Lastenrad-Test 2021: 16 Transporträder für Familie und Cargo
Pragmatisch und Spaß dabei
Lastenrad-Test 2021: 16 Transporträder für Familie und Cargo
in Test & Teile
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Es gab Zeiten, da war der Aufkleber „Ich ersetze ein Auto“ subversives Zeichen subkultureller Pedalritter. Inzwischen ist es, wie viele andere Protestkulturen der Punk- und Post-Punk-Ära, längst im Mainstream angekommen, ein Auto Auto sein zu lassen und sich stattdessen aufs Lastenrad zu schwingen. Aber nicht nur Pendler ziehen, nicht zuletzt „dank“ Corona, verstärkt in den Sattel um. Auch ganze Familien stapeln sich kommunikativ in Zweier- oder Dreierreihen auf ausgetüftelten Leichtmetall-Kutschen. Dass öfter nur das Zweitauto ersetzt wird – geschenkt. Es ist ein rollender Blech-Koloss weniger.
Großen Anteil an dieser Entwicklung hat der Elektromotor. Wer vorher noch Angst hatte, statt gut gekühlt per Air-Condition, völlig verschwitzt im Büro anzukommen oder befürchtete, kurzatmig und mit hochrotem Kopf die Kinder in der Kita zu deponieren, freut sich nun über die freundliche Unterstützung elektronischer Schaltkreise und elektrochemischer Energiespeicher.
Alle statt eines
In diesem Test beschäftigen wir uns genau mit der Pedal-bestückten Alternative zum Auto. Wenn auch in erster Linie für Familien, so doch ebenso für professionelle Anwender. Es ist, oben etwas auf die Spitze formuliert, tatsächlich ein positiver Trend, dass immer mehr Menschen die ökologischen – und gesundheitlichen – Vorteile von (E-)Fahrrädern für sich entdecken.
Und so sind es eben nicht nur Familien, die sich verstärkt per Pedale bewegen, sondern auch Liefer- und Kurierdienste und zunehmend sogar Handwerker. Ihnen allen hilft der Motor, die vielen zusätzlichen Kilos leichtfüßig zu bewegen.
Lastenrad: Kernzielgruppe Familien
Viele der Räder im Markt und im Lastenrad-Test richten sich also zunächst an Familien. Die Räder sind daher meist mit Sitzen für die Kinder ausgestattet, ob nun vorne oder hinten. Auf die verschiedenen Bauarten kommen wir gleich zu sprechen. Allerdings können, wo sonst Kinder Platz nehmen, zwischenzeitlich auch Einkäufe deponiert werden. Je nach Platzangebot, geht auch beides gleichzeitig. Also mit Kindern einkaufen und sie dann auch noch neben der Schokolade sitzen zu lassen – welche elterlichen Hormone da auch immer zu Unvernunft verleitet haben mögen.
Es gibt aber auch die Modelle, die man je nach Bedarf konfigurieren kann, also die Basis-Fahrzeuge, die mal an Familien, mal an gewerbliche Nutzer ausgeliefert werden. Zum Beispiel mit zusätzlichen Sitzgelegenheiten oder mit Transport-Koffern und -Boxen.
Schließlich gibt es noch die reinen Lastenrad-Modelle, die sich mit festen Transportlösungen – Plattform, Box etc. – ausschließlich an beruflich Interessierte wenden. Dieser Lastenrad-Typ ist manchmal noch ein Stück robuster und belastbarer als reine Familien-Limousinen. Und die Ladeflächen sind nicht selten so dimensioniert, dass eine oder mehrere Euroboxen passgenau aufgesetzt werden können. Für viele Gewerbetreibende reicht so ein Transportrad auch vollkommen aus. Es bringt sie in der Stadt zügig – oft auch zügiger – voran.
Das meiste, was sie benötigen, findet, je nach Konzept und Arbeit, auch einen Platz. Oder es entstehen neue kreative Ideen. Und, für viele das wichtigste Argument: Man hat keine Parkplatzprobleme. Dass die manchmal recht großen Räder doch noch viel Platz benötigen, geschenkt. Ein Vorteil gegenüber Autos ist es in jedem Fall. Im Prinzip gilt all dies auch für die Familientransporter, mal mehr, mal weniger.
