Selle Royal, Fahrrad, Fahrradsattel, Radfahren, E-Bike

Fahrrad Sattel Hersteller Selle Royal: Zu Besuch in Pozzoleone

Selle Royal Firmenreport: Hinter den Kulissen des Fahrradsattel Herstellers

Fahrrad Sattel Hersteller Selle Royal: Zu Besuch in Pozzoleone

Während die technischen Komponenten rund um das Fahrrad seit Jahrzehnten in rasanten Entwicklungsschritten voranschreiten, dringen auch die Sattelhersteller immer tiefer in wissenschaftliche Sphären vor. Einer der Vorreiter und Innovationstreiber sitzt in der norditalienischen Provinz Vicenza – und hat sich von den Mittfünfzigern an bis heute zu einem der erfolgreichsten Sattelhersteller weltweit entwickelt. Ein Besuch bei Selle Royal in Pozzoleone.
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Die Erwartungen sind ja meistens besonders groß, wenn sich in wenigen Kilometern die Produktionsstätte eines Herstellers wie Selle Royal vor einem aufbauen wird, dessen Namen einen Bekanntheitsgrad rund um den Erdball genießt.

Selle Royal Headquarter in Pozzoleone

Der Fahrradsattel-Produzent Selle Royal ist so einer, der sein Hauptquartier seit seiner Geburtsstunde im Jahr 1956
durchgehend in Pozzoleone aufschlägt. Eine kleine Gemeinde mit nicht mal 3000 Einwohnern.

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Im einen Moment noch das geruhsame Treiben eines entschleunigten Dorflebens durch die Windschutzscheibe beobachtend, vermeldet das Navigationsgerät im nächsten Moment, sein Ziel in der Via V. Emanuele 119 erreicht zu haben.

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Den Wagen auf dem Besucherparkplatz abgestellt, blickt man nun auf einen eher unscheinbaren grauen Gebäudekomplex. Gewöhnliche mittelständische Industriegebietfassade – in die facettenreiche Welt der Fahrradsättel taucht man erst wenige Schritte später dahinter ein.

Gründer Riccardo Bigolin

Ein stilvoll eingerichteter Empfangsbereich, mit einem unübersehbaren schwarz-weißen Konterfei an der grauen
Wand hängend. Hier warten wir auf Lara Cunico, die Marketing-Managerin von Selle Royal, während wir auf den Bilderrahmen und in die Augen von Riccardo Bigolin blicken.

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Ein Großformat-Foto von Gründer Riccardo Bigolin schmückt den Empfangsbereich des Selle Royal Headquarters in Pozzoleone.

Dorthin, wo all das hier um uns herum im Jahr 1956 seinen Anfang nahm. Genauer gesagt: 1955, als Dr. Bigolin bei seinem Onkel und dessen Unternehmen Feltrificio Bassanese, das Fahrradsättel und Filzstoffe für die Schuhindustrie herstellte, anheuerte.

Erste Bestellung aus Österreich

Eine Krise im italienischen Fahrradmarkt ließ den jungen Chemiker schon bald nach neuen Märkten über die italienische Landesgrenze hinaus Ausschau halten. Seine Strategie wurde mit der ersten Bestellung aus dem Ausland durch den österreichischen Fahrradhersteller Puch über 15.000 Sättel bald von Erfolg gekrönt.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten selbst die größten Aufträge für das Unternehmen selten die Schallmauer von 300 Sättel durchbrochen.

Zahlenrekorde im Jahr 2019

Dann holt uns Lara ab und in die Gegenwart eines Weltkonzerns zurück, der im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von
130 Millionen Euro verzeichnen konnte.

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Ihre Antwort auf unsere noch viel dringlichere Frage nach der Anzahl verkaufter Sättel: etwa 14 Millionen. Weiteres beachtliches Zahlenwerk bekommen wir von Brand Director Roberto Bucci ausführlich erklärt: 1100 Mitarbeiter verteilen sich weltweit auf vier Produktionsstätten in Brasilien, China, England sowie Pozzoleone.

An Endkunden verkauft werden Selle Royal-Produkte mittlerweile in rund 100 Ländern durch über 600 Fahrradpartner.

