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Gravelbike Tour: Ein Bikepacking Abenteuer im Karwendelgebirge

Gravelbike-Abenteuer: Zwei intensive Tage im Karwendelgebirge

Gravelbike Tour: Ein Bikepacking Abenteuer im Karwendelgebirge

Wald, Schotter, Trails, Natur – abseits von Straßen und Autos: Ein Bikepacking Abenteuer bietet Freiheit. Diese erfahren wir auch bei unserer Gravelbike Tour im Karwendelgebirge.
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Der Schotter hat auf unserer Gravelbike Tour noch nicht einmal begonnen.

„Abseits“ sind wir auch noch nicht, Gondeln passieren uns in regelmäßigen Abständen. Dennoch rinnt der Schweiß unter meinem Helm hervor, meine Herzfrequenz ist zu hoch für die bisher zurückgelegte Strecke: fünf Kilometer. Aber auch mehr als 500 Höhenmeter – von Ehrwald im Tal bis hinauf zur Ehrwalder Alm.

Gravelbike Tour im Karwendelgebirge

15, 16, 17 Prozent steile Abschnitte sind eher die Regel als die Ausnahme. Doch oben an der Alm beginnt der eigentliche Grund dieser Tour: Schotterwege. Es geht schließlich um Gravel. Um Alltagsflucht. Darum, Verkehr und Menschenansammlungen zurückzulassen. Abseits zu sein.

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Das Gesamtgewicht des Gravelbikes inklusive Ausrüstung beläuft sich auf 15 Kilogramm.

Dafür packen wir an einem Sommertag mit unsicheren Wetteraussichten die Biketaschen. Die Reduktion auf das Wesentliche ist entscheidend, jedes überflüssige Kilogramm verfluche ich bereits auf dem Weg zur Ehrwalder Alm. Ebenso wichtig: die Organisation. Wer sich grob merken kann, wo die Sachen verstaut sind und vielleicht sogar mit Überlegung die Taschen packt, ist im Vorteil.

An der Alm angekommen, freue ich mich vor allem, dass ich weiß, wo meine Trinkflasche und etwas zu essen stecken.

Tag 1: Bergauf

Zwei Tage dauert diese Bikepacking-Tour, ein Wochenende. 170 Kilometer wollen wir zurücklegen, 5000 Höhenmeter. Tag eins beginnt morgens in Lermoos und führt hinter der Ehrwalder Alm in das Wettersteingebirge.

Zwei Tage zuvor begann die Spontan-Planung des Ausflugs: Der dritte Mitstreiter wurde keine 48 Stunden vor der ersten Pedalumdrehung akquiriert. Das grobe Ziel lautete „Dorthin fahren, wo es schön ist“ – und so konnten wir uns schnell auf das Karwendelgebirge einigen.

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Während der Gravelbike Tour durch das Karwendelgebirge gehören Tragepassagen dazu.

Die Routenplanung mit der Navigations-Anwendung Komoot nahm den größten Teil der Vorbereitung ein: Diesen Berg umfahren oder überqueren? Mehr Kilometer an Tag eins oder an Tag zwei? Wo ist eine Übernachtung am sinnvollsten?

Angesichts der Wettervorhersage haben wir uns schnell gegen eine Übernachtung im Freien entschieden. Dafür haben wir umso genauer auf die Route geachtet: Die Wege müssen befahrbar sein, den schwierigsten Downhill-Segmenten gehen wir aus dem Weg.

Schließlich waren wir zufrieden: 70 Kilometer am ersten Tag, 100 am zweiten, Übernachtung auf der Karwendelhütte. Wir sahen darüber hinweg, dass Komoot uns vier bis fünf Tage für diese Strecke empfahl und begannen, unsere Taschen zu packen.

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Die unsichere Wettervorhersage beunruhigte uns nicht, zum Bikepacking wäre ein ausschließlich blauer Himmel ja auch „unpassend“. Vorweg: Wir wurden nass. Allerdings erst später am Tag. Die Ehrwalder Alm wird von der Sonne beschienen. Noch. Wir vermeiden neidische Blicke zu den Menschen, die bereits auf der Terrasse sitzen und sich sonnen.

Stattdessen setzen wir unsere Fahrt auf den welligen, gut ausgebauten Schotterwegen fort. Immer mehr Schichten unserer Kleidung verschwinden in den Taschen. Das hängt auch damit zusammen, dass es bald wieder bergauf geht. Diesmal ist es ein Schotterweg, teilweise mit groben Steinen, und erneut sehr steil.

Dank der Übersetzung an meinem Gravelrad komme ich dennoch im Sitzen voran. Mit 40 Zähnen vorne und bis zu 42 Zähnen hinten ist die Shimano-GRX-Gruppe übersetzt. Wenn das nicht reicht, die Steigung weiter zunimmt und die Qualität des Wegs weiter ab, dann hilft nur: schieben.

