Ideologiefreie Verkehrspolitik? Gleichberechtigung im Straßenverkehr

Was heißt hier schon "ideologiefrei"?

Ideologiefreie Verkehrspolitik? Gleichberechtigung im Straßenverkehr

Das Schlagwort "ideologiefreie Verkehrspolitik" taucht regelmäßig in Wahlprogrammen auf. Was bedeutet das eigentlich? Hier werden Wähler vor allem veräppelt, schreibt unsere Redaktionsleiterin Johanna Nimrich in ihrem Kommentar.
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Im Zusammenhang mit der Europawahl Anfang Juni fiel das Schlagwort immer wieder: „ideologiefreie Verkehrspolitik“. Das klingt nach Vernunft und Neutralität, ja sogar irgendwie nach Kompetenz. Im Gegensatz dazu stellt man sich vielleicht Verkehrspolitik vor, bei der Entscheidungen ausschließlich aufgrund Emotionen und einseitiger Priorisierung getroffen werden. Spannend ist dabei auch, dass ideologiefreie Verkehrspolitik oft im Zusammenhang mit einer gleichberechtigten genannt wird.

Gleichberechtigung auf den Straßen?

Schauen wir doch mal auf die aktuelle Lage auf den Straßen in Deutschland. Oder meinetwegen in die Budgetplanung. Denn egal, ob man auf den Flächenverbrauch oder die Finanzen schaut: Die Priorisierung im Verkehr ist ganz klar, der Pkw wird seit Jahrzehnten bevorzugt behandelt. Dass jetzt von einigen Seiten der Wunsch aufkommt, dem motorisierten Individualverkehr Platz zu nehmen, ist eine Antwort darauf und kommt nicht aus dem „Nichts“. Er entspricht dem Wunsch nach Gleichberechtigung. Denn wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat in der Regel keine Grüne Welle und braucht beispielsweise beim Linksabbiegen deutlich länger, weil der Radweg keine separate Spur dafür hat. Radwege enden im Nichts oder existieren gar nicht. Gibt es Baustellen oder Großveranstaltungen, wegen derer Straßen gesperrt werden müssen, gibt es eine ausgeschilderte Umleitung für den Autofahrer, für den Radfahrer gibt es oft: wieder mal gar nichts. Auch die Geschwindigkeiten sind so gedacht, dass der Pkw-Verkehr flüssig bleibt, dass man mit dem Auto nicht unnötig halten oder langsam fahren muss. In unserer aktuellen Verkehrspolitik steht das Auto absolut im Zentrum. Das ist weder gleichberechtigt noch ideologiefrei. Oder?

Flächendiskussion: Wer bekommt wie viel Platz?

Doch genau diesen Status quo wollen konservative Parteien beibehalten, ihr (tatsächlich oft emotionaler) Widerstand gegen Veränderung auf den Straßen ist groß. Wenn also in Parteiprogrammen von ideologiefreier, gleichberechtigter Verkehrspolitik die Rede ist, dann ist sogar teilweise genau das Gegenteil gemeint. Und das ist ganz schön dreist. Also: Genau hinschauen und sich nicht veräppeln lassen.

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