Firmenname ändert sich

Der Grundstein für eine global erfolgreiche Strategie legte Bigolin bereits in den 60er Jahren, als er die Verantwortung im Unternehmen seines Onkels übernahm und die Umbenennung in Selle Royal S.p.a. erfolgte.

Produktion und Distribution unter ein und dem selben Dach – ein Erfolgsrezept, das sich schnell auszahlen sollte. Fortan trieb Bigolin die Firma mit seinem Streben nach kontinuierlicher Innovation voran. Seine Schwerpunkte, die
bis heute als Unternehmenswerte Bestand haben, sind Design und Forschung, die in maximale Effizienz und Qualität münden.

Vorreiter in der Sattelentwicklung

Als erster Meilenstein der Norditaliener in der Weiterentwicklung des Fahrradsattels gilt die Einführung von geschäumten PU-Sätteln Anfang der 70er Jahre. Das Polyurethan-Schaumproduktionssystem wurde ausgewählt, um die Produktion maximieren zu können.

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Selle Royal beantragte daraufhin das erste Patent der Vakuumtechnologie für die ergonomisch geformte Designproduktion, was den Startschuss zum Aufstieg zu einem der weltweit führenden Anbieter von Fahrradsättel markierte.

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Diese Marktstellung verteidigte Selle Royal seitdem mit immer neuen Innovationen, die uns Bucci im Showroom des Headquarters in der Folgezeit detailliert erläutert. Wie beispielsweise das im Jahr 1980 entwickelte automatisierte Vakuumproduktionssystem (Royal Vacuum System), mit welchem der Sattel fortan direkt mit dem Schaum verbunden werden konnte.

Weltweite Präsenz von Selle Royal

Oder 1990, als Selle Royal ein Gel für Freizeitmarkt-Sättel entwickelte, das auf einem exklusiven Polyurethan-Gel basiert, welches wiederum von der Bayer AG patentiert wurde.

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Fahrradsättel in der Theorie: Selle Royal gewährt Einblicke hinter die Kulissen der digitalen Sattelkonstruktion seiner Technikabteilung im Headquarter in Pozzoleone.

Neben dem ausgeprägten Innovationsgeist für das Kernprodukt rückten zu Beginn der 90er Jahre auch unternehmensstrategische Weiterentwicklungen noch verstärkter in den Fokus. Eine Erweiterung des Marktes wurde forciert und Selle Royal strebte eine noch größere weltweitere Präsenz an.

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Ab 1996 war das norditalienische Pozzoleone nicht mehr alleiniger Produktionsstandort auf der Landkarte. Selle Royal Bra wurde in Brasilien eröffnet – und von nun an der südamerikanische Markt deutlich kostengünstiger als zuvor bedient.

Produktvielfalt in der Breite

Ein Jahr später (1997) ruft Selle Royal mit Fizik eine Marke für Rennfahrer, im Zuge einer Produktliniensegmentierung nach Verbraucheransatz (Freizeit oder Sport), ins Leben. Selle Royal selbst ist fortan die Freizeitmarke.

Im Jahr 2002 mündet die ehrgeizige Expansionsstrategie in die Übernahme des britischen Sattelherstellers Brooks. Von nun sollen auch traditionelle Lifestyle-Radfahrer bei der Selle Royal Group fündig werden.

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Einblicke in die Sattel-Produktion: Der Selle Royal Brand Director Roberto Bucci erklärt ElektroRad-Redakteur Tobias Jochims die Prozesse Schritt für Schritt im Detail.

Heute vereinen sich unter dem Dach des norditalienischen Unternehmens auch die Marken Crankbrothers (seit 2008), SR China (seit 2010) und Pedaled (seit 2011).

Und dennoch scheint der weltweit agierende Konzern seine familiären Kernwerte dabei nicht auf der Strecke liegen gelassen zu haben. Die Führung des Unternehmens liegt bereits seit vielen Jahren in den Händen von Barbara Bigolin, der Tochter des Gründers Riccardo.

Einblicke in die Produktion

Besinnung auf die Kernwerte ist ein Stichwort, das Francesca Gaspari auf den Plan ruft. Angestellt als Marketing Communications Specialist führt sie uns durch die Produktionshalle und erläutert uns die einzelnen Arbeitsschritte im laufenden Betrieb.