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Auf der Gravelbike Tour durch das Karwendelgebirge erlebt der Autor genau das, wonach er gesucht hat: Abenteuer und Alltagsflucht.

Auch das kann – manche sagen: sollte – zum Bikepacking dazugehören. Auch uns drei erwarten Schiebepassagen, die nur anfangs an der eigenen Rennrad-Ehre kratzen. Bis zur Oberbrunnalm kann ich es dennoch vermeiden. Auch wenn auf den letzten 2,5 Kilometern die Geschwindigkeit auf sieben, manchmal auf sechs, fünf, vier km/h sinkt.

Die Schönheit des Karwendeltals, das wir nun durchfahren, ist atemberaubend, doch leider lassen sich die dunklen Wolken, die sich über die Berge schieben, nicht mehr ignorieren. Der Regen beginnt im gleichen Moment, in dem wir mit dem Schlussanstieg des Tages beginnen. Noch einmal etwas mehr als vier Kilometer und 430 Höhenmeter bis zum Ziel.

Die Hütte ist weithin sichtbar an einen Felsen gebaut. Die Speisen sind deftig und lecker. Wir halten uns nicht zurück. Dennoch brennt im Zimmer um 21 Uhr kein Licht mehr. Morgen geht es weiter.

Tag 2: Tragen und laufen

Weiterfahren oder Alternativen suchen? Der Weg sieht steil aus, sehr steil. Der Untergrund ist nach dem Regen der letzten Tage feucht, schmal, er wird kaum Traktion bieten. Vor allem nicht bei dieser Steigung. Wir bleiben optimistisch und fahren auf den Anstieg zu. Komoot warnt mit Symbolen vor Stellen wie diesen, auch in diesem Fall.

Doch wir haben nicht darauf gehört und das Problem während der Planung am heimischen Schreibtisch eindeutig unterschätzt: Jetzt stehen wir vor einer Wand. Der Weg ist schmal, mit losem Kies und Waldboden bedeckt und unfassbar steil. So steil, dass mein Fahrradcomputer beim Schieben nicht mehr erkennt, dass ich mich vorwärtsbewege.

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Wir flüchten vor Traktoren in den Wald links und rechts des Pfads. Es ist der anstrengendste Teil während des ganzen Wochenendes. Mit meinen Gravelschuhen kann ich mich halbwegs würdevoll zu Fuß fortbewegen, aber nicht im Morast und im losen Untergrund auf einem Weg, der mit mehr als 20 Prozent Steigung nach oben führt.

Rad und Gepäck erscheinen mir auf einmal wieder unendlich schwer. Der Rücken schmerzt durch die ungesunde Haltung, die durch das Schieben und die Topographie fast zwangsläufig entsteht. Die Schlammtümpel, denen wir später noch ausweichen müssen, hätten schließlich dazu führen können, dass die Stimmung kippt. Doch dann öffnet sich der Wald.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Alle sitzen nach Kilometern des Schiebens wieder auf dem Rad und das Panorama entschädigt für die unfreiwilligen Qualen zuvor. Wir sind doch fast wieder ein bisschen stolz auf unsere Routenplanung, durch die wir an Orte wie diesen gelangen. Dies ist das Gegenteil von Alltag. Dies ist, was wir suchen.

Der zweite Tag der Tour weist zwar ähnlich viele Höhenmeter auf wie der erste, doch wir kommen aus anderen Gründen nur sehr langsam voran. Nicht nur wegen der langen Schiebepassage.

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Gleich morgens, nach der Abfahrt von der Karwendelhütte kommen wir an einen kleinen Gebirgsfluss. Eine Brücke ist nicht zu sehen, nur das klare Gletscherwasser läuft an uns vorbei. Bevor wir die Flussüberquerung angehen können, kündigt sich bei mir ein anderes Problem an: ein platter Hinterreifen.

Der Schlauch ist schnell geflickt, und wir nutzen die Gelegenheit für eine erste kurze Pause. Dennoch müssen wir auf die andere Seite des Flusses und uns wird klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt: Schuhe ausziehen, Beinlinge hochrollen, Fahrrad schultern und loslaufen.

Es ist noch nicht einmal neun Uhr morgens und kalt im Gebirge, acht, neun Grad Celsius. Müde ist auf der anderen Seite des Flusses keiner mehr. Zumindest bis zum nächsten langen Anstieg. Dort spüre ich, wie die Luft erneut langsam aus meinem Reifen entweicht. Ich rette mich fluchend zu einem kurzen Flachstück des Anstiegs und begutachte den Schaden.

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Die Gravelbike Tour über zwei Tage beläuft sich in Summe auf 168 Kilometer und 4900 Höhenmeter. Der Schotter-Anteil beträgt am ersten Tag 75 Prozent, am zweiten Tag 65 Prozent.

