Markus Wasmeier: Der ehemalige Ski-Profi und Olympiasieger im Interview
Interview mit Ski-Ass und Olympiasieger Markus Wasmeier
Markus Wasmeier: Der ehemalige Ski-Profi und Olympiasieger im Interview
in Story
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Markus Wasmeier hat im Jahr 1994 bei den Olympischen Spielen in Lillehammer Gold im Super-G und im Riesenslalom geholt. Seine rastlose Zeit als internationale Ski-Ikone ist längst vorbei. Inzwischen unterhält er ein Freilicht-Museum am malerischen Schliersee. Wir haben ihn dort besucht und ausführlich mit Ihm über Heimat, sein Freilicht-Museum und über das Radfahren gesprochen. Einen Bericht über unsere ausgiebige Fahrt mit dem E-Bike in seiner Heimatregion Schliersee sowie seinem Freilicht-Museum gibt es in der aktuellen ElektroRad 6/2020 zu lesen.
Markus Wasmeier der Olympiasieger
Servus Markus! Die ganze Welt kennt Dich nach Doppelgold bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer als den „Gold-Wasi“. Wie kam es, dass Du unmittelbar nach Deinen größten Erfolgen so plötzlich die Skier ins Eck gestellt hast?
Grüß Dich. Ja, ich war everybody`s Darling, das stimmt. Da ist der Druck weiterzumachen groß. Vom Herzen her wäre ich weitergefahren. Von der Vernunft her habe ich aber gewusst: es kommt das zweite Kind auf die Welt. Für mich war klar: ich mag meine Kinder aufwachsen sehen. Bei 300 Tagen als Skierennfahrer durch die Welt unterwegs – da wirst Du vom Nachwuchs nicht viel mitkriegen. Ich war 31, es passte aufzuhören. Aber die Leidenschaft mich zu plagen und zu trainieren, die war immer noch da.
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Kindheitserfahrungen als Antrieb
Hast Du diese Leidenschaft von Deiner Familie geerbt?
Mein Vater war Kirchenmaler und Restaurator. Der war zwar begeisterter Skifahrer – aber nicht im Rennsport. Mein Antrieb hatte andere Gründe. Ich bin während meiner gesamten Schulzeit immer gemobbt worden. War immer der, der unterdrückt wurde und das Opfer war. Weil ich so sensibel war und immer sofort auf Hänseleien reagiert habe. Aber ich habe eines gewusst: auch wenn ich in der Schule nicht so gut bin – mit den Skiern bin ich schneller!
Das wollte ich den anderen zeigen. Als ich mit 14 Jahren fertig mit der Schule war, war für mich klar: ich mache den gleichen Beruf wie mein Vater! Ich wollte mit ihm zusammen arbeiten und machte eine Lehre als Maler. Nur: ein Kirchenmaler hat im Winter keine Aufträge. Also konnte ich dann meinen Skisport mit ebensolcher Leidenschaft verfolgen.
Markus Wasmeier und der Weg zum Freilicht-Museum
Mit Deinem Freilichtmuseum hast Du den Weg deines Vaters als Restaurator dann vollends eingeschlagen. War Dir nach Deiner aktiven Sportkarriere sofort klar, dass Du ein solches Museum errichten willst?
Den Virus hat mir mein Vater eingepflanzt, ja. Meine Mutter war eher die Realistische. Ich war 11 Jahre alt, als mein Vater und ich ein altes Holzblockhaus abgebaut haben. Damals gab es schon Bauernmuseen, die haben meinen Eltern gefallen. Das Haus abzubauen – Balken für Balken, Leiste für Leiste – war im Prinzip wie Legospielen. Nur mit dem Unterschied, dass ich selbst die Pläne zeichnen und die Teile nummerieren musste.
Anfänge als Familienhobby
Als ich 16 Jahre alt war, hatten wir endlich ein passendes Grundstück für das Haus und wir haben es nach meinen selbstgezeichneten Plänen wieder aufgebaut. Immer an Freitagen und Samstagen. Das war unser Familienhobby. Wir haben alles alleine gemacht. Das machte so viel Spaß, dass zu dem ersten Haus ein zweites, ein drittes, ein viertes und ein fünftes dazukamen.
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Das Freilicht-Museum am Schliersee
Du hast mit dem Freilichtmuseum nicht einfach nur irgendwo ein paar Häuser ab und hier wieder aufgebaut. Du hast auch eine Oase in der Zeit geschaffen. Steckt hinter der Gemütlichkeit und Ruhe, die jeder Besucher spürt, immer noch der gleiche sportlich ambitionierte Ehrgeiz des Skirennfahrers?