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An der ersten Station wird die obere Haut des Sattels ausgestanzt, anschließend in eine Vorrichtung gespannt.
Die Stellen, welche beim Fahren am meisten beansprucht werden, erhalten eine zusätzliche Schicht. Eine Maschine
presst alles zusammen, bevor die Plastikfolien entfernt werden.

Sofort fällt auf: Der Mensch ist hier in der Hauptrolle und verrichtet den Großteil der Fertigung – Maschinen kommen lediglich zur Vollendung der Arbeitsschritte zum Einsatz.

Innovation bei Selle Royal

In einer weiteren Fabrikanlage wird im nächsten Schritt dafür gesorgt, dass das Gel in den Sattel-Rohling kommt und die Sattelhaut aufgespannt und geklebt wird. Hier werden wir Augenzeuge des wohl innovativsten Produktionsprozesses der Italiener.

Wasserdicht und Gewichtersparnis

Beim speziellen Vakuumverfahren werde Gel- und Polyurethanschaum direkt in die Sattelform gespritzt. Die Folge:
Hundertprozentige Wasserdichtigkeit und eine Gewichtsersparnis von bis zu 20 Prozent.

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Anschließend wird das überschüssige Material in millimetergenauer Handarbeit abgeschnitten. Fehler werden hier nicht
verziehen und sorgen dafür, dass der Sattel aussortiert werden muss, wenn zu tief ins Gel geschnitten wird.

„Diesen Arbeitsschritt kann keine Maschine“, betont Gaspari zu Recht nicht gänzlich frei von Stolz über das, was bis zu 300 Mitarbeiter in der Produktion im Mehrschichtbetrieb leisten.

20.000 Sättel am Tag

Im Frühsommer 2020 lief die Sattelproduktion in Pozzoleone auf einem noch nie dagewesenen Höchstwert rund um die Uhr. Bis zu 20.000 Sättel können binnen 24 Stunden produziert werden.

Dann erreichen wir die Endschleife der Produktion, in der zunächst das Selle Royal-Label aufgepresst wird. Und anschließend die Montage des Metallrahmens auf dem Programm steht, um den Sattel schlussendlich auf die Sattelstütze befestigen zu können.

Wieder ein allenfalls halbmaschineller Vorgang, bei dem das Metall per Hand aufgelegt und positioniert wird, bevor eine Maschine für die Befestigung ins Spiel kommt.

Dann gibt uns Brand Director Bucci einen Sattel in die Hand, verbunden mit einer Schätzfrage. Wie viele verschiedene Hände an diesem Exemplar bis hierhin wohl gearbeitet hätten? Die richtige Antwort schätzt keiner – sie wäre 34 gewesen.

Testlabor von Selle Royal

Abschließend wird der Sattel gereinigt, verpackt und über das Logistikzentrum in den Handel zu einem der über 600 Fahrradpartner geliefert. Für neue Produkte steht zuvor der Gang ins Testlabor an, in dem der Sattel aufgespannt und einer immer wiederkehrenden Abfolge von mehr als 150.000 Stößen (bei etwa 1000 bis 1500 Newton, was 120 bis 150 Kilogramm entspricht) ausgesetzt wird.

Ein Härtetest, der notwendig ist, um noch mehr Widerstand im Vergleich zu den gesetzlichen Anforderungen für die Produkte zu garantieren.

Der Nachhaltigkeit verschrieben

Zurück im Showroom erläutert Lara uns noch das Corporate Social Responsibility-Projekt ICARE, das eine Reihe von
jährlichen ethischen Zielen für die Selle Royal Group definiert.

„Wir wollen die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen unseres Einflussbereichs als Unternehmen verbessern“, so die Marketing Managerin. ICARE sei zu einem internen Slogan geworden, der alle Mitarbeiter daran erinnert, auch das soziale Engagement immer weiterzuentwickeln.

Etwas, das der im Januar 2014 verstorbene Gründer Riccardo Bigolin bei all seinem Innovationsgeist für Fahrradsättel
auch stetig vorangetrieben hatte.

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