E-Lastenräder: So lief das Pilotprojekt der Nordseeinsel Spiekeroog
Spiekeroog und sein Pilotprojekt mit E-Lastenräder
E-Lastenräder: So lief das Pilotprojekt der Nordseeinsel Spiekeroog
in E-Bike
Alles begann mit einer Ausschreibung für die Abholung der Gelben Säcke im Sommer 2020.
Die nahe Oldenburg ansässige Firmengruppe Bohmann hatte sich den Zuschlag für den niedersächsischen Landkreis Wittmund gesichert, der auch die beiden ostfriesischen Inseln Langeoog und Spiekeroog umfasst. Knapp sechs Kilometer vom Festland entfernt, gestaltete sich die Abfallentsorgung auf Letztgenannter seit jeher als eine spezielle.
E-Lastenräder Experiment aus der Not heraus
Allen voran, weil auf Spiekeroog mit seinen etwa 800 Einwohnern keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, ausgenommen Feuerwehr und Rettungswagen, unterwegs sein dürfen. Nach einer vom Gemeinderat bewilligten Zulassung sind maximal Elektrokarren für logistische Zwecke erlaubt.
Doch genau dafür lief der Bohmann-Gruppe gegen Jahresende immer mehr die Zeit davon.
Grund: Bislang hatte die Nehlsen AG die Gelben Säcke auf Spiekeroog eingesammelt und nach verlorener Ausschreibung eine Klage eingereicht. Mit der Begründung, nur selbst die Kompetenz für eine erfolgreiche Ausführung des Entsorgungsauftrages zu besitzen.
„Es kam zu einem Gerichtsverfahren, das sich bis in den Dezember hinein zog“, blickt Bohmann-Betriebsleiter Marcus Maichrzak auf die Wochen zurück, in denen der Einsatz von Lastenrädern mit Elektromotor schlussendlich „aus der Not heraus“ seinen Startschuss erlebte.
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Da von einer Zulassungspflicht befreit, wurden zwei Lastenräder des niederländischen Herstellers Urban Arrow beschafft und um die Weihnachtsfeiertage herum für den Mülltransport auf Spiekeroog umgebaut.
Ab Januar 2021 fuhren Maichrzak und ein weiterer Mitarbeiter jeden Donnerstag mit der Fähre auf die Insel, sammelten sämtliche Gelben Säcke ein und brachten diese anschließend zum Presscontainer in den Hafen.
E-Lastenräder erhalten große Aufmerksamkeit
„Das hat von Beginn an erstaunlich gut geklappt. Dennoch mussten wir Erfahrungen sammeln, dass wir beispielsweise Netze brauchen, damit der Wind die Säcke nicht aus dem Container weht“, erinnert sich der 47-Jährige zurück.
Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist Maichrzak die große Aufmerksamkeit, welche er und die E-Lastenräder von den Bewohnern erhalten haben.
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„Normalerweise sind Insulaner ja ein eher schwierigeres Volk, die Außenstehende ziemlich schnell abblitzen lassen“, schildert er seine anfängliche Skepsis an der Akzeptanz eines „Externen“ auf Spiekeroog.
Schnell sei man dort allerdings herumgefahren „wie ein bunter Hund“ und kam mit vielen interessierten Menschen ins Gespräch.
„Wir hatten ohnehin keinen Zeitdruck, da die Fähre erst am späten Nachmittag wieder zurück zum Festland fuhr“, so der Bohmann-Betriebsleiter über seine durchweg wohlwollend wahrgenommenen Einsätze im niedersächsischen Wattenmeer.
Täglicher E-Lastenräder Einsatz auf der Insel
Bis zum nächsten Donnerstag übergeben wurden die E-Lastenräder an den Insel-Spediteur Frederik Lüders, der die Fahrzeuge wiederum zur Paketauslieferung für Versanddienste an den sechs Wochentagen nutzte.
Zentral an den Hafen geliefert und anschließend vorsortiert, erfolgte schließlich die Verteilung von täglich etwa 80 bis 90 Paketen. „Deutlich schneller, wendiger und besser in den teilweise nur 2,25 Meter breiten Dorfgassen unterwegs“, lagen für Lüders die Vorteile gegenüber den zuvor mehrheitlich genutzten E-Karren schnell auf der Hand.