Ja! Das einzige, was man lernen muss, ist, dass die Zeiten beim Hausbau ein wenig andere als beim Rennfahren sind… (lacht). Wenn Du im Sport eine Herausforderung hast, packst Du es am gleichen Tag noch an. Für ein Gebäude hier im Museum brauche ich zwischen drei bis sieben Jahre, bis es wieder steht. Viel Organistaion und Behördengänge. Das habe ich mit meiner Ungeduld erstmal lernen müssen.
Stehst Du auch selbst auf der Baustelle und packst mit an?
Logisch! Alles was Du hier siehst habe ich selbst in meinen Händen gehabt. Anfangs habe ich die Häuser selbst aufgebaut. Den Hof da drüben habe ich komplett selbst gemacht. (Zeigt auf eines der Häuser). Der stammt aus dem dreizehnten Jahrhundert.
Später, als die Häuser größer und schwieriger wurden, hab ich sie dann mit Hilfe meiner Handwerker aufgebaut. Inzwischen bin ich der größte Arbeitgeber hier im Ort.
Schliersee ist Heimat
Hast Du dafür Zuschüsse bekommen?
Nein. Zunächst hat man gar nicht verstanden, um was es hier geht. Da musste ich alles selbst finanzieren. Ich habe einen gemeinnützigen Verein gegründet und parallel angefangen aufzubauen. Der Träger dieses Museums ist der Verein. Anfangs war es auch der Ehrgeiz zu zeigen, was man aus einem alten und baufälligen Haus noch alles machen kann. Später haben die Leute verstanden, um was es mir hier geht.
Dann kamen Paten und Sponsoren. Und mit diesem Geld haben wir dann gezeigt, wie man die Häuser mit den alten Handwerkstechniken aufbaut. Es geht nicht nur um das Bewahren alter Häuser, sondern auch um das Bewahren alter Handwerkskunst, die hier immer noch angewendet wird.
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Kultur und Geschichte vermitteln
Stichwort Bewahren. Mit dem Museum hast Du nicht nur eine Insel in der Zeit geschaffen und zeigst, den Besuchern, wie man früh belebt hat, sondern Du zeigst Ihnen damit auch die Schönheit Deiner Heimat, in das Leben von früher.
Ich sage mal so. Ich bin zwar ein sogenanntes Freilichtmuseum. Aber nicht vergleichbar mit ähnlichen, staatlichen Museen. Die Staatlichen haben die Aufgabe zu forschen, zu archivieren und zu bewahren. Aber das habe ich nicht. Und könnte das als privates und gemeinnütziges Museum auch nicht leisten. Alleine die Forschungsgelder – die kriegst du gar nicht.
Mit Millionenzuschüssen kann man natürlich anders arbeiten. Ich muss hier jeden Cent durch Spenden und mit dem Betrieb des Museum erwirtschaften. Ich sehe mich daher nicht wie ein Museum, sondern eher als Vermittler von Kultur und Geschichte. Hier können die Leute in das Leben von früher eintauchen und feststellen, dass es uns heute ziemlich gut geht.
Früher hatten die Menschen mehr Zeit
Interessant. Die Zeit von früher verklärt man ja gerne. War früher nicht alles besser? Wenn man sich hier in dieser Idylle umschaut, könnte man das fast meinen.
Na. Das Leben von früher, das war schon zach! (bayrisch: zäh, hart. Anm. d. Red.). Ich glaube, dass die älteren Leute, die behaupten, daß es früher schöner war, damals einfach mehr Zeit hatten. Jetzt geht der Lauf der Dinge so brutal schnell. Die Zeit ist kein beschaulicher Fluss mehr wie früher, sondern ein Wildbach. Man musst schauen, dass man da drin mitschwimmen kann.
Fahrrad und E-Bike: Möglichkeiten zur Entschleunigung
Man sehnt sich eigentlich nach Entschleunigung. Mal wieder die Seele baumeln lassen. Und das hier ist eben ein Ort, an dem man das wieder spüren kann. Man kann hier verweilen – ohne das Gefühl zwanghaft einen Museumsbesuch absolvieren zu müssen.
Hier geht es um Vermittlung von Werten. Wenn unser Schmied 180 Stunden Handarbeit in die Herstellung eines einzigen Messers steckt, hat das eben einen entsprechenden Wert. Oder der Wert von Lebensmitteln. Wir backen hier Brot wie vor 300 Jahren oder brauen Bier wie vor 300 Jahren.
