Marokko – Radreisen für Frauen
Marokko - Frauen erleben ein faszinierendes Land
Marokko – Radreisen für Frauen
in Reise
Frau Friemel, woher kommt Ihre Liebe zum Radfahren?
Ich bin seit meiner Jugend immer schon viel und gerne mit dem Rad gefahren. Für mich war es ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit von den Eltern. Später habe ich auch meine vier Kinder früh mit dem Radfahren vertraut gemacht. Einige Jahre habe ich an Triathlon-Veranstaltungen teilgenommen, unter anderem am sogenannten Ironman. Dabei war das Radfahren immer meine Lieblingsdisziplin. Wenn ich nach etwas süchtig bin, dann nach Bewegung und nach frischer Luft – da gibt es für mich nichts Schöneres als das Unterwegssein mit dem Rad.
Und wie kommt es, dass Sie nun Radreiseleiterin sind?
2008 war ich erstmals auf einer längeren Radreise, mit meiner ältesten Tochter durch den Südwesten Australiens. Dabei kam mir der Gedanke, so eine Tour mit einer Gruppe durchzuführen. Auf der f.re.e, der Reise- und Freizeitmesse in München, kam ich dann ins Gespräch mit dem Schweizer Radreiseveranstalter Bike Adventure Tours und wurde kurz danach ins Team aufgenommen. Ich ließ mich in Stuttgart bei der Agentur „Travel & Personality“ als Reiseleiterin ausbilden. Für Bike Adventure Tours bin ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Außerdem begleite ich meine selbst kreierten Erlebnistouren. Zu diesen gehören auch die Radreisen für Frauen durch Marokko.
Was ist das Besondere an Ihrer Marokko-Radreise?
Als ich 2011 das erste Mal durch Marokko reiste, war ich vor allem fasziniert von der Arganeraie, dem Gebiet im südwestlichen Marokko, in dem der einzigartige Arganbaum wächst. Aus seinen Früchten wird seit vielen Generationen das wertvolle Arganöl gewonnen. Es wird auch das flüssige Gold Marokkos genannt. Die Ölherstellung ist zum Großteil Frauenarbeit. Es gibt in der Region viele Frauenkooperativen, die den Frauen zur Selbständigkeit durch eigene Erwerbsarbeit verhelfen. Dieses Thema und die wunderschöne Gegend wollte ich gerne anderen Frauen nahebringen. Meine Reise durch Marokko ist keine sportliche Mountainbike-Tour, auch wenn es natürlich manchmal Herausforderungen auf der Route gibt. Es geht auch nicht darum, eine Strecke abzufahren, um hinterher den Weg zu kennen. Sondern darum, zu entdecken: Was liegt alles am Wegesrand? Das Land und seine Kultur kennenzulernen ist mir wichtig. Ich sehe mich dabei durchaus als Vermittlerin zwischen zwei Kulturen. Meine Reise ist also für Frauen gedacht, die gerne Rad fahren und Interesse an der fremden Kultur Marokkos haben.
Warum richtet sich die Marokko-Radreise explizit nur an Frauen?
Wenn wir als Frauengruppe unterwegs sind, bekommen wir in Marokko einen anderen, intensiveren Einblick. So besuchen wir beispielsweise Frauenkooperativen und können bei der Herstellung des Arganöls dabei sein. Unsere Begegnung ist dabei viel direkter und viel selbstverständlicher – quasi von Frau zu Frau. Außerdem erfahren wir oft zusätzlich Interessantes. Wenn zum Beispiel am Straßenrand ein Schild „Frauenkooperative“ steht, dann bedeutet das nicht allzu viel. Die Frauen erzählen oftmals, dass sie ihr verdientes Geld einem Patron abgeben müssen, dass also doch ein Mann übergeordnet ist. So freimütig würden sie uns möglicherweise nicht davon erzählen, wenn ein Mann in unserer Gruppe wäre. Wir sind so etwas wie Verbündete.
Verhalten sich auch Ihre Teilnehmerinnen anders, wenn kein Mann in der Gruppe ist?
Mit Sicherheit! Viele meiner Teilnehmerinnen sind sportlich, waren aber noch nie auf einer Radreise unterwegs, noch dazu in einer fremden Kultur. Alleine würden sie sich eine solche Reise nicht unbedingt zutrauen. In einer reinen Frauengruppe verlieren Frauen ihre Angst und ihre Unsicherheit. Wir nehmen in der Gruppe Rücksicht aufeinander, für mich ist ganz klar: Die Schwächste von uns bestimmt das Tempo! Ein Konkurrenzdenken gibt es quasi nicht und wir müssen uns nichts beweisen. Sobald ein Mann in der Gruppe ist, verändert sich die gesamte Dynamik. Das kenne ich aus meiner eigenen Erfahrung. Männer gehen viel stärker ans Limit und wollen Leithammel sein – Frauen hingegen teilen sich ihre Kräfte besser ein und stehen zu ihren Schwächen.
