Endlich Sport: Rauf auf den Hochfirst
Trail Hype im Schwarzwald: Wurzeln, Wald und Weite
Endlich Sport: Rauf auf den Hochfirst
in Hintergrund
Endlich Sport: Die Idee
Es ist soweit. Ich nähere mich mit großen Schritten dem 40. Geburtstag. Das ist eigentlich kein großes Problem. Diese Altershürden sind mir ziemlich schnuppe. Tatsächlich aber merke ich, dass ich nicht mehr ohne weiteres so schlank bleibe, wie ich es eigentlich immer gewohnt war. Sonderlich ehrgeizig war ich beim Sport noch nie: Meine Titschtenniskarriere endete mit 14, das Radfahren ist „nur“ mein Genuss-Hobby, das ich nicht mit enormem Ehrgeiz verfolge. Ich merke aber: Ein kleiner Motivationstritt in den Hintern kann nicht schaden.
Mountainbiken liegt mir immer schon näher als Rennradfahren. Mehr Natur, mehr Ruhe, keine Autos. Außerdem habe ich vor einigen Jahren mehrmals mit Freunden an Team-Rennen teilgenommen. Immer nur zum Spaß, das hatte weniger mit Sport zu tun. Ein vierter Platz war seinerzeit eher ein Unfall und der geringen Teilnehmerzahl geschuldet. Aber die Stimmung war immer super, die Mountainbiker irgendwie ein freundlicher, mir sehr sympathischer Haufen. Also soll es ein Mountainbike-Rennen werden, das mir die nötige Motivation zum regelmäßigen Fahren verschafft.
Endlich Sport: Der Plan
Der Zeitpunkt ist von vornherein eng abgegrenzt. Sport steht in der Prioritätenliste eher hinten. Ich habe eigentlich nur Ende September Zeit. Termine halt. Das hat aber durchaus einen Vorteil: Mein Motivationstreiber funktioniert bis in den Herbst hinein. Hoffe ich. Nach einigem Suchen und Abwegen fällt mir schließlich der Mesa-Parts Trail Hype in Titisee-Neustadt ins Auge. 60 Kilometer, 2000 Höhenmeter. Trail-Anteil an der Gesamtstrecke: Stolze 60 Prozent. Für Spaß-Radler wie mich sehr ambitioniert. Aber das genau suche ich ja. Die Anmeldung klappt hervorragend. Mitorganisator Markus Bauer hilft mir beim Anmeldeprocedere. Außerdem gibt er mir Tipps, wo ich am besten unterkommen kann. Denn morgens Anreisen, abends wieder weg, das wäre verschenkt. Nach einigen Mails steht der Plan: Das letzte Septemberwochenende werde ich im Hochschwarzwald verbringen.
Das Rad I
Beim Blick in meinen Fahrradkeller wird mir klar: Ich muss aufrüsten. Denn dort steht ein Tourenfully, zwar gut gepflegt und in ordentlichem Zustand. Es ist aber noch aus der 26″-Ära, außerdem nur bedingt renntauglich. Nichts für echten Sport. Also heißt es auch da: Augen auf. Fündig werde ich schließlich bei Corratec. Die haben gerade das Revolution 29 Race aufgelegt. Eine echte Carbon-Rennmaschine, mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 2499 Euro außerdem im für Hobbysportler noch bezahlbaren Bereich.
Die Familie
Natürlich ist meine Frau von Beginn an in meinen Plan eingeweiht. Denn wie sagt schon Personal-Trainerin und Triathletin Anne Kuhn aus Wiesbaden: „Familie und andere soziale Kontakte sollten nicht unter Deinem Vorhaben leiden – nimm sie doch einfach mit ins Boot“. Gesagt, getan. Problem: Meine Frau traut sich (noch) nicht für ein Rennen aufs Mountainbike. Ihr liegt der Triathlon näher. Also erweitere ich meinen Plan. Statt „nur“ Ende September MTB zu fahren, wird in den engen Terminplan – sozusagen zur Vorbereitung – noch eine olympische Distanz in dem Dreier-Sport eingeschoben: Der Rodgau-Triathlon.