Das klingt lecker. Das Bier müssen wir nach unserer E-Bike Tour auch probieren.
Ja, unbedingt! (lacht) Die 35.000 Liter Bier, die wir jährlich ausschenken sind hart erarbeitet. Das ist alles Handarbeit, ohne Maschinen. Es ist mir ein Grundbedürfnis, unseren Besuchern zu zeigen: das ist alles etwas wert! Das braucht Zeit.
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Die Zukunft heißt: E-Bike
Die Motorunterstützung eines E-Bikes beißt sich ein wenig mit der Entschleunigung, die man hier erlebt. Damit erlebt man eher eine Beschleunigung als…
Finde ich gar nicht! Damit kann man die Natur viel besser genießen!
Ja? Wenn das E-Bike mehr Genuss bedeutet: wo war für Dich der Punkt als Sportler auf ein E-Bike zu setzen?
Also, das war so: in 2009 war ich verletzt und mein Sohnemann war es auch. Wir waren gemeinsam mit den Rädern unterwegs in Südtirol, Neumarkt – das ist bei Bozen – und sind bei saubrutalem Gegenwind an der Etsch entlang geradelt. Und wie wir uns so plagen, überholt uns ein Rentner. Lächelnd! Bozen war voll mit E-Bikes. Da habe ich erkannt: das ist die Zukunft. Ich habe eine Firma gegründet und wollte E-Bikes bauen. Für meine Mutter habe ich dann zu ihrem runden Geburtstag das erste E-Bike gebaut.
E-Bike ist Genuss und Freiheit
Meine Mutter fährt immer schon Fahrrad, hat sich aber im Alter zu sehr anstrengen müssen. Dieses eBike war ein wildes Gefährt, hat aber super funktioniert. Ich wollte dieses eBike in Serie bauen. Aber dann ist meine Frau, die Gitti schwer erkrankt. Ich hätte sie beinahe verloren. Ihre Genesung hat drei Jahre gedauert. Danach war das Thema eBike für mich beendet, weil die großen Hersteller wie Haibike und Cube und wie sie alle heißen, bereits mit E-Bikes am Markt waren.
Der technische Vorsprung meines E-Bikes war mit den neuen Mittelmotoren auf einen Schlag aufgebraucht. Da hast Du als Kleiner nix gegen ausrichten können. Deswegen bin ich aber so fasziniert von Fazua.
Der Motorenhersteller Fazua aus Ottobrunn bei München?
Ja, genau der! Der ist sogar ein Verwandter ist von mir. Der Sohn meines Cousins. Ein Super-Bursche mit einer Super-Idee. Den Antrieb habe ich mir mal in einem Radl vom Händler ausgeliehen. Ich war begeistert, wie ein paar junge Burschen so eine gefestigte Branche mit einer guten Idee und dem besten Motor aufwirbeln…
Markus Wasmeier auf Tour
Hättest was gesagt. Dann hätten wir Dir ein Fazua E-Bike zum Testen mitgebracht. (Lacht)
Ach nein… das Testen überlasse ich schon euch. (Lacht) Aber mich begeistert es, dass die Burschen es in drei bis vier Jahren so weit gebracht haben. Der Fazua hat quasi keinen Tretwiderstand. Du verbrauchst keine zusätzliche Energie, wenn der Motor ausgeschaltet ist….
… was für einen Sportler wie Dich ein echtes Argument ist. Du bist zwar aus dem Profisport raus, aber Du machst immer noch regelmäßig Sport, fährst auch fleißig Rennrad, wie ich weiß. Ist das E-Bike für Dich überhaupt ein Sportgerät?
Also generell ist es so wie beim Skifahren. Ich fahre ja nicht nur alpin Ski. Ich fahr meine langen Ski, ich fahr meine kurzen Ski, ich fahr breite für den Pulver, ich fahr Telemark und ich gehe Langlaufen. Ich habe also mehrere Sportgeräte an den Füßen. Beim Radlfahren ist es genau das gleiche. Ich habe das alte Vorkriegszeit-Fahrrad, mit dem ich zum Baden an den See fahre oder hier zum Museum hinauf. Ich fahr aber genauso liebend gerne mit dem Rennrad über die Alpen, bis Neapel oder Rom.
Markus Wasmeier genießt Komfort
Ich habe mein Mountainbike, mit dem ich meine Transalptouren mache. Und dann habe ich natürlich auch noch mein Havbike. Nach der Reha war ich begeistert, weil ich mit meiner neuen Hüfte wieder sanft trainieren konnte. Und als meine Frau erkrankte, kam sie mit dem E-Bike wieder zurück ins Leben.
