fünf bis 15 Kilometern ist das relativ leicht umsetzbar – und auch logisch. Denn etwa die Witterung ist viel besser als ihr Ruf. Fast nie herrscht Eisglätte. Auch regnet es viel seltener als viele denken. Gleichzeitig muss niemand Angst haben: Lieferverkehr, Krankentransporte und der Rettungsdienst werden auch weiterhin uneingeschränkt unterwegs sein dürfen. Unterm Strich aber werden wir alle von einem solchen Umbau der Verkehrsflächen profitieren. Ortschaften und Städte werden lebenswerter, die Luft besser und die Menschen fitter. Was das gesamtgesellschaftlich bedeutet, liegt auf der Hand. Also, Herr Scheuer, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Das hilft Ihnen und uns allen.