Anhänger oder Cargobike? Transport mit dem Fahrrad im Vergleich
Der bessere Transporter: Anhänger oder Cargobike?
Anhänger oder Cargobike? Transport mit dem Fahrrad im Vergleich
in E-Bike
Nach Erlangen des Führerscheins mit 18 Jahren nutzen viele Menschen am liebsten kleine Autos für die Stadt oder lässige Sportwagen. Hauptsache schnell unterwegs und die neue Unabhängigkeit genießen! Später kommt irgendwann der Wunsch dazu, Dinge zu transportieren. Einfach mit den Skiern Richtung Berge oder mit dem Surfbrett Richtung Meer. In den Urlaub fahren und nicht minimalistisch packen müssen. Andere gründen eine Familie und überlegen dann, wie sie Kind und Kram am besten transportiert bekommen. Für viele lautet dann die Lösung: Ein Kombi muss her!
Doch es gibt auch Varianten, die ohne Auto funktionieren und damit nachhaltiger und gesünder für uns alle sind. Statt des Sportwagens bietet sich ein cooles Gravelbike an. Und statt des Kombis kauft man sich entweder ein Rad, das Lasten tragen kann oder hängt einen Anhänger an das vorhandene Fahrrad. Der Fahrrad-Anhänger war früher mal das Nonplusultra, wenn es um den Transport von Kindern oder Waren ging. Dann tauchte das Lastenrad (wieder) auf – und heute sieht man es verstärkt in den deutschen Innenstädten. Cargobikes werden aktuell stark gefördert, für Betriebe fast im ganzen Land, aber auch für Privatpersonen gibt es in einigen Kommunen Zuschüsse beim Neukauf. Und was ist mit dem Anhänger, der ja deutlich günstiger zu haben ist?
Welches Gefährt ist das bessere? Womit lässt sich flexibel Last transportieren, was lässt sich besser parken, was ist sicher und angenehm im Alltag?
Pro Anhänger: Sicher & vielseitig
Ein Kommentar von Wolfgang Preß
Ich gestehe, ich bin abhängig – Rad-abhängig. Rund 15 Fahrräder habe ich derzeit auf dem Speicher stehen. Fixies, Mountain- und Gravelbikes, Rennräder und – für den Alltag – ein Trekkingbike mit Nabenschaltung und Licht, Schutzblechen und Gepäckträger. Alle meine Räder nutze ich regelmäßig. Und wenn’s auf einen Ausflug mit der Familie geht, Besorgungen und der Wochenend-Einkauf anstehen, dann kommt der Anhänger zum Einsatz – was sonst?! Der steht bis dahin zusammengeklappt mit abgebauten Rädern platzsparend im Keller, ist in drei Minuten aufgebaut, und dank einer Klemm-Kupplung kann ich ihn am Ausfallende jedes meiner Räder ankoppeln. Ans Fixie, wenn ich stylisch in den Biergarten will und eine Brotzeit für vier samt einer großen Schüssel Salat transportiert werden muss. Ans Trekking-Rad, wenn größere Einkäufe anstehen, oder ans Gravelbike, wenn wir mit viel Freizeit-Gerät zum Baden über Wald- und Schotterwege zu einem der vielen schönen Seen im Süden von München fahren.
Wie in der Hängematte
Als unsere Buben noch in der Kita waren, hatte der Anhänger einen weiteren Vorteil: Ich fuhr sie in der Früh hin, ließ den Hänger dort, und meine Frau holte die beiden nach dem Büro mit ihrem E-Gravelbike ab. Generell ist nach meiner Erfahrung der Transport in einem Anhänger für Kinder deutlich komfortabler als in einem Lastenrad. Noch nie habe ich ein Kind in einer dieser Kisten schlafen sehen; unsere Buben waren im Anhänger durch das sanfte Geschaukel meist bald eingeschlafen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Kinder in einem Cargobike längere Strecken zurücklegen wollen – vor allem auf schlechteren Strecken ist das doch ein ziemliches Gerumpel.