Das Rad II
Mein Rennrad ist toll. Zwar fahre ich es es eher selten. Denn – siehe oben – Mountainbiken macht mir eigentlich mehr Spaß. Aber für die wenigen Male tatsächlichen Sports ist es ideal. Ich habe es gebraucht gekauft, für 200 Euro. Es ist zwar alt, aber sehr gut gepflegt. Für die handvoll Triathlons, die ich bis jetzt absolviert habe, vollkommen ausreichend. Es waren ausnahmslos Sprint-Rennen, nur einmal war auch ein Olympischer dabei. Auch hier: eher Fun statt Sport. So bin ich überzeugt, auch diesmal mit dem guten alten Trek, Baujahr 2006, die 40 Kilometer locker abspulen zu können. Einen Strich durch die Rechnung macht mir allerdings BH. Die spanische Traditionsmarke bekommt Wind von meinem Vorhaben.
Auf einer Messe plaudere ich locker mit den Mitarbeitern über das Event. Die Reaktion: Einige Tage später steht das BH G7 Pro des Modelljahrs 2020 auf dem Hof: „Probier es aus und sage Bescheid, wie es sich fährt“, schreibt mir dazu der BH-Kollege. Schnell, für ein Aero-Rad wendig und spritzig, top ausgestattet. Ein echtes Sport-Gerät. Kurz: Für mich viel zu edel. Oder anders ausgedrückt: Perlen vor die Säue. Aber auch: Geil zu fahren. Ich habe Spaß, lasse im Urlaub zuhause im Spessart tatsächlich mehrfach das Mountainbike stehen und fahre Rennrad. Für mich ist das absolut untypisch, spricht aber sehr für das Rad.
Endlich Sport: Die Vorbereitung
Einige Ausfahrten mit dem BH führen mich durch das hessisch-bayerische Grenzgebiet. Im Städtedreieck Aschaffenburg, Hanau, Schlüchtern gibt es unzählige schmale Landstraßen mit nahezu keinem Autoverkehr. So sammle ich etliche Straßenkilometer. Aber auch das Mountainbike kommt nicht zu kurz. Isarradweg, Isartrails, der Fröttmaninger Berg direkt an der Allianz-Arena: Rund um unser Büro versuche ich, möglichst viele Trail- und Höhenmeter zu entdecken. Nicht ganz einfach, ist es in Münchens Nordosten doch flach wie auf dem Boden einer Bratpfanne. Also nehme ich das Rad mit nach Hause in den Spessart. Denn auch zum Mountainbiken ist das ein tolles Revier. Dort fahre ich mit einigen Freunden unter anderem den Eselsweg. Von der Kinzig über den Dr.-Karl-Kihn-Platz und den Echterspfahl bis zum Franziskanerkloster Engelberg hoch über Miltenberg am Main. 95 Kilometer, knapp 2000 Höhenmeter. Eine tolle Samstagstour. Nicht wirklich Sport, aber trotzdem anstrengend. Ich halte durch, fühle mich anschließend gar nicht sooo schlecht. Läuft bei mir.
Die Querschüsse
Ich möchte Rennen fahren, um micht selbst zu motivieren. Die ersten Wochen – siehe oben – sind vielversprechend. Ich fahre viel, auch ohne E-Motor, habe richtig Lust. Aber dann. War ja klar: Hier ein wichtiger Außentermin, da eine Familienfeier am Wochenende. Meine Pläne werden immer mal wieder durchkreuzt. Und ja: Es sind Ausreden. Ich könnte, wenn ich wollte. Ist doch klar. Aber der innere Schweinehund, dieses fiese Mistvieh, ist dann doch ab und zu nicht zu überwinden. Mit Ausnahme zweier Ausflüge zum Flowtrail Bad Orb leidet mein Eifer zusehends. Den Triathlon bekomme ich noch ordentlich hin, wenn ich auch beim Laufen ziemlich einbreche. Hat aber Spaß gemacht. Endlich mal wieder Wettkampfluft geschnuppert. Trotzdem würde etwas mehr Training ganz gut kommen.
