Federgabel am Fahrrad: Vor- und Nachteile
Pro & Contra Federgabel: Die Frage des Komforts
Federgabel am Fahrrad: Vor- und Nachteile
in Service
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Pro Federgabel: Komfort ist wichtig!
Ein Kommentar von Sebastian Böhm
Ein Rad ohne jegliche Federung an Gabel, Hinterbau, Sattelstütze oder Vorbau ist leichter, wartungsärmer und meist auch günstiger. Na und?! Was hilft mir das, wenn es mir auf einem schlechten Radweg, dem Kopfsteinpflaster in der Innenstadt, dem grobem Schotter des Waldweges oder dem Wurzeltrail beim Mountainbiken den Lenker oder Sattel brutal in die Hände oder den Hintern donnert? Am Ende verliere ich noch die Kontrolle über mein Rad und stürze. Oder habe Schmerzen in meinen Händen, am Po oder sonst wo. Spaß ist für mich der elementare Punkt beim Radfahren. Nur mit Federung wird das was!
Selbst die Beine rasierende Rennradfraktion lechzt nach immer mehr Komfort, Traktion und Leichtlauf. Unterm Strich werden auch dort seit Jahren die Reifen immer breiter, das Chassis wie Anbauteile deutlich komfortabler ausgelegt. Und auch im trendigen Gravelbereich werden die Reifen breiter, bieten immer mehr namhafte Hersteller Federgabeln oder Rahmen mit Komfortelementen an. Und beim Mountainbiken? Geht’s eh nicht ohne!
Die Entkopplung vom Untergrund
Der zentrale Punkt eines Fahrwerkes ist, dass die Laufräder unabhängig vom restlichen Rad auf dem Boden arbeiten können. Dadurch kann der Reifen Unebenheiten besser folgen und größeren Hindernissen ausweichen. Der Reifengummi hat länger Kontakt mit der Bodenoberfläche und kann sich besser mit dieser verzahnen. Das erhöht die Haftung und somit auch die Sicherheit, weil die Kontrolle über das Rad vorhanden bleibt. Andererseits steigt auch der Komfort für den Fahrer, weil Vibrationen und Schläge deutlich effektiver abgebaut werden und somit die Kontaktpunkte wie Hände, Po und Füße entlasten.
Fitter und gesünder durch Komfort
Wer also effektiv gefedert Rad fährt, schont die Kontaktpunkte. Der ganze Halteapparat muss weniger Energie zum Abbau der schädlichen Vibrationen und Schläge aufbringen, wodurch der Körper erst viel später ermüdet. Am Ende sind die Energiereserven dann voller und mehr Ausdauer vorhanden. Sind keine Federelemente am Rad verbaut, braucht es nicht gleich ein neues Rad: Für mehr Komfort sorgen auch gefederte Sattelstützen und Vorbauten. Sie sind teils kostengünstig zu erwerben und der Umbau geht mit etwas Fachwissen auch schnell von der Hand.
Sind Vorerkrankungen oder Verletzungen vorhanden, kann die Federung das Radfahren überhaupt erst möglich machen oder Schmerzen reduzieren. In solch einem Fall sollte man sicherheitshalber auch den Arzt oder Orthopäden mit einbeziehen.
Elementar wichtig: Justage und Pflege
Um effektiv arbeiten zu können, muss neben der Qualität auch die Justage passen. Dazu sollte das Rad beim Kauf am besten gleich vom Fachmann mit Blick auf das Fahrergewicht sowie den Einsatzbereich überprüft und die Federelemente bei Bedarf angepasst werden. Luftfeder-Elemente sind hier sehr dankbar, weil sie einfach mit einer Hochdruckpumpe abstimmbar sind. Bei Stahlfederelementen müssen die Ersatzfedern erst mal vorhanden sein und dann eingebaut werden. Sind Ein- und Ausfedergeschwindigkeit per Druck- und Zugstufe einstellbar, sollte auch hier eine Grundjustage vorgenommen werden.
Damit die Federelemente dann auch ordentlich arbeiten, braucht es allerdings Pflege und Service. Wer nach jeder Fahrt mit einem sauberen Lappen die Tauchrohre und Dichtungen abwischt, hat schon viel gewonnen. Ab und an ein paar Tropfen Gabelöl auf die Dichtungen schaden ebenso nicht. Wer viel und regelmäßig fährt, sollte die Federelemente zudem einmal im Jahr, wer wenig fährt nach spätestens zwei Jahren zum professionellen Service geben. Das ist mit Kosten verbunden, hält aber alle Bauteile wunderbar geschmeidig und auch auf lange Sicht fit.
Mein Fazit: Federungen wiegen mehr, brauchen Pflege und Service, kosten bei guter Qualität auch ordentlich. Trotzdem möchte ich wegen all der Vorteile nicht darauf verzichten.
