Verwaltungsvorschrift in Bayern sorgt für Streit
Auf gemeinsamen Wegen?
Verwaltungsvorschrift in Bayern sorgt für Streit
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Die Kritik an einem gefühlten Freibrief für Willkür fiel deutlich aus und zahlreiche Interessenverbände kündigten bereits im Dezember 2020 ein geschlossenes Vorgehen an. Das Ergebnis im Januar: ein gemeinsamer Brief an das Ministerium, unter anderem von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB). Dass der Deutsche Alpenverein (DAV) kurzfristig eigene Wege ging, warf allerdings große Fragen auf.
Rückblick auf die Ausgangssituation
In einer Sache waren sich die Interessenverbände schnell einig. Die Erlassung der Verwaltungsvorschrift von Seiten des Bayerischen Staatsministeriums würde eine Menge Arbeit mit sich bringen. Und Aufklärungsbedarf. Vor allem aber erstmal: großen Unmut und Widerspruch gegen das, was am 16. Dezember 2020 in Kraft getreten war.
Bis dato wurde in Bayern das Betretungsrecht für Radfahrer in der Natur sowie die Wegeeignung für Mountainbiker mit wertgeschätzter Liberalität gehandhabt. „Welcher Weg geeignet war, entschied der Fahrer selbst. Nach eigenem Ermessen und auf eigene Gefahr, ob er sich das zugetraut hat oder nicht“, fasst Heiko Mittelstädt von der DIMB die Ausgangslage vor dem besagten Dezembermittwoch zusammen.
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Der 51-Jährige ist für die Fachberatung im 100.000 Mitglieder starken Verein zur Förderung umweltverträglichen Mountainbike-Sports verantwortlich und an der Ausarbeitung einer Stellungnahme im Vorfeld umfangreich beteiligt gewesen. Im vor über einem Jahr in zwei Sitzungen stattgefundenen Arbeitskreis „Geeignete Wege“ war ebenfalls ein Vertreter der DIMB mit eingebunden. Entsprechend große Irritationen löste die Verwaltungsvorschrift in der Szene sowie anderen Verbänden aus, die schnell eine gemeinsame Positionierung anstrebten. Auch, weil niemand im Vorfeld über das Datum der Veröffentlichung in Kenntnis gesetzt worden war.
Verbände zu Beginn noch einig
Neben dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR), dem Bayerischen Radsportverband (BRV), dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) sowie vier Tourismusverbänden übte auch der DAV Kritik am Vorgehen des Bayerischen Staatsministeriums. Der weltgrößte Bergsportverband mit seinen knapp 1,3 Millionen Mitgliedern habe sich gewundert, dass vorab aufgeführte Punkte keinen Anklang gefunden hatten. Dementsprechend sei die Aufregung groß gewesen, wie uns Nicolas Gareis vom Ressort Naturschutz und Kartografie berichtet. Nicht zuletzt, weil 43 Prozent der DAV-Mitglieder Mountainbiker seien und mit dem Ministerium als Fördergeber diverser Projekte ein regelmäßiger Austausch bestünde. Ein Fakt, der eine der Erklärungen dafür ist, was Ende Januar geschah. Und für Unmut bei den Mitstreitern aus dem Verbandswesen sorgte.
Obwohl bis zuletzt an der Ausarbeitung eines gemeinsamen Briefes an das Ministerium beteiligt, unterschrieb der DAV diesen schlussendlich nicht. Stattdessen wurde fortan auf den „direkten Kontakt“ zur Politik gesetzt, um eine „möglichst effiziente“ Reaktion zu zeigen, wie Gareis in unserem Gespräch erklärt. Letztendlich messe man diesem Vorgehen die größten Erfolgsaussichten bei, die Verwunderung der anderen Interessenverbände habe man in München allerdings zur Kenntnis genommen.
DIMB enttäuscht – DAV erklärt
Auf Seiten der DIMB liegt die Vermutung nahe, dass der Alpenverein seine direkten Kontakte ins Umweltministerium nicht aufs Spiel setzen will. „Daher wollte man diese Einigkeit in der Sache mit uns nicht zeigen“, schlussfolgert Mittelstädt und verweist auf einen Aspekt, der in seinen Augen als noch viel bedenklicher einzustufen sei. „Scheinbar findet der DAV als größter Wegeträger der Alpen im Ministerium ja auch kaum Gehör, obwohl er von Beginn an unmissverständlich gegen die jetzige Fassung der Verwaltungsvorschrift ist“, so Mittelstädt, bevor er sein Bedauern ob des Verlustes eines „gewichtigen Fürsprechers“ ausdrückt und auf die verpasste Chance eines „starken Signals der Einigkeit“ verweist. Nachgefragt in der Mountainbike-Szene mehren sich zudem kritische Stimmen gegenüber dem DAV. Ausgehend von der Frage, ob die eigenen Interessen dort wirklich noch mit letzter Konsequenz vertreten werden würden.