Im Anhänger dagegen: Durch die hängemattenartige Sitz-Konstruktion der meisten Kinderanhänger sind auch ruppige Wege für die Kleinen angenehm zu fahren. Zudem sind die Kinder durch den geschlossenen „Käfig“ deutlich besser bei einem Unfall geschützt: Wenn ich mit dem Rad fliege, passiert den Kindern noch lange nix, der Anhänger kippt bestenfalls um. Da die Kids angeschnallt sind und einen Helm tragen, kommen sie in der Regel mit dem Schrecken davon. Das ist in einem oben offenen Lastenrad im Fall der Fälle nicht unbedingt genauso. Und das gern genannte Argument, dass die Kinder im Anhänger nicht im Blick sind, kann ich nicht nachvollziehen. Man muss seine Kids nicht ständig kontrollieren – und wenn’s hinten rund geht, bekomme ich das auch akustisch mit. Mit einem Anhänger ist man zudem nicht nur in Sachen „Zugmaschine“ flexibel, sondern auch beim Hänger. Für das Geld, das ein Lastenrad kostet, sind auch mehrere auf die jeweilige Verwendung zugeschnittene Anhänger drin: für Kinder oder Hunde, reine Lastenanhänger, selbst für große Stücke wie Surfboards oder gar Kajaks, kompakte „Shopper“ für Einkäufe, die man mit in den Laden nehmen kann und die das Umpacken überflüssig machen.
Ein weiteres immer wieder gegen den Anhänger angeführtes Argument ist die Länge des Gespanns aus Zugrad und Hänger. Zugegeben, das Fahrverhalten ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber das hat man schnell drauf. Anhänger sind nicht viel breiter als der Lenker des Zugrads: Wenn vorne genug Platz ist, kommt man auch mit dem Hänger durch; nur beim „Umkurven“ etwa von Pollern ist das Ausscheren zu berücksichtigen. Zum Rangieren kuppelt man den Hänger einfach ab und manövriert ihn solo. Auch das Abstellen wird einfacher, man kann Rad und Hänger platzsparend nebeneinander parken.
Apropos Abkuppeln: ein weiterer Pluspunkt für den Anhänger. Man fährt mit den Kindern in die Stadt, montiert die als Zubehör erhältlichen Vorderräder an und kann den Hänger nun als Kinderwagen durch die Fußgängerzone schieben, die ja für Fahrräder tabu ist. Praktisch übrigens auch im Urlaub bei Stadtbesichtigungen. Und wer nicht nur gerne Rad fährt, sondern auch läuft, kann viele Kinderanhänger mit einem großen Vorderrad zum gut rollenden Jogger umbauen. Langläufer können bei einigen Modellen sogar die Räder durch Skier ersetzen und den Nachwuchs mittels Zug-Geschirr mit auf die Loipe nehmen. Probieren Sie das mal mit einem Lastenrad!
Contra Anhänger: Eins für alles
Ein Kommentar von Stephan Kümmel
In meiner Garage steht ein kompaktes, feuerwehrrotes Lastenrad. Ich nutze es fast täglich, nicht nur für den Transport von Dingen. Auch ohne Zusatzgepäck greife ich eigentlich fast immer zum „Lasti“, wie wir unser Familienmitglied auf 20-Zoll-Reifen nennen. Denn die Fahreigenschaften sind super für kurze bis mittellange Strecken. Ich behaupte, sie unterscheiden sich nicht sehr von denen eines guten Trekkingrads. Gleichzeitig bin ich für den Fall der Fälle immer gewappnet. Zugegeben, ich kann nicht vom Lastenrad-Alltag mit kleinen Kindern berichten. Aber mein persönlicher Alltag hat sich seit dessen Kauf fundamental verändert. Punkt eins: Das Auto steht nur noch rum. Früher kam es auf den paar Kilometern zum Bahnhof täglich zum Einsatz. Da ist das gute Lastenrad inzwischen die bessere Wahl. Am Bahnhof, aber auch vorm Supermarkt, an Baggersee und Biergarten mache ich mir kaum Sorgen um den spontanen Diebstahl. In der Ladetasche habe ich ein sehr solides Schloss immer dabei, das Display nehme ich ab. Wegtragen? Da braucht’s schon zwei Leute für. Nicht, weil das Rad so schwer ist (ist’s nämlich gar nicht), sondern weil es zum Tragen zu unhandlich ist. Hastig schnell wegfahren, wie es der Fahrraddieb macht, ist ohne Motor auch nicht ganz so easy.