Diese Cargobikes haben wir im Lastenrad-Test 2021 getestet
Marke | Modell | Lastenrad-Typ | UVP | Prädikat |
Bergamont | E-Cargoville 70 LJ | Familienrad | 4599 Euro | Preis/Leistung |
Muli-Cycles | e-muli „st“ | Familienrad | 4820 Euro | |
Kettler Alu Rad | Familiano L-N | Familienrad | 4899 Euro | |
Yuba | Electric Mundo STePS | Familienrad | 5268 Euro | |
Tern | GSD S00 | Familienrad | 5599 Euro | Kauftipp |
Winther | Kangaroo Luxe | Familienrad | 5660 Euro | |
Chike | E-Kids | Familienrad | 5699 Euro | Kauftipp |
DOUZE Cycles | G4 Brose Black BoxTestbrief | Familienrad | 5868 Euro | Preis/Leistung |
Urban Arrow | FamilyTestbrief | Familienrad | 6395 Euro | Kauftipp |
Trimobil | 4Family | Familienrad | 7963 Euro | |
Riese & Müller | Packster 70 VarioTestbrief | Familienrad | 8498 Euro | |
Omnium | Cargo WiFi | Cargorad | 2699 Euro | |
Cargo Bike Monkeys | Radlader | Cargorad | 4285 Euro | |
i:SY | Cargo | Cargorad | 4499 Euro | |
Babboe Pro | Pro Bike MidmotorTestbrief | Cargorad | 5199 Euro | |
Gleam | LastenradTestbrief | Cargorad | 8865 Euro |
Die ausführlichen Testberichte der Familien- und Cargoräder finden Sie in der Radfahren 3/2021. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.
Lastenrad-Test 2021: Die Modelle in der Bildergalerie
Es hängt auch von dem Transportrad-Typ ab, wie viel Platz man benötigt. Dabei ist die Modellvielfalt zuletzt deutlich gewachsen.
Der lange John trägt vorn
Die meisten Modelle sind inzwischen sogenannte Long Johns. Zweiräder, bei denen eine Ladefläche oder eine Transportbox zwischen Fahrer und Vorderrad sitzt.
Im Test sind das das Urban Arrow Family, Riese & Müller Packster 70, Douze G4, Bergamont E-Cargoville LJ 70 und letztlich auch das e-Muli. Ihnen gemein ist der familienorientierte Ansatz für Einkäufe und Alltag mit Kindern. Das Babboe Pro ist mit einer geschlossenen Box ein reines Transport-Lastenrad, genauso wie das motorlose, leichte Radlader XT von Cargo Bike Monkeys. Diese Räder sind meist sportlich und dank stabiler, robuster Rahmen auch trotz einer Ladefläche von 70 oder mehr Zentimetern und daraus resultierender Länge sehr fahrstabil, selbst mit Transportgut. Ein etwas neuerer Ansatz ist die kompaktere Bauform mit 40 cm Transportfläche, wie am i:SY Cargo. Das benötigt weniger Platz und ist agiler.
Großer Stauraum
In die Ladeboxen der Großen passen wenigstens 100 Liter Volumen oder 100 und mehr Kilogramm Masse. Bei Familien-Modellen sind dort Sitzbänke montiert, die ein bis zwei Kindern Platz bieten, manchmal kommt noch ein dritter Platz hinzu.
Verdecke schützen Passagiere und Co. vor Wetter und Fahrtwind. Gurte, im besten Fall als 5-Punkt-System, sichern die Kinder während der Fahrt. Man sollte sie auch wirklich benutzen.
Sichere Box
In der Box, je tiefer desto besser – Stufen helfen dann beim Einsteigen – sind die Kinder auch bei Unfällen gut und besser geschützt. Es ist zwar nett, wenn die Kleinen und Größeren besser über den Rand rausschauen können. Aber eine hohe, nicht kantige, nicht harte Ladekante fängt auch seitliche Stöße auf.
Als Material der Wahl für die schützende Box setzen viele Hersteller auf EPP, expandiertes Polypropylen, sozusagen die robustere Schwester von Styropor (EPS). Es ist leicht, wasserundurchlässig, isolierend, besitzt eine hohe Rückstellkraft (Eindrücke verschwinden wieder), ist trotzdem fest, stoßabsorbierend sowie ansprechend und funktional formbar. Manchmal kommt auch Holz (Bambus) oder schlichter Kunststoff zum Einsatz.
Cargo-Boxen sind aus Holz, Kunststoff oder Glasfaser-Verbünden (GFK). Ein großer Vorteil dieser Long-John-Räder ist der tiefe und damit stabile Schwerpunkt. Allerdings benötigen sie auch viel Platz im Fahrradkeller. Wohl dem, der einen (wieder) freien Autostellplatz nutzen kann.
Verlängerte Sitzfläche
Als weitere Bauart breitet sich derzeit das sogenannte Longtail-Bike aus. Auch ein Zweirad, aber mit normaler Front, dafür mit verlängertem Heck (Langer Schwanz, Long Tail). Darauf können dann mit zusätzlichen Polstern und Fußablagen oder Kindersitzen Passagiere und in optionalen großen Taschen Einkäufe transportiert werden. Im Grunde ist diese Art der Räder sogar Klassiker der Transporträder, wurden sie doch schon vor dem E-Zeitalter unter anderem zum Reisen oder für den Surfbrett-Transport benutzt. Das trifft im Test unbedingt auf das Yuba Mundo zu. Ein großes, langes Longtail-Bike mit viel Platz. Neuer sind die kompakten Vertreter wie das erfolgreiche Tern GSD S00 oder das Kettler Familiano. Durch ihre kompakte Länge sind sie etwas stabiler, bieten aber auch etwas weniger Platz, der aber immer noch ausreicht, zwei Kinder im Kindersitz mitzunehmen.