Contra Federgabel: Einfacher ist besser!
Ein Kommentar von Jens Kockerbeck
Klar, eine Federgabel hat unwidersprochen Vorteile. Sie erhöht nicht nur allgemein den Komfort. Sie erhöht auch die Sicherheit. Weil sie den Bodenkontakt hält und somit bessere Kontrolle ermöglicht. Und sie unterstützt eine aktive Fahrweise. Außerdem ermüdet man weniger schnell, vor allem in Armen und Händen.
Das gilt aber nur für eine richtig eingestellte und funktionierende Federgabel! Und hier liegt schon eines der zentralen Probleme. Denn wer, außer engagierten Mountainbikern, stellt sich regelmäßig hin und justiert den Druck seiner Gabel? Erst recht, wenn es sich um ein Modell mit Luftkammer handelt. Selbst Modelle mit Stahlfedern, die man mit einem Drehknopf einstellen könnte, bekommen diesen Liebesdienst doch oft nicht. Wer sich nur ein bisschen unter Alltagsfahrern umsieht, erkennt schnell den erschreckend schlechten Beziehungsstatus zwischen Fahrer und Federgabel. Viele Menschen sind dabei auch überfordert. Das gilt noch mehr für die richtige Wartung. Es muss also einfacher sein.
Volles Vertrauen
Viele Reiseradler, die sich ja besonders auf die Zuverlässigkeit ihres Systems verlassen können müssen, dürfen da gerne als Vorbild dienen. Sie setzen deshalb zurecht fast ausschließlich auf starre Forken. Obendrein kann man an Federgabeln kaum Gepäckträger anbringen. Ein weiteres Problem ist, dass Federgabeln an Fahrrädern, auf denen man sehr aufrecht sitzt und ergo keinen Druck auf die Hände bekommt, auch funktionslos und überflüssig sind.
Die billige Lösung
Die Zuverlässigkeit vieler Federgabeln ist auch deshalb nur selten so gegeben, weil sie oft von einfacher Qualität sind. Dadurch sind sie auch billig, sogar billiger als schon halbwegs gute Starrgabeln! Auch darum sind sie oft erste Wahl. Ein weiterer Nachteil: Die billigen Federgabeln sind auch spürbar schwerer als viele starre Modelle. Natürlich gibt es auch gute und sehr gute Federgabeln für Alltags- und Trekkingräder. Gewartet und eingestellt werden müssen die aber auch. Eine viel sichere und zuverlässigere Alternative, oder besser: die Lösung, sind großvolumige Reifen, am besten mit hohem Pannenschutz. Mit weniger Luftdruck gefahren, dämpfen sie die allermeisten Unebenheiten und Vibrationen erfolgreich ab, ohne aufzuschaukeln, und rollen dabei auch noch wenigstens so leicht wie schlankere Ausführungen. Außer gelegentlichem Nachpumpen, das wohl jeder verinnerlicht hat, ist nichts weiter nötig. So hält man ein System einfach – und funktional! Wenn dann noch eine gute Starrgabel, am besten aus Stahl, dazukommt, die in sich flexibel ist, hat man alles, was man braucht: Komfort, Zuverlässigkeit, Wartungsarmut und Zweckdienlichkeit! Wer verlangt da schon nach einer Federgabel?
Auch bei Sattelstützen
Man kann diese Gedanken leicht auch auf andere Federelemente, wie eine Sattelstütze übertragen. Hier muss zwar wenig bis gar nichts eingestellt werden. Unnötig, wenig hilfreich, und oft billig, dazu noch schwer sind sie aber auch. Gerade klassische Federstützen, die senkrecht wirken, helfen nur, wenn sie auch senkrecht belastet werden. Also, wenn man sehr gerade über einer möglichst senkrechten Sattelstütze sitzt. In allen anderen Fällen – das sind die meisten – belastet man sie nicht ideal und hat keinen Nutzen. Leider sind zusätzlich viele der billigen Modelle nicht zuverlässig, sie verkanten oder verschleißen schnell. Eine Lösung können (hochwertige) Parallelogramm-Federstützen sein. Sie federn eher waagerecht und damit in der häufigsten Belastungsrichtung ein. Dass sich dabei die Sitzlänge verändert, muss man mögen. Besser, und einfacher, ist auch die Lösung in Form einer schlanken, und damit flexiblen, starren Stütze. Da geht nichts kaputt, es gibt nichts zu warten und man hat guten Komfort.
Mein Fazit: Das ideale Motto kann für die allermeisten Radfahrer also nur heißen: Halte dein System so einfach wie möglich. Nur so bleibt es dauerhaft zuverlässig.