Je näher der Herbst rückt, desto weniger sitze ich auf dem Rad. Bald beschränken sich meine Zweiradausflüge auf meine Pendlerstrecke. Die Eurobike sorgt dann dafür, dass ich sogar eine ganze Woche überhaupt nicht radfahre – von den kurzen Messe-Testrunden einmal abgesehen. Meine Stimmung diesbezüglich: Ziemlich im Keller. Dann ein weiterer Nackenschlag: 14 Tage vor dem Rennen kratzt es merklich im Hals. Am Anfang mag sich die Erkältung nicht so recht entscheiden, was sie will. Zehn Tage vor dem Start dann packt sie mich doch: Schüttelfrost, Triefnase, Husten. Doch nach dem Wochenende vor dem Trip in den Schwarzwald habe ich es überstanden. Ich fühle mich fit genug, wieder aufs Rad zu steigen.
Das Einknicken
Nur: Fast drei Wochen ohne richtiges Training lassen mich zaudern. Vor mir liegen 2000 Höhenmeter. Die sind es, die mir Respekt abzollen. Nicht die 60 Kilometer Distanz. Besser: Die Kombination von Distanz und Höhenmeter. Ich zweifle. Und treffe schließlich eine Entscheidung. Schweren Herzens bitte ich Markus Bauer darum, mich zurückzustufen. Statt der vollen Distanz – das Rennen besteht aus zwei Runden a 30 Kilometern und 1000 Höhenmetern – will ich doch „nur“ die Hälfte fahren. Es gibt auch ein 30-Kilometer-Rennen: Eine Runde. Markus meldet mich um, ich bin erleichtert. Bis zum Schluss hadere ich trotzdem einwenig mit mir.
Der Vortag
Am Vortag schon reise ich aus München an. Im Schwarzwaldgasthof „Zum Löwen“ in Langenordnach werde ich freundlich vom Inhaber, Clemens Straub, begrüßt. Einer seiner Töchter bin ich bereits begegnet, ohne es zu wissen. „Sie liebt diesen Sport, darum hilft sie mit beim Rennen“, informiert mich Straub. „In der Startnummernausgabe.“ Dort habe ich sie dann wohl schon gesehen. Im Schanzenhaus an der Hochfirstschanze in Neustadt habe ich mir die Rennunterlagen abgeholt. Die freundlichen Frauen hinter der Theke haben mir alles genau erklärt: Wo ich wann sein sollte, wann die Rennbesprechung ist und – ganz wichtig – dass ich mir keine Sorgen machen soll. „Alles wird gut, Du wirst eine Menge Spaß haben“, sagen sie.
Draußen toben bereits die Wettkämpfe. Denn rund um die Hochfirstschanze stehen nicht nur die drei MTB-Marathons am Sonntag an (neben der 30- und der 60-Kilometer-Schleife gibt es auch ein Einsteiger-Rennen über 20 Kilometer). Am Tag zuvor kämpfen die MTB-Bundesligateams und -fahrer um die letzten Punkte beim Saisonfinale. Sport für (fast) Profis! Eine anspruchsvolle CC-Strecke haben die Trail-Hype-Macher da in den Hochschwarzwald gezimmert: Drops, Wurzelpassagen und Felsstücke, die ich niemals fahren könnte. Das Zusehen lässt die Vorfreude aber enorm steigen.