Diese Freiheit, wieder an Orte zu kommen, wo man dachte: da komme ich im Lebtag nicht mehr aus eigener Kraft hin. Denn auch beim E-Bike musst Du ja selbst aktiv treten. Der Motor unterstützt Dich nur – mal mehr oder mal weniger. Es ist Deine Wahl, ob Du Dich sportlich schinden möchtest, oder nicht.
E-Bike gleich Freiheit
Verstehe. Und was bedeutet das E-Bike für Dich persönlich?
Radlfahren bedeutet für mich grundsätzlich einmal Freiheit. Wie auf den Skiern. Aber mit dem E-Bike unterwegs zu sein, das ist noch etwas mehr. Für meine Frau und mich ist es gigantisch, weil keiner von uns über- oder unterfordert ist und wir auf einer Ebene sind. Es ist einfach ein Traum, sich so zu bewegen und wir sind sehr glücklich.
Aber auch für mich alleine bedeutet das E-Bike viel, denn gerade an so Tagen wie heute, da hock ich mich drauf und strample nach der Arbeit die 2.000 Meter den Berg da in einer Stunde hinauf (zeigt auf einen Gipfel) und genieß den Sonnenuntergang. Mit dem normalen Radl wär ich eine Stunde länger unterwegs. Aber dann wär ich halt fix und fertig und könnt den Sonnenuntergang gar nicht mehr genießen.
Wenn die Sonne nicht eh schon untergegangen wäre…
Genau! (Lacht) Mit dem E-Bike hast du halt eine Spontanität, die mich fasziniert. Und um jetzt wieder zu den Skiern zurück zu kommen: jede Sparte hat seine Berechtigung. Und alles hat seine ganz eigene Faszination. Das Rennrad, das Mountainbike, das eBike. Sogar mein altes Oldtimer-Radl. Mit dem bin ich auch noch schnell unterwegs, wenn’s sein muss. Auch über 25 Stundenkilometer.
Radfahren am Schliersee
Die Geschwindigkeit ist für Dich also nicht das herausragende Merkmal eines E-Bike?
Gar nicht. Aber zur Geschwindigkeit muss ich Dir ganz ehrlich auch sagen: ich find´ die 25 km/h ausreichend und bin froh, dass das E-Bike (gemeint: das zulassungsfreie Pedelec, Anm. d. Red.) nicht schneller geht. Weil das Fahren in den Bergen oder das Bremsen aus höheren Geschwindigkeiten will halt gelernt sein. Sonst gibt’s Unfälle.
Das E-Bike demokratisiert den Sport, wie viele sagen. Man muss nicht mehr der superfitte Mountainbiker sein, um den Gipfelblick zu genießen. Man muss die Bergwelt nicht irreversibel durch Lifte und Schneisen verändern, um ein Naturerlebnis zu schaffen, das vorher nur wenigen vorenthalten war. Wie siehst Du das?
Da sagst Du was. Wenn wir jetzt noch bessere Zugverbindungen hätte, könnten die Touristen mit dem eBike die Region noch mehr genießen. Die könnten mit dem Radl so weit fahren, wie man mit dem Akku kommt – und zurück geht’s mit dem Nahverkehrszug. Für die Anreise aus München müsste auch nicht jeder mit dem Auto daherkommen.
E-Bike als Chance für die Region
Wir haben hier nur beschränkt Platz. Aber das Problem, daß der Nahverkehr beim Transport der Fahrräder oder E-Bikes nicht so mitmacht, wie er könnte. Mit den Kindern haben wir das früher gemacht. Da sind wir mit den Kindern ins Mangfalltal nach Weyarn gefahren, als sie noch klein waren. Das war ein richtig schöner Ausflug und du hast ganz genau gewusst: Wenn die Kinder müde sind, na gut – dann steigen wir einfach wieder in den Zug und fahren zurück. Das war genial.
Siehst du das E-Bike im Moment noch als Problem, oder schon als Chance für die Region?
Ich sehe das E-Bike auf jeden Fall als große Chance für die Region und als Chance für die Menschen. Weil sie wieder rausgehen und ihre Füße bewegen! Wenn zwar auch mit Motorunterstützung – aber sie bewegen sich!
Der innere Schweinehund ist mit dem E-Bike auch ein wenig kleiner. Man geht daher öfter raus.
Ja, ja. Definitiv! Wir wollen ja auch noch raus.
Richtig. Also los! Dankeschön für`s Gespräch.
Gerngeschehen. Pack mer’s!