Die Klassiker schlechthin sind Cargobikes vom Typ „Christiania Bike“, benannt nach den ersten echten Transporträdern, die in der Kommune Christiania in Kopenhagen gebaut und genutzt wurden. Das sind Dreiräder in Tadpole-Form mit einer Box über der zweirädrigen Vorderachse. Ein Gelenk hinter der Box ermöglicht es Kurven zu fahren. Wobei sich manchmal der Hinterbau samt Sattel in die Kurve neigt, während der Lenker starr an der Box sitzt. Die großen Vorteile sind der stabile Stand auf drei Rädern und die Möglichkeit, große Transportboxen für Güter und Kinder zu bauen. Im Test vertritt diese Gruppe vor allem das Winther Kangaroo mit luxuriöser Kinderanhänger-ähnlicher Kabine. Den gewöhnungsbedürftigen Lenkmechanismus umgeht das Chike Kids mit einer Neigetechnik in der gelenkten Vorderachse. Damit kann man zügig Kurven durchfahren, eigentlich wie mit einem normalen Fahrrad.
Eigene Spielarten
Aus diesen zwei Kategorien fallen die übrigen drei Räder im Test etwas raus.
Wieder ein Zweirad ist das leichte, sehr urbane und motorlose Omnium WiFi. Mit seiner verlängerten Front-Ladefläche erinnert es noch an klassische Bäckerräder. Es bietet sich mit der variabel nutzbaren Fläche (nicht für den Kindertransport) allgemein für kleinere und mittlere Transporte an, ob nun bei Kurieren, Handwerkern oder Familien.
Deutlich mehr Potenz hat das junge Gleam aus Wien. Das Delta-Dreirad, zwei angetriebene Räder hinten, richtet sich mit 200 kg Zuladung und großer Plattform eindeutig an Gewerbetreibende. Mit gefederter Einzelradaufhängung, hochwertiger Neige- und Antriebstechnik bietet es hochwertige, agile Fahreigenschaften. Von einem trägen Transporter ist es damit weit entfernt.
Wenn auch technisch ebenfalls ein Delta-Dreirad, nimmt das Trimobil eine ganz eigene Kategorie ein. Mit Liegesitzen und Kurbelausleger bietet es Bequemlichkeit eines Liegerades. Ein eigener, zweiter Antrieb für Mitfahrer macht das Testrad zum ungewöhnlichen Tandem. Zwei Kindersitze, quer zur Fahrtrichtung, komplettieren das Familienmobil mit kommunikativer Nähe. Basierend auf einem großen Grundrahmen lassen sich auch drei Liegeschalen oder eine Ein-Kubikmeter-Box montieren. Ein Nabenmotor hilft beim entspannten Fahren.
Die Motoren sind es natürlich allgemein, die einem die Transport-Arbeit erleichtern. Ob Bosch Cargo Line, Brose Sport, Shimano E8000 und EP8, sie bieten alle ausreichend Kraft, um dynamisch vorwärts zu kommen. Anderen Modellen geht im Vergleich ein bisschen die Puste aus. Aber sie helfen auch schon ordentlich mit. In jedem Fall ist es empfehlenswert, eine möglichst hohe Unterstützungsstufe zu wählen, damit man nicht zu sehr kämpfen muss und die Dynamik erhalten bleibt. Die neuesten Motoren fahren trotzdem gefühlvoll an.
Lastenrad ohne Motor? Warum nicht?
Die unmotorisierten Modelle setzen als Beschleuniger auf sportliches Leichtgewicht und Leichtlauf. Auch sehr attraktive Attribute.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich einige der E-Bikes auch ohne Motor immer noch einigermaßen gut fahren lassen. Das zählt, wenn man über die Unterstützungsgrenze kommt oder der Akku doch früher leer sein sollte. Dem beugen einige Hersteller übrigens mit einem Doppelakku-System, das die Reichweite verdoppelt, vor.
Wichtig: praktisches Zubehör
Potentielle Käufer von diesen Rädern sollten vor dem Kauf auch mal einen Blick auf das „Mobiliar“ werfen. Denn ohne entsprechende Erweiterungssets, passgenaue Adapter-Sitze und -Körbe bis hin zu Wetterschutz-Kabinen für die kleinen Mitfahrer, sind diese Räder nur halb so viel wert. Professionelle Qualität ist oft praktischer als improvisierte Lösungen.
Der große Mehrwert dieser multifunktionalen Räder ist selbstverständlich nicht umsonst zu haben. Mehr Material, mehr Bauteile, Spezial-Bauteile, kleinere Serien: da kommen teils Preise zusammen, die man von früher oder vom Gebrauchtwagen-Markt kennt. „Die neue Mobilität kostet soviel wie die alte“, fasst das ein Kollege treffend zusammen. Gut, wenn man das Auto vorher noch verkauft hat. Dann ist auch Platz für das neue Familienmitglied.