Endlich Sport: Das Rennen
Der Start
Um 10:45 Uhr soll für mich der Startschuss fallen. Um sechs Uhr bin ich wach. Viel zu früh. In aller Ruhe stehe ich auf, sortiere meine Siebensachen und bringe meine Startnummer und den Chip zur Zeiterfassung am Bike an. Das Frühstücksbuffet im Hotel ist viel zu üppig. Ich muss aufpassen, nicht zu viel und vor allem nicht falsch zu futtern. Schon im Renndress, aber mit dicker Jacke drüber, rolle ich gemütlich gegen 9.30 Uhr die sechs Kilometer zum Start. Die Sonne steht umrahmt von tiefblauem Himmel über der bekannten Weltcupschanze. Um 10:30 Uhr fällt der Startschuss für die 60-er Runde. 15 Minuten später bin ich dran. Wüsste ich, was auf mich zukommt, ich wäre sicher nervöser.
So aber bin ich entspannt, voller Vorfreude, ohne Druck. Fühlt sich gar nicht an wie Sport. Vom Auslauf der Schanze geht es ab in den Wald. Die ersten vier, fünf Kilometer sortiere ich mich, suche eine Gruppe, die etwa mein Tempo geht. Gar nicht so einfach, denn vom Start weg geht es stramm bergauf. Schnell komme ich an Fahrern vorbei, die mit irrem Tempo in den Berg hineingefahren sind, aber schnell merken, dass es so nicht weiter geht. Gleichzeitig kommen von hinten Radler, die noch verhaltener angefahren sind wie ich. Sie überholen mich. Dranhängen? Mal schauen. Nach der ersten Steigung und der beginnenden Abfahrt, etwa bei Kilometer 8,5, habe ich eine Gruppe gefunden. Die Stimmung ist gut, alle um mich herum hegen den olympischen Gedanken. Wir tauschen sogar einige kurze Worte aus. Ich fühle mich frisch, habe richtig Spaß. So gehen wir als Gruppe von etwa sechs, sieben Fahrern in den zweiten langen Anstieg.
Der Rückschlag
Trail Hype – der Name ist nicht bloß dahergesagt. 60 Prozent der Strecke führen über Singletrails. Wer die Gesetzgebung in Baden-Württemberg kennt, weiß: Das ist nicht selbstverständlich im Land der zwei-Meter-Regel. Das bedeutet aber auch: Ich stehe im Stau. Denn bergan zum „Paradies“ genannten Gipfel des Hochfirsts ist kein Platz zum Überholen. Etwa zweieinhalb Kilometer unterhalb des Gipfels klicke ich also aus und stelle den Fuß ab. Beim Blick nach oben zeigt sich, dass sich der Stau den Hang hinauf zieht. Also klicke ich erstmal nicht wieder ein. Meine Pedale lassen es zu, auch kurzzeitig mal ohne feste Verbindung zwischen Fuß und Pedal zu treten. Nach etwa 300 Metern geht es besser. Also wieder einklicken? Denkste. Klappt nicht. Nochmal. Klappt wieder nicht. Ich schaue an mir herunter und stutze: Das Cleat steckt noch im Pedal.
Diese kleine Metallplatte ist eigentlich am Schuh verschraubt. Die Schrauben haben sich aber offensichtlich gelöst. Und sind weg. Ich werfe mein Rad neben den Trail aufs dicke Moos und suche den Boden ab. Nichts zu sehen. In meinem Kopf rattert es. Wo habe ich das letzte mal aus dem Pedal ausgeklickt? Unter lautem Fluchen fange ich an, hastig den Trail hinunterzulaufen. Die Nasenspitze berührt fast den Boden, als ich den Trail absuche. Jedem, der vorbei kommt, rufe ich zu: „Falls Du Schrauben siehst, schrei bitte.“ Jeder verspricht es mir, keiner meldet sich. Wie sollen sie auch während der Fahrt die zwei nicht mal einen Zentimeter langen Schrauben sehen? Fast unmöglich. Ich laufe und suche weiter. Bis ganz unten zu der Stelle, an der ich ausklickte. Nichts. Also wieder hoch. 100 Meter, 200 Meter. Immer noch gebückt und mit den Augen am Boden. Wie lange ich schon suche? Keine Ahnung. Bald sehe ich mein Rad wieder am Hang liegen. Ich suche weiter. Gut fünf Meter vor dem Rad glänzt etwas auf dem Boden. Da liegen sie. Beide Schrauben. Ich bin extrem erleichtert, jubel laut los.
