Bob Giddens: Gründer von Used im Interview
Rock ’n Roll & Räder
Bob Giddens: Gründer von Used im Interview
in Persönlichkeiten
Das Geld ist’s nicht. Zwar muss Bob Giddens mit seinem Unternehmen Used Geld verdienen, aber die einzige Motivation des 63-jährigen Briten mit Wohn- und Firmensitz in Quakenbrück nahe Bremen ist das nicht, das spürt man schnell. Mit erfolgreichen Produkten wie dem Lastenanhänger Carry Freedom will er seinen Teil dazu beitragen, die Welt ein kleines Stück besser, freudiger und fahrradfreundlicher zu machen.
Spannende, sinnvolle Produkte
Die Radprodukte, die Used für den deutsch sprachigen Markt importiert, teilen eine wesentliche Eigenschaft mit Giddens: Sie sind originell. Geeignetes Beispiel? Ein Fahrrad-Regenrock für die Radlerin im modischen Look beispielsweise. Den ins Portfolio aufzunehmen, traut sich nicht jeder. Die weiteren Produkte im kleinen Used-Universum – darunter die Lastenanhänger von Carry Freedom oder die Transport- und Lastenräder für den gewerblichen Gebrauch – präsentieren sich praktisch und geradlinig. Sie spiegeln die Philosophie von Bob Giddens: Ein Produkt hat sinnvoll zu sein, will es Teil seines Portfolios sein. Und gewissermaßen sind die von Used verkauften Produkte wie Giddens selbst: geradlinig, praktisch orientiert und manchmal angenehm schräg. Ist der sympathische, kommunikative Brite nicht mit Fahrrädern befasst, widmet er sich seiner zweiten, wilderen Leidenschaft: der Musik, gern verknüpft mit Abenteuern. In der von ihm mitbegründeten Rockband „Cliff Barnes and the Fear of Winning“ übernimmt er seit 1986 Gesang und Gitarre. So tourten Bob Giddens und Band im Herbst 1989 auf Einladung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) schon durch die damalige DDR, erlebten den Mauerfall live.
aktiv Radfahren: Fahrradfahren und Musik sind deine großen Leidenschaften, was bedeuten sie dir?
Bob Giddens: Musik und Radfahren haben das gleiche rebellische Profil. Die meisten Musiker und Radfahrer sind Individualisten, gehören aber gleichzeitig häufig einem gleichgesinnten Team an. Radfahrer und Musiker sind interessante Leute, teilen einen gewissen Darstellungsdrang und sind eher am Rande der Gesellschaft einzuordnen. Leute, die meistens eine starke Meinung vertreten und ihr Tun reflektieren.
„Used“ – was hat es mit diesem Firmennamen eigentlich auf sich?
Wir leben in einer Zeit, in der wir oft Sachen kaufen, die wir nicht brauchen. Wir kaufen, weil es günstiger ist oder wir Angst haben, ein top Angebot zu verpassen. Über den Kosten/Nutzen-Faktor denken wir oft gar nicht nach. Habe ich 140 Krawatten im Schrank, ziehe aber keine davon an, sind sie trotzdem sehr teuer – egal, wie ich mir das schön rede. Kaufe ich mir aber zum Beispiel ein teures Rad und fahre damit jeden Tag, dann relativiert sich sein hoher Preis. Das ist eines unserer heutigen Probleme: Dinge ohne Sinn und Verstand zu kaufen. Konsum, ohne etwas wirklich zu brauchen. Unser Firmenname Used zielt aufs Gegenteil: Used, im Sinne von etwas wirklich nutzen, weil es gebraucht wird. Unsere Wirtschaft will eben immer weiter wachsen, obwohl ein Naturgesetz besagt, dass es ständiges Wachstum nicht gibt.
Macht die Radindustrie alles richtig in Sachen umweltfreundliche Produktion?
Ich denk, Radfahrer sind die Guten, weil sie sich selbst bewegen und eine Verbindung zur Natur haben. Andererseits können wir nicht behaupten, dass unsere Branche umweltfreundlich ist. In Europa haben wir vergessen, wie man schweißt und suchen jetzt im Ausland nach den Leuten mit entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten. Klar hat das immer auch mit Umweltbelastung zu tun. Wir müssen allgemein mehr Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Warum nicht recyclingfähiges Alu nutzen? Ein E-Auto macht man mit Hinweis auf die Umweltbelastung bei seiner Herstellung gerne schlecht. Klar, die gibt es. Andererseits ist die Belastung beim Benziner ebenfalls hoch und er verbrennt während seiner Lebensdauer viel Benzin. Am besten wäre es, gar nichts zu besitzen, aber daraus kannst du schlecht eine Philosophie ableiten. Trotzdem bin ich froh, in der Radbranche zu arbeiten: Wir bereiten den Leuten mit unseren Produkten Freude.
Wie kam’s dazu, dass du mit deiner Rockband „Cliff Barnes and the Fear of Winning“ auf der Expo 2017 in Kasachstan gespielt hast?