Wie konnte das schon wieder passieren? Kleine Dornen hatten sich in den Reifen gebohrt, beim ersten Mal hatten wir sie übersehen. Der zweite Reifenwechsel dauert immer länger als der erste, doch die verlorene Zeit wieder „rauszuholen“, das funktioniert nicht beim Bikepacking in den Bergen. Und das ist gut so. Auf der Straße dreht sich vieles um Zahlen, Geschwindigkeit, Aerodynamik. Nicht beim Bikepacking.

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Elf Stunden sind wir schlussendlich am zweiten Tag unterwegs. Wir stehen vor Flüssen. Wir sitzen in Cafés, wenn die Zivilisation uns doch einmal einholt. Das Essen wird nicht während der Fahrt verschlungen, sondern auf einer Bank mit Aussicht verzehrt–egal ob Nuss-Nougat-Brötchen oder Energieriegel. Es bleibt uns genug Zeit für Gespräche und für die innere Ruhe – außer der Reifen lässt sich einfach nicht über die Felge ziehen.

Noch sind wir Anfänger auf der Suche nach dem inneren Seelenfrieden, manchmal verlässt er uns auch.

Gravelbike Tour Erlebnis

Entweder bei handwerklichen Schwierigkeiten oder bei den langen Schiebepassagen in einem österreichischen Waldstück. Doch nachdem wir diesen Abschnitt überwunden haben, freuen wir uns nicht nur über das Panorama, sondern auch über die vor uns liegende Strecke. Denn: Es geht bergab. Zumindest vorerst.

Für eine Weile genießen wir die Abfahrt über breite Schotterwege. So steil wie die Wege oft ansteigen, so steil können sie auch wieder bergab führen. Der Fahrradcomputer fordert uns dazu auf, links abzubiegen. In den Wald, auf einen schmalen Trail, der steil nach unten führt. Ich selbst habe mehr Respekt vor solchen Wegen als vor harten Steigungen – mir fehlt es noch an Gravel-Erfahrung.

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Nach 20 Minuten abfahren und rund hundert überquerten Wurzeln verkrampfen die Finger, die für das Ziehen der Bremshebel zuständig sind. Vorsichtig, und sicher wenig elegant, komme ich irgendwann unten auf einem breiteren Weg an.

Der folgende „rollende“ Abschnitt lässt mich über die Definition von Gravel nachdenken und mein persönliches Verhältnis zu dieser Rad-Gattung. Jetzt, nach zwei Tagen und etwa 120 Kilometern abseits der Straßen. Im Vorfeld war ich skeptisch, als Rennradfahrer bin ich doch eine etwas andere Geometrie und Sitzposition gewöhnt.

Das Gravelbike nutze ich sonst vor allem beim Pendeln. Dies ist meine erste lange Gravel-Tour. Das erste Mal bin ich mit Gepäck am Rad – in diesem  Fall rund fünf Kilogramm – unterwegs. Ich rede in Gedanken mit mir selbst und komme zu dem Schluss: Das Gravelbike kann das „eine Rad für alle Fälle“ sein, das Pendelrad, das Stadtrad und das Sportgerät für jeden Untergrund.

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Dass der Untergrund dabei keine Rolle spielt, ist für mich ein Pluspunkt, aber nicht das Entscheidende. Wichtiger sind die vielen Packmöglichkeiten, der höhere Komfort und die Robustheit im Gelände. Noch einmal reißt mich die Strecke – konkret der nächste Anstieg–aus meinen Gedanken. Ich spüre, dass die Beine müde werden.

Die letzte Gelegenheit zum Auffüllen der Flaschen ist bereits eine Weile her, der Riegelvorrat in der Lenkertasche ist aufgebraucht. Und: Wenn es während dieser Tour bergauf geht, dann richtig. Wieder zeigt der Fahrradcomputer Steigungen von zwölf, 13, 14 Prozent an.

Immerhin ist dieses Mal die Wegbeschaffenheit einigermaßen gut: Der Schotteruntergrund ist nicht zu grob, nicht zu lose. Nach rund 150 Höhenmetern stehen wir vor dem Eibsee. Ein Bilderbuch-Alpensee, der uns zunächst fast schon als zu kitschig erscheint. Aber – wichtiger: Im Biergarten gibt es Pommes, also setzen wir uns zu den
Tagestouristen und genießen die letzte Pause unserer Tour.

Es ist bereits spät geworden, doch noch liegen 30 Kilometer vor uns. Mit aufgefüllten Energiespeichern fahren wir auf einem leicht ansteigenden Radweg entlang der Bundesstraße in Richtung Fernpass. Wir passieren erneut Ehrwald und erreichen schließlich wieder unseren Ausgangspunkt: Lermoos.

Auf diesem letzten Abschnitt konnten wir erleben, dass man mit geländetauglichen Gravelbikes auch wirklich schnell sein kann. Wir sind an unserem Ziel. Nach zwei Tagen –nach einer kurzen Flucht aus dem Alltag – ,die sich anfühlen wie eine ganze Woche.

So anders, so abseits von allem, so naturnah. So frei.

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