Das zweite Problem
Nun folgt aber das zweite Problem: Ich habe kein Werkzeug dabei. 30 Meter oberhalb aber halten zwei Biker an, die offenbar ebenfalls ein Defekt haben. „Hey, habt Ihr ein Tool? Ein Werkzeug?“, rufe ich ihnen zu. „Klar, komm hoch“, antworten sie. Die beiden sind schnell fertig, offenbar hatte sich nur ein Ast verklemmt. „Wir warten entweder oben oder im Ziel auf Dich“, sagen die beiden, lassen mir das Werkzeug da und fahren los. Eine sehr nette Geste, wie ich finde. Meine Freude über gefundene Schrauben und geliehenes Tool schlagen aber schnell wieder in Flüche um. Ich bekomme das Cleat nicht aus dem Pedal. Ich verbiege sogar einen Sechskantschlüssel. Mir bleibt nichts anderes übrig, als loszuschieben. Oben auf dem Hochfirst soll es mehr Werkzeug geben.
Die Hilfe
Nach einigen Hundert Metern geht der Singletrail in die Asphaltstraße zum Gipfel über. Dort kann ich wieder aufs Rad, strample ohne Klickpedal weiter. Ein letzter kurzer Abstecher über Waldboden, dann stehe ich am Gipfel des Hochfirsts. Auf knapp 1200 Metern ist das Dach der Strecke erreicht. Dort ist auch die Verpflegungsstelle eingerichtet. Ich rufe laut nach Werkzeug, als ich vor den Theken mit Äpfeln, Bananen, Kuchen und Getränken stehe. Ein Helfer fragt, was denn los ist. Ich zeige auf mein Pedal und er versteht sofort. Er holt einen langen Schraubenzieher heraus, setzt an und schon fliegt das Cleat im hohen Bogen auf den Boden. „Dort ist mehr Werkzeug. Bedien Dich“, sagt er und lässt mich mein Malheur beheben. Ich setze mich auf einen Stein und hebe den Kopf. Erst jetzt erkenne ich, warum die Organisatoren diesen Punkt als „Paradies“ bezeichnen. Vor mir breitet sich, eingerahmt zwischen dunklen Tannen, ein Panoramablick über den Titisee bis hinüber zum Feldberg aus. Die Sonne funkelt in den Wellen der Ausflugsboote. Wahnsinn, denke ich mir, was für eine Aussicht!
Die Ruhe
Also beschließe ich, mir keinen Stress zu machen. In Ruhe trinke ich zwei Cola, esse ein Stück Kuchen und einen Apfel. Ich genieße die Aussicht, denn eine Top-Zeit (für meine Verhältnisse natürlich) erziele ich heute ohnehin nicht mehr. Nach einigen Minuten steige ich wieder aufs Rad, bedanke mich beim Team und fahre los. Natürlich biege ich erstmal falsch ab und stehen plötzlich mitten auf der Terrasse des Ausflugslokals oben am Gipfel. „Zur Strecke?“, fragt ein Passant. Ich: „Äh, ja.“ Er weist mir den Weg, ich rolle zurück.
Die nächsten Kilometer sind traumhaft. Erst ein flowiger Trail bergab, dann Waldwege und Trails im Zickzack den Hochfirst rauf und runter. Ich bin inzwischen ziemlich allein unterwegs. Ab und zu überhole ich ein paar Nachzügler der 30-er Runde, werde aber meinerseits auch bald überholt: Die Führenden des 60-er Rennens überrunden mich. Ich versuche, dranzubleiben. Bergauf geht das vielleicht 100 oder 150 Meter lang. Bergab keine fünf.
