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Igor Levit: Der Pianist und Rad-Enthusiast im Interview

Pianist und Rad-Enthusiast Igor Levit im Interview

Igor Levit: Der Pianist und Rad-Enthusiast im Interview

Auf der Konzertbühne fasziniert der Berliner Musiker mit seinem virtuosen Klavierspiel, das er – wie bei seinen Hauskonzerten im Frühjahr 2020 zu sehen – spielerisch ins eigene Wohnzimmer verlagern kann. Im Interview erklärt er seine Begeisterung für das Fatbike und sein Faible für besondere Räder.
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Eine gewisse grundlegende Rastlosigkeit scheint den Menschen Igor Levit auszuzeichnen.

Zusätzlich dazu, dass er – seitdem das wieder möglich ist – etliche Konzerte vor Publikum spielt und dementsprechend auf Reisen geht, hat der vielbeschäftigte, deutsch-russische Pianist erst im September vergangenen Jahres sein aufgenommenes Album „On DSCH“ mit Stücken der Komponisten Dmitri Schostakowitsch und Ronald Stevenson veröffentlicht.

Pianist Igor Levit im Interview

Darüber hinaus unterrichtet der 35-Jährige, der schon als 13-Jähriger Klavierstudent an der Hochschule Hannover für Musik, Theater und Medien wurde, bereits seit dem Jahr 2019 als Professor für Klavier an eben dieser.

„Nebenbei“ schafft es der Künstler, gemeinsam mit Freund und Autor Anselm Cybinski, die zweite Staffel des BR-Klassik-Klavierpodcasts zu gestalten, in dessen erster, erfolgreicher Staffel das Duo die Klaviersonaten von Beethoven behandelte.

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Begleitet den Berliner Starpianisten Igor Levit regelmäßig auf Tagesreisen: sein filigranes Faltrad.

Jenseits der Welt von Flügel und Konzertsaal ist der 1987 im russischen Gorki in eine jüdische Familie geborene (mit der er 1995 nach Hannover zog) Pianist Igor Levit ein aktiver und sich auch politisch zu Wort meldender Bürger.

So spielte er im Frühjahr 2020, als Live-Konzerte Corona-bedingt nicht möglich waren, kurzerhand eine Reihe von Hauskonzerten, live von seiner Berliner Wohnung aus im Online-Kurznachrichtendienst Twitter übertragen – und gefeiert.

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Gegen rechte und antisemitische Gesinnungen bezieht der Berliner Pianist klar Stellung, ebenso wie etwa gegen die Ausgrenzung geflüchteter Menschen. Ernst ist es dem Musiker zudem mit seinem Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz.

Nicht umsonst spielte er schon auf einer Demonstration der „Fridays for Future“-Bewegung und gab im Winter 2020 im hessischen Dannenröder Forst ein Solidaritätskonzert für die Aktivistinnen und Aktivisten, die dort mit ihrem Protest und dem Errichten von Baumhäusern die Rodung des Waldes für den Weiterbau der Autobahn A49 zu verhindern versucht hatten.

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Fester und hoch geschätzter Bestandteil des grünen Bewusstseins von Igor Levit: das Fahrrad. In unterschiedlichsten Ausgestaltungen, vom kompakten Faltrad für die letzten Meter vom Bahnhof zur Hochschule, über ein schnittiges E-Gravelbike bis hin zum spektakulären Fatbike mit extra komfortablen Monsterreifen, wird es von ihm begeistert genutzt.

Dabei meint Radfahren für den Musiker nicht etwa das Erleben spektakulärer Touren mit möglichst hohem Tempo, als vielmehr entspanntes, überaus genussvolles Fahren ohne fixes Touren- oder gar Trainingsziel.

Für Levit ein erfrischender, ruhender Gegenpol also zum Berufsleben, das vom steten Streben nach starkem, künstlerisch-musikalischem Ausdruck und Spielpräzision geprägt ist.

Sie fahren ja eines dieser seltenen Fatbikes, die man für heftigeres Gelände konzipiert hat. Wie kam es dazu und wo bewegen Sie das in oder um Berlin denn eigentlich?
Einfach in der Stadt. Also ich fahre ja, untertrieben gesagt, wirklich leidenschaftlich gerne Fahrrad – in allen möglichen Variationen. Ich hab auch einige Räder, bin letztlich auch ein Spielkind (lacht) und wollte damit einfach Spaß haben. Und ich bin vorher schon ein anderes Fatbike in Kalifornien gefahren, da hab ich das kennengelernt. Diese Art des Fahrens, dieses Langsame, Gemütliche und ein bisschen Behäbige, aber eben wirklich sehr, sehr tolle Fahren … Und ich wollte dann immer
eines haben.