Zudem werde kein Führerschein benötigt, was das Zusammenarbeiten mit Schülern flexibler und in vielen Fällen überhaupt erst möglich mache. Weiter fallen keine Zahlungen von Kilometergeld in die Gemeindekasse an, wie das bei E-Karren der Fall sei, und man bewege sich deutlich mehr an der guten ostfriesischen Inselluft.
Bürgermeister mit großem Interesse
Allesamt Punkte und Veränderungen auf Spiekeroog, die auch Bürgermeister Matthias Piszczan von Anbeginn des Jahres mit regem Interesse verfolgt hat.
„Beim größeren der beiden Lastenräder habe ich mich schon erstmal gefragt, ob überhaupt ausreichend Sicht nach vorne gewährleistet ist“, erläutert er seine ersten Eindrücke.
Ebenfalls von der Polizei moniert, wurde die Höhe der Ladekiste nach unten angepasst. Und so in der Folgezeit mit Piszczan schnell ein Befürworter dieser Transportfahrzeuge gewonnen.
Im Privaten ohnehin immer mehr im Einsatz, seien Lastenräder mit Elektromotor leiser als E-Karren und würden auch deshalb mehr ins Gesamtbild der ostfriesischen Insel passen.
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Ein weiterer Vorteil sei auch das deutlich geringere Gesamtgewicht und die damit verbundene Belastung für die Pflastersteine. „Gepaart mit der schmalen Spur drücken 3,5 Tonnen gewaltig auf unsere auf Sand gebaute Insel“, erläutert Piszczan und ergänzt, dass auf Spiekeroog derzeit knapp 15 schwere sowie zehn leichte E-Karren auf 14,25 Kilometer öffentlicher Straße unterwegs seien.
E-Lastenräder günstiger in der Instandhaltung
Die Anzahl der Lastenräder liege bei etwa 15 Stück. Angesprochen auf die ausbleibende Straßennutzungsgebühr, die sich bei E-Karren auf etwa 15 Cent pro Kilometer beläuft, verweist Spiekeroogs Bürgermeister auf den deutlich geringeren Aufwand der Instandhaltung.
„Das E-Lastenrad rechnet sich für Spiekeroog in jeglicher Hinsicht und steht uns als grüner Insel sehr gut zu Gesicht“, fasst Piszczan zusammen und schickt die Vermutung an, dass auch in puncto Energieeffizienz und Wartungsaufwand die E-Karren wohl sehr deutlich das Nachsehen hätten
E-Lastenräder werden bleiben
Seit April hat sich die Situation auf Spiekeroog allerdings etwas verändert. Die Firmengruppe Bohmann hat den Entsorgungsauftrag aufgrund guter Konditionen an die Nehlsen AG untervergeben.
„In den vergangenen Monaten war auf der Insel nichts los, da haben wir die Runde an einem Tag geschafft. Wir haben aber gemerkt, dass wir es im Sommer, wenn die Insel voll belegt ist, mit zwei Lastenrädern nicht schaffen würden. Wir hätten ein weiteres benötigt“, erklärt Maichrzak die Entscheidung.
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Außerdem sei die Firma Nehlsen auf Spiekeroog nicht nur für die Gelben Säcke zuständig, sondern auch für Restmüll, Bio- und Holzabfälle.
„Die sind mit mehreren Leuten für mehrere Tage auf der Insel, da sind die Kapazitäten größer“, so der 47-Jährige, der bis auf Weiteres nicht mehr auf die Insel zurückkehren und stattdessen seiner Arbeit auf dem Festland nachgehen wird.
Die beiden E-Lastenräder sind allerdings dort geblieben und von Spediteur Lüders übernommen worden. Ein bisschen umgebaut hat er sie, damit man die Seiten öffnen und sie zukünftig zum Transport von Koffern und Gepäck der Touristen verwenden kann.
Möglicherweise kommt ein drittes hinzu – während die Gemeinde ebenfalls darüber nachdenkt, sich in naher Zukunft ein E-Lastenrad anzuschaffen.