Volles Vertrauen
Punkt zwei: Ich bin super spontan. Auf einer ausgiebigen Tour kürzlich kamen wir an einem Weingut am Main vorbei. Der Winzer räumte gerade seinen Keller leer für den neuen Jahrgang – mit attraktiven Rabatten. So konnte ich mal schnell drei Kisten Wein einkaufen. Wäre ich mit dem Trekkingrad unterwegs gewesen – der Anhänger hätte zuhause gestanden. Auch sonst: Kurzer Halt beim Wochenmarkt auf dem Nachhauseweg? Es gibt keine Mengenbeschränkung. Ich nehm einfach mit, wonach mir ist. Kurz: Ich mache mir gar keine Gedanken, was ich den Rest des Tages so alles noch vor habe. Denn ich bin eh für alle Eventualitäten gewappnet. Ja, einige Lastenräder sind sehr groß und klobig. Nicht so mein kleines Longjohn. Dank Speedlifter kann ich den Lenker mit einem Handgriff quer stellen, die Transportbox ist faltbar und macht sich ebenfalls sehr schmal. Klappe ich sogar noch die faltbaren Pedale um, ist das Rad nicht breiter als 30 Zentimeter. Gleichzeitig ist es nur wenige Zentimeter länger als ein 28-Zoll-Trekkingrad. Sogar auf den Heckträger des Autos bekomme ich das Rad drauf.
Und was machen Familien? Dazu kann ich sagen, dass es meine beiden Nichten lieben, von ihrem Onkel durch den Ort gefahren zu werden. Sie haben den absoluten Rundumblick, fühlen sich in der Wanne vor mir pudelwohl und haben sogar ihre Lieblingskuscheltiere mit dabei. Wer oft oder gar täglich Kinder transportiert, der bekommt Lastenräder mit hochgezogenen Flanken, die noch dazu kinetische Energie absorbieren, mit höhenverstellbaren Kopfstützen, Fünfpunktgurten, Regenverdeck und Überrollkäfigen. Dank Vollfederung ist die Fahrt für die Kleinen auch gar nicht so ruppig, wie viele meinen. Die Federung macht das Rad zudem leichter beherrschbar und fahrstabiler. Dazu kommt: Die Bremsen sind für schwere Lasten dimensioniert. Bin ich mit einem auf Geschwindigkeit und Leichtbau getrimmten Gravelbike unterwegs, hänge dort dann noch einen mit zwei Kindern beladenen Anhänger an, kommen sicher viele Bremsen an ihre Grenzen. Vor allem, falls einfache Felgenbremsen montiert sind. Lastenräder haben fast alle üppig dimensionierte hydraulische Scheibenbremsen. Sie verzögern auch bei voller Beladung zuverlässig. Sicherer kann man deshalb meiner Ansicht nach Kinder nicht auf einem Fahrrad transportieren.
Natürlich spielt es eine Rolle, dass die Kinder vor dem Fahrer sitzen, also in dessen Blickfeld. Denn was wir sehen, das schützen wir in Gefahrensituationen ganz intuitiv. Ein Anhänger, den ich nicht sehe und der deutlich hinter das Ende des mir gewohnten Fahrrads herausragt, werde ich bei einem intuitiven Fahrmanöver weniger gut schützen. Da bin ich mir sicher. Bei den besonders sicheren Familien-Cargos wächst aber natürlich der Platzbedarf. Sie haben mit dem kompakten Longjohn, das ich fahre, nur noch wenig gemein. Ob groß oder klein, bei mir ersetzen sie ein ganzes Auto. Darum: Daumen hoch fürs Cargobike!