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Also bin ich schließlich in meinen Lieblingsfahrradladen gegangen und da hat mir der Verkäufer gesagt: „Pass auf, wir können versuchen, dir eines zu bestellen, aber eigentlich gibt’s hier jemanden in Berlin, der baut Fahrräder und das unglaublich toll. Ruf den an, das ist sowieso besser so.“ Und dann bin ich da im Frühjahr 2020 hingefahren, hab diesen Rahmenbauer und seine Firma kennengelernt, gestaunt, wie er arbeitet und mich komplett in seine Räder verknallt.

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Der Pianist Igor Levit spricht im Interview über seine Begeisterung für das Radfahren.

Es hat mit zwei Lockdowns und Lieferschwierigkeiten dann etwa ein Jahr gedauert, bis das Rad fertig war. Ich hab ja nun wirklich viele Räder, aber so ein geiles Ding mit so einem Fahrgefühl und solch einer Schönheit hab ich noch nie besessen.

Stark! Auch für den Nicht-Fahrradkundigen dürfte Ihr Fatbike ja ein echter Hingucker sein?
Total! Ich werde damit gern interessant angeschaut, sagen wir es mal so (lacht). Aber das ist völlig okay.

Als Pianist agieren Sie mit mitreißend leidenschaftlichem und möglichst präzisem Spiel, schaffen ein nachhaltiges Kunstwerk für Ihr Publikum. Womöglich eine kitschige Frage, aber können Sie da Parallelen zum Rad ziehen?
Das ist überhaupt keine kitschige Frage. Also, ich mag einfach Dinge und Menschen, die bis ins kleinste Detail arbeiten. Es gibt wenige Sachen in meinem Leben, für die ich mich so leidenschaftlich begeistere! Ich sammle nichts, so bin ich nicht drauf, aber wenn es mich packt, dann packt es mich richtig. Und dazu gehört eben das Fahrradfahren.

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Das hat persönliche Gründe. Mein engster Freund, Hannes, der ums Leben kam, war einfach Fahrrad-verrückt. Der hat quasi auf seinem Rad gewohnt. Da hab ich das so ein bisschen mitbekommen. Und natürlich ist es so, dass aus Präzision auch eine bestimmte Form von Sinnlichkeit entsteht. Das, was der Rahmenbauer meines Fatbikes mit seinen Fahrrädern umsetzt, hat natürlich nichts mit einem Rad von der Stange zu tun. Das ist keine Interpretation von der Stange, kein Fahrgefühl von der Stange, kein Gespräch von der Stange darüber, was du da eigentlich am Rad arbeitest.

Das ist so besonders, dass ich denke, „okay, ich könnte ihm jetzt genauso drei Stunden lang aus einem bestimmten Werk erzählen; so wie er mir eben drei Stunden von einem Detail am Rad erzählt“. Und das ist glaubwürdig – und da geht mir natürlich total das Herz auf! Ich hab deshalb keine normalen Fahrräder im Keller, ich fahre auf
besondere Fahrräder ab. Ich mag Menschen, die wegen kleiner Details dieses Leuchten in die Augen kriegen.

Verschafft Ihnen das Radfahren während künstlerischer Pausen eine inspirierende Kraft?
Nein, das ist nicht die inspirierende Kraft. Ich hab das schon mal gesagt und würd das noch mal sagen: Es gibt so ein paar Räume in meinem Leben, die ich als absolute Freiheitsräume empfinde; wo ich wirklich sehr stark das Gefühl hab, hier kann mir nichts passieren, hier bin ich einfach bei mir.

Das ist die Bühne und das ist, wenn ich auf dem Rad sitze und fahre. Kurz bevor die Pandemie begann, hab ich mir mein erstes E-Bike, ein Mountainbike, gekauft, das mir wirklich – neben den Hauskonzerten und meinen engsten Mitmenschen – die Psyche während der Pandemie und darüber hinaus gerettet hat. Weil die Möglichkeit zu haben, mich aufs Rad zu setzen und mal mit, mal ohne Batterie lange Strecken fahren zu können und den Kopf frei zu kriegen, war einfach irre wichtig.