Die Wurzeln
Die letzten vier, fünf Kilometer haben es in sich. Rollen wir bis dahin auf weichem Waldboden oder geschotterten Waldwegen, wird es nun deutlich wurzeliger. Das ist nun Sport für Könner. Die fiesesten Stellen sind vorbildlich leuchtend markiert. Auch einige Uphills sind von Wurzeln durchzogen. Immer wieder rutsche ich weg. Denn Ende September ist es schon sehr feucht im Wald, die Wurzeln entsprechend nass. Irgendwann reicht es mir, ich schiebe. Denn so kurz vor dem Ziel möchte ich mich nicht mehr hinlegen. Das muss nicht sein.
Endlich Sport: Die letzten Meter
Nach den vermeindlich letzten Abfahrten, ich kann schon den Ansager vom Zieleinlauf hören, dämmert es mir: Irgendwie muss ich auf die andere Seite der Hochfirstschanze kommen. Eine Querung unterhalb der Schanze habe ich nicht gesehen. Also muss es wohl oben drüber vorbei gehen. Den Hang hoch. Und schon geht es rechts ab einen Trail hinauf. Arg steil. Also nochmal in die Pedale treten. Meine Oberschenkel melden sich. Trotzdem: Irgendwie habe ich ihn mir schlimmer vorgestellt, diesen Sport. Nur: Der Scheitelpunkt lässt auf sich warten. Ich trete und trete. Ich spüre, wie meine Reserven schwinden. Oben angekommen keuche ich ganz ordentlich. Ich erreiche langsam mein Limit. Bin aber auch erleichtert: Wir passieren die Schanze nicht ganz oben, sondern durchfahren eine Unterführung kurz unterhalb des Schanzentischs.
Wenige Meter später geht es links ab auf den letzten Trail. Noch einige Meter Waldweg, dann ist das Ziel in Sicht. Ein kurzer, sehr steiler Stich hinauf auf die Zielgerade wartet noch auf mich. Mein Hinterrad dreht durch, rutscht weg, ich steige ab, muss schieben. Ausgerechnet hier. Vor dem Publikum. Der Moderator oben am Zielstrich ruft noch dazu meinen Namen. Mit dem Zusatz: „Da kommen die letzten Nachzügler des 30-Kilometer-Rennens.“ Danke dafür.
Durchs Ziel
Die Ziellinie liegt am Ende des Schanzenauslaufs. Es geht also nochmal berauf. Ich komme mir quälend langsam vor. Die letzte kleine Kuppe, dann bin ich im Ziel. Die Zeit stoppt bei 2:59 Stunden. Ich bin erleichtert, aber auch etwas unzufrieden wegen meines Pedal-Problems. Aber schon nach wenigen Minuten setzt sich die Freude durch. Es war ein herrlicher Tag, tolles Wetter, hilfsbereite Mitfahrer und vor allem eine abwechslungsreiche, sehr gut präparierte und ausgeschilderte Strecke. Sie hat mir viel abverlangt. Aber auch eine Menge gegeben: Die Freude am Mountainbiken, tolle Aussichten, knifflige Passagen und ausdauernde Anstiege. So macht Sport Spaß!
Endlich Sport: Das Fazit
Dass am Ende das Renn-Feeling etwas dahin war: geschenkt. Mit einem Strahlen im Gesicht genieße ich noch eine Weile im Zielbereich, schaue noch einige weitere 60-er ankommen. Das, was ich mir erhofft hatte, ist eingetreten. Aber auch die Erkenntnis: Die 60 Kilometer wären für mich heute garantiert nicht machbar gewesen. Aber ich habe wieder Blut geleckt, habe enorm viel Lust auf mehr. Dann aber mit hoffentlich besserer Vorbereitung. Und definitiv fest angezogenen Schrauben am Klick-Pedal!