Wie bringen Sie den Teilnehmerinnen die Kultur Marokkos näher?
Vor und während der Radreise vermittle ich meinen Teilnehmerinnen alle wichtigen Verhaltensregeln und Bräuche. Zum Beispiel sollten wir uns ein bisschen der Kleidungskultur der marokkanischen Frauen anpassen und wenigstens ärmelbedeckt gekleidet sein. Wir fallen sowieso als Touristen auf – aber wir wollen ja nicht negativ auffallen, sondern den Menschen mit Respekt begegnen! Eine gute Vorbereitung hierfür ist mir wichtig. Die Kontaktaufnahme mit den Menschen vor Ort ist simpel: Ich gehe einfach auf die Leute zu. Wir haben oft spontane Begegnungen am Straßenrand, wo wir mit den Menschen ins Gespräch kommen. Oft sind es am Anfang Kinder, die uns begrüßen und den Kontakt suchen. Wir sind in der Regel nur vier bis sechs Personen – das ist schon fast familiär und Einladungen, auch zu Festen, sind daher nicht selten. Als Reiseleiterin knüpfe meist ich den Kontakt. Glücklicherweise habe ich dabei keine Hemmungen, außerdem kommen mir hierfür meine Französischkenntnisse zugute. Ist der Kontakt einmal hergestellt, gehen die Teilnehmerinnen leicht mit. Die schönsten und bleibendsten Begegnungen ergeben sich spontan!
Wie reagieren die Marokkaner auf Sie als Radreisegruppe?
Die Leute vor Ort sind oft verwundert über unsere Art des Reisens, vor allen Dingen dort, wo Menschen ihr Rad als Vehikel nutzen, um von A nach B zu kommen. Oft ist der Alltag der Menschen körperlich sehr anstrengend, zum Beispiel durch lange Fußmärsche zum Markt oder durch das Ernten der Arganfrüchte. Dass wir nun die körperliche Anstrengung geradezu suchen und dabei noch Freude empfinden – das löst häufig Befremden und Verwunderung aus. Wir wirken vermutlich auf manche wie eine Gruppe Verrückter. Oft ist aber auch Bewunderung und Neugier zu spüren. Die Neugier ist für uns natürlich klasse, sie ermöglicht viele interessante Begegnungen!
Was ist das Besondere daran, ausgerechnet mit einem Rad ein Land kennenzulernen?
Das Fahrrad ist genial, um eine bestimmte Strecke zu schaffen und gleichzeitig alles, was es am Wegesrand gibt, mit allen Sinnen wahrzunehmen. Mit dem Fahrrad erlebe ich die Natur hautnah, ich bin viel näher dran an den Menschen und ihrem Alltagsleben. Radfahren hat so etwas Solidarisches, denn in vielen Ländern sind die Menschen nicht mit dem Auto unterwegs, da das Auto ein Privileg der kleinen, reichen Oberschicht ist. So fahren die meisten Menschen zum Arbeiten, zur Schule oder auf den Markt mit dem Rad oder allenfalls mit dem öffentlichen Bus oder dem Sammeltaxi. Vor allem auf dem Land. Wer mit dem Fahrrad reist, begegnet den Menschen auf gleicher Ebene. Mit dem angepassten Tempo erlebe ich ein Land intensiver und nachhaltiger. Das Reisen im Auto isoliert, zumindest während des Unterwegsseins. Stellen Sie sich vor, es ist Regenzeit. Sitze ich auf dem Rad, bin auch ich ständig patschnass und bekomme eine Ahnung davon, wie das Leben der Menschen vor Ort während dieser Zeit ist. Bei uns zu Hause ist ja alles immer so komfortabel.
Martina Friemel reist immer wieder mit Frauengruppen durch Marokko, Frankreich und Andalusien. Gleichzeitig hat sie auch Radreisen für gemischte Gruppen im Angebot, beispielsweise in Nicaragua, Armenien oder Tibet. Außerdem geht sie gerne auf spezielle Wünsche und Ideen für neue Touren ein. Weitere Informationen unter www.martinafriemel.de