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Ich mache, wenn ich im Wald unterwegs bin, Telefonate und bespreche Konzertprogramme oder Projekte auf dem Fahrrad. Ich kann auf dem Rad ganz frei denken. Das ist für mich wirklich ein totaler Freiheitsort. Das war immer schon so. Insofern lässt sich das Gefühl, das sich einstellt, allein wenn ich etwa von Salzburg aus 15 Minuten mit dem Rad fahre, als „Batterie aufladen“ beschreiben.

Radfahren – ich denke an ausgedehntere Touren – beansprucht viel Zeit. Angenommen, ich schenke Ihnen acht Stunden Zeit: Wohin führt Sie Ihr Rad von Berlin aus? Also, von Berlin aus, nein. Von Berlin aus fällt mir nicht so viel ein, weil Fakt ist, dass in Berlin Fahrrad fahren – so gern ich Rad fahre – ein Suizidkommando ist. Das ist eine totale Katastrophe, weil es eine beschämend kleine Menge an Fahrradwegen gibt und du so ständig in Gefahr bist. Auch politisch ist das einfach katastrophal!

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Völliges Aufgehen in der Musik, im fokussierten Spiel: Igor Levit gilt als herausragender Pianist, erfährt weltweit Anerkennung. Wichtige Erholung auch während anstrengender Berufsphasen erfährt der Berliner auf dem Rad.

Ganz zu schweigen von den unfassbar vielen Autos auf unfassbar wenig Raum und ganz zu schweigen vom Klimathema. Wenn ich in Salzburg wäre oder in Wien, würd ich mich aufs Rad setzen und in die Berge oder in den Wiener Wald fahren. Das ist so eine Freude, das ist so toll. So würd ich das wahrscheinlich gestalten.

Auf ihrem Twitter-Account konnte man auch mal Ihr E-Gravelbike bestaunen. Starten Sie mit dem dann ab und an zu längeren Ausfahrten?
Nein, das sind eher Launen. Ich hab mich damals auf mein Gravelbike, als ich es nach längerer Wartezeit abgeholt habe und total geil fand, gleich drauf gesetzt, bin losgefahren und bei der ersten Fahrt von jemandem von rechts umgesäbelt worden. Das meinte ich eben mit Berlin: verkehrstechnisch eine Katastrophe!

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Dann war das Gravelbike halb kaputt und ich musste es am gleichen Tag zurückbringen. An dem Tag, an dem ich das Rad bekommen habe, hatte ich große Laune, musste sofort damit los. Seitdem hab ich das aber nicht mehr gemacht.

Gibt’s dann für Sie ein großes Radabenteuer, von dem Sie träumen?
Mir würde es reichen, wenn ich sehr viel mehr Radwege in Berlin hätte und mehr Platz zum Fahren hätte. Meine Phantasie und Wünsche sind da also sehr bescheiden (lacht). Der andere Wunsch, den ich mir sicher erfüllen werde: Das war nicht das letzte Rad, das ich mir von meinem Rahmenbauer habe bauen lassen, denn was ich bei ihm gesehen habe, hat mich wirklich sehr nachhaltig beeindruckt und ich hab schon wieder 20 Ideen, was ich gerne alles von ihm hätte.

Schön. Sie besitzen ja auch ein kompaktes Faltrad. Begleitet Sie das auf Konzertreisen?
Nein, aber wenn ich zum Beispiel zum Unterrichten nach Hannover fahre, nehme ich das Faltrad mit. Das begleitet mich sehr häufig, wenn ich unterwegs bin. Dann fahr ich damit zum Bahnhof und nehme es im Zug mit, fahr vom Bahnhof zur Hochschule, unterrichte und fahr wieder zum Bahnhof. Sprich, bei Tagestrips ist das Faltrad oft mit dabei.

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Ich fahre nicht wirklich in der Stadt damit; in Berlin brauch ich das Gefühl auf dem Rad: Ich sitz auf einem Panzer. Denn das, was mit dem Gravelrad schiefgegangen ist, hat bei mir schon Eindruck hinterlassen und mir ist das Faltrad für die Stadt psychisch gesehen einfach zu „leicht“.

Bei den aktuellen, im Verkehr allein ob ihrer Größe kaum übersehbaren, E-Cargobikes wäre solch ein schützender Rahmen ja um Sie gezogen. Außerdem könnten Sie damit allerhand transportieren, Kind und Kegel inklusive. Eine Option für Sie?
Da ich weder Kind noch sonst etwas habe, wäre das keine Option, nein (lacht). Aber mal gucken, vielleicht irgendwann mal. Jetzt momentan nicht.

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