Der deutsche Pavillon hat dort alternative Energien gezeigt und wir haben diesen mit unserem Sound bespielt – ohne dafür Strom zu nutzen. Den haben wir mit vier Fahrrädern durch die Tretbewegung vom Publikum erzeugen lassen. Das kam gut an, auch, weil die Leute sich das am Anfang kaum vorstellen können. Eine gute, pädagogische Wirkung, weil für viele der Strom einfach aus der Steckdose kommt. Keiner denkt daran, wo und wie er entsteht. Wenn du selbst für den Strom trittst, merkst du, dass es doch nicht so einfach ist. Das Verblüffende daran: Kunst findet auch da statt, wo kein Stromanschluss ist! Schön ist auch zu zeigen, wie man mit wenig Strom eine mittelgroße Soundanlage betreibt. Deswegen übrigens unser Albumcover zu „World 2 hot“: Wir verbrauchen heutzutage einfach zu viel Energie. Was ist, wenn das mal nicht mehr geht?
Wie erlebst du die Stellung des Fahrrads im Straßenverkehr?
Der Fahrrad-Mobilitätsmix in den Städten ist immer noch viel zu gering und es gibt immer noch zu wenig Fahrradfahrer in den Städten. Vor zehn Jahren war das allerdings noch schlimmer. Wir bewegen uns in kleinen Schritten vorwärts: Früher war das Rad Fortbewegungsmittel der armen Leute, jetzt genießt man einen gewissen Status, wenn man Fahrrad fährt. Die Haltung der Leute hat sich verändert, hin zu „Hallo, hier bin ich und ich brauche dieses große Auto gar nicht!“. Viele sehen nicht mehr die Notwendigkeit, so schnell wie möglich den Führerschein zu machen. Kleine Schritte passieren also, man muss geduldig sein! Und viele kaufen sich ein E-Bike mittlerweile auch, weil es für sie ein Auto ersetzt.
Wie siehst du die Zukunft des Fahrrads?
Über die letzten 20 Jahre hat sich fürs Fahrrad viel getan und ich denke, dieser Positivtrend hält dank immer besserer Bikes und neuer Technologien auch an. Natürlich müssen wir klären, aus welchen, vielleicht kritischen, Regionen Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium, die wir zur Herstellung von Akkus benötigen, herkommen. Aber ich denke, irgendwann gibt’s dafür Alternativlösungen und wir werden so lange nach ihnen suchen, bis wir sie gefunden haben.
Wie sieht’s bei dir privat aus: Sammelt dein Fahrrad ab und an Höhenmeter?
Nein, ich bin der klassische urbane Mensch und Berge gibt’s hier rund um Quakenbrück ja nicht (lacht). Hier ist alles schön flach. Und trotzdem sind wir eine Radfahrgegend, in der der Fahrradtourismus sehr wichtig ist und das Rad einen wesentlichen Wirtschaftszweig bildet. Wir sind nur 20 Minuten von den Derby Cycle Werken entfernt und auch zum ehemaligen Werk von Kynast (ehemals großer deutscher Fahrradbauer, Anm. der Red.), das hier früher angesiedelt war. Mein Lieblingsrad ist ein leichtes Stahlmodell. Ich brauche nicht das neueste Carbonrad oder ein tolles Auto. Ich bin auch nicht derjenige, der neue Gitarren kauft, dann lieber etwas Altes mit Geschichte.
Gibt’s eigentlich etwas, das du auf dem Rad unbedingt mal erleben willst?
Nein, nicht wirklich. Eine meiner großen Freuden ist’s, wenn mir jemand erzählt, was er mit seinem Carry-Freedom-Radanhänger erlebt. Aktuell gibt’s jemanden, der in einem Solorennen von Lyon nach China fährt. Dazu hat er seinen Hänger mit Solarpanels ausgestattet, gleichzeitig ist er Filmemacher, so dass wir tolle Filme zu sehen bekommen. Zu erleben, wie jemand mit unseren Produkten Spaß hat: Für mich die höchste Befriedigung! Ich bin stolz darauf, Teil der Radbranche zu sein – eine kleine, feine Branche mit tollen Menschen.
Dein aufregendstes Raderlebnis?
Mein bestes Fahrraderlebnis war der Trip nach Kasachstan zur Expo 2017. Wir sind nirgends hingefahren, aber zu sehen, wie die Zuschauer mit Bikes den Strom für unseren Auftritt erzeugt haben, das war ein geiles Erlebnis!
Bob Giddens im Porträt
Robert „Bob“ Giddens betritt am 10. Dezember 1954 in London die Bühne der Welt. Der Liebe wegen geht er später von England nach Deutschland. Beim ehemals bedeutenden deutschen Fahrradhersteller Kynast in Quakenbrück arbeitet er 25 Jahre lang, beginnt am Band, Räder für den Versandhandel von Otto und Quelle zu montieren. Zweite wichtige Konstante im Leben des Briten ist die Musik: Die Rockband „Cliff Barnes and the Fear of Winning“ gründet er 1986 mit. Bei Kynast steigt der umtriebige Brite zum Chefeinkäufer und Produktmanager auf, verantwortet später das Marketing. Nach der Insolvenz von Fahrrad-Traditionshersteller Kynast gründet Bob Giddens zusammen mit Geschäftspartnerin Daniela Ackmann 2003 die Used GmbH und startet mit dem Vertrieb von Radanhängern und Transporträdern in Deutschland.