E-MTB: Keine gestiegenen Unfallzahlen
Trotz E-MTB-Boom sind Unfallzahlen rückläufig
E-MTB: Keine gestiegenen Unfallzahlen
in Gesundheit
Steil nach oben zeigende Kurvendiagramme, in die Höhe schnellende Prozentzahlen, Passanten, die von „schon einigen Unfällen“ berichten. Eine Reportage in der BR-Sendung „Kontrovers“ zeichnete ein düsteres Bild vom E-Mountainbike-Boom. Das elektrisch unterstützte Geländerad führe zu massenhaft schweren Verletzungen ihrer ungeübten, stürzenden Fahrer. Bei einem oberflächlichen Blick auf die Unfallberichte der Polizeipressestellen gerade in Süddeutschland könnte sich dieser Eindruck bestätigen. Norman Bieling von der Beratungsagentur „Desire Lines“ aus Deggendorf aber hat einen genaueren Blick auf Technik, Fahrer und Statistiken geworfen. Sein Fazit: Es könne kein durch das E-Mountainbike hervorgerufener Anstieg der alpinen Unfallzahlen verzeichnet werden.
Höheres Gewicht ist kaum sicherheitsrelevanter Faktor
Ein Argument der Kritiker: Das höhere Gewicht der E-MTBs im Vergleich zu Standard-Fahrrädern. So spricht „Kontrovers“ von „doppelt so schweren E-Mountainbikes“. Hier vergleiche der Autor Äpfel mit Birnen. Denn der Großteil der E-MTBs gehört in die Sparte All-Mountain/Enduro. Tatsächlich wiegen diese Berg-Pedelecs schnell bis zu 20 Kilogramm. Ihre Geschwister ohne Hilfsmotor bringen etwa fünf Kilogramm weniger auf die Waage. Interessant wird hier aber der Vergleich zum Systemgewicht: Wiegt der Fahrer sportliche 80 Kilogramm, erhöht sich die Masse von Fahrer und Fahrrad bei der Elektrovariante um gerade einmal etwas mehr als fünf Prozent – von 95 auf 100 Kilogramm. Dazu kommt, dass am E-Bike fürs Gelände meist größer dimensionierte Bremsen im Vergleich zur motorlosen Variante verbaut sind.
Kaum riskantere Touren als herkömmliche Mountainbiker
Bieling stellt fest, dass sich die Länge und der Anspruch der Touren, die E-MTB-Nutzer fahren, kaum von denen herkömmlicher Mountainbiker unterscheiden. Der Großteil der elektrisch fahrenden Bergradler sei zudem Umsteiger, der Anteil an MTB-Anfängern liege unter 20 Prozent. Allerdings könne sich das Verletzungsbild der E-MTB-Fahrer drastischer darstellen, „da die Nutzer, vor allem als Neu- und Wiedereinsteiger, aber ebenso als ältere Menschen, Stürzen weniger robust gegenüberstehen und mit mangelnder Sport- auch mangelnde Sturzerfahrung besitzen“, so Bieling in seiner Studie.
Keine gesonderte Statistik
Einer der entscheidenden Punkte der Studie: Es gebe in Deutschland keine Statistik, die Unfälle unterscheide, an denen Fahrer von MTBs mit oder ohne Motor beteiligt waren – anders als im Straßenverkehr. Auch wenn Medienberichte – unter anderem der „Kontrovers“-Beitrag im BR – ein anderes Bild zeichnen: „Die Unfallzahlen der Bergwacht sind insgesamt seit 2015 rückläufig“, schreibt Norman Bieling. Denn die überwältigende Mehrheit der Mountainbiker seien Sportler, die sich sehr bewusst sind über ihre Leistungsfähigkeit. „Dass es keine Erhöhung der Unfallzahlen zu verzeichnen gibt, liegt vor allem an der gesunden Selbsteinschätzung der Nutzer.“
In Österreich wird auch am Berg unterschieden wird zwischen E-Bike-Unfällen und Unglücken mit Radlern ohne unterstützendem Motor am Bike. Signifikant: Dort liegt der Anteil an verunfallten E-Bikern bei vier Prozent. Der Anteil der Pedelecs am Mountainbike-Gesamtmarkt: acht Prozent. Bielings Schlussfolgerung: „Der E-Mountainbike-Boom führt damit aktuell noch nicht einmal zu einer im Vergleich zum Marktanteil ausgeprägten Unfallzahl.“
Unfallstatistiken müssen genau beobachtet werden
Norman Bieling fordert nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Es sei zwar derzeit nicht nötig, E-Mountainbike-Unfälle in einer gesonderten Statistik aufzulisten. Sollten die Unfallzahlen insgesamt steigen, sei dies aber doch sinnvoll. Denn so könnten geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Bis dahin seien Information und Aufklärung ausreichend. Er nennt etwa das Bike-Booklet des Deutschen Alpenvereins für Neu- und Wiedereinsteiger, das anschaulich auf Möglichkeiten und Gefahren des E-Bikens im schweren Gelände hinweise. „Eine dezidierte Besucherlenkung zur Erhöhung der alpinen Sicherheit ist nicht notwendig“, so das Fazit Bielings.
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