Damit konfrontiert, verweist Gareis zunächst darauf, kein reiner Fachverband zu sein. Worin der DAV im Wesentlichen von der DIMB zu unterscheiden wäre. „Wir vereinen verschiedene Interessen unter einem Hut. Da ist es immer eine große Aufgabe, allen Ansprüchen gerecht zu werden und abzuwägen“, so der 32-Jährige. Weiter zu berücksichtigen sei, dass der DAV auch kein reiner Sportverband wäre, sondern auch für den Naturschutz einstünde. Außerdem hätte es in den zurückliegenden Wochen auch Stimmen gegeben, die mit den Bestimmungen des Ministeriums einverstanden seien. Allerhand Herausforderungen und stetiges Jonglieren also, keine Gruppe der 1,3 Millionen Mitglieder zu vernachlässigen. Schlechter aufgehoben als in anderen Interessenverbänden müsse sich ein Mountainbiker im Alpenverein allerdings nicht fühlen, beteuert Gareis. Man vertrete viel mehr alle Interessen der im DAV organisierten Bergsportarten und den Naturschutz.
Warum dieser ganze Aufriss? Ein Kommentar von Redakteur Sebastian Böhm.
Die Verwaltungsvorschrift in der Realität
Soweit geklärt – und die eigene Rolle und Strategie bei der Unmutsbekundung gegen die Verwaltungsvorschrift dargestellt. Doch was bedeutet diese in der Praxis? In erster Linie seien Grundstücksbesitzer, Gemeinden oder Staatsforsten aktiv aufgefordert, ihre Wege zu überprüfen. Vorrangig in Regionen mit hohem Konfliktpotential. Laut Mittelstädt würden erste Gemeinden Runde Tische planen, an welchen Stellen mit Verbotsschildern gearbeitet werden müsse. „Unsere Befürchtung ist, dass wir bald eine Vielzahl davon sehen werden“, blickt er den kommenden Monaten skeptisch entgegen. Der DAV hat den unteren Naturschutzbehörden in Bayern angeboten, seine Erfahrung an Runden Tischen mit einzubringen. Die DIMB, der ADFC, der Radsport und die Tourismusverbände hingegen fordern einen landesweiten Runden Tisch, um Insellösungen zu vermeiden, erklärt Mittelstädt. An lokalen Runden teilnehmen werde die DIMB dennoch, blickt aber auf ein „hartes Geschäft“ voraus. Neben Vertretern aus den Bereichen Wandern, Naturschutz, Forstverwaltung oder Grundeigentümer sei man meist der einzige, der sich für Mountainbike-Interessen einsetze.
Der DAV hat angekündigt, proaktiv auf die Landkreise zuzugehen und den Mitarbeitern seiner einzelnen Sektionen Hilfe anzubieten. Gerade wenn unklar sei, ob ein Weg nun als geeignet definiert werden könne oder nicht. „Uns ist wichtig, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Vor allem wenn es darum geht, die Vollzugshinweise zu evaluieren“, betont Gareis und verweist auch auf das Bestreben, kritische Rückmeldungen an das Ministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz zu geben, in welchen Bereichen noch Nachbesserungsbedarf bestehe. Zudem will der DAV Naturschutzbehörden beratend zur Seite stehen. Unklar sei jedoch weiterhin, ob und wie das Ministerium auf die formulierten Forderungen eingehe, die der DAV in einem Gespräch mit Umweltminister Thorsten Glauber Mitte März nochmals untermauerte.
Ganz im Gegensatz zu zwei konkreten Fällen, in denen Mountainbiker bereits verwarnt wurden, weil sie nicht auf geeigneten Wegen unterwegs gewesen sind. „Wir prüfen das gerade“, berichtet Mittelstädt und ergänzt den juristischen Zusatz, dass nur gegen die Auswirkungen der Verwaltungsvorschrift vorgegangen werden könne, nicht gegen diese selbst. Wichtig werde sein, dass man Fälle gewinne, in denen Wege zwar schmal oder naturfest, aber als geeignet bewertet werden würden. Dass Rechtsstreitigkeiten zunehmen würden, sei für Mittelstädt klar, der empfiehlt, eine Rechtsschutzversicherung abschließen oder in einen Radverband eintreten. „Wir haben großes Interesse, einzelne Fälle mit unseren Anwälten zu begleiten“, so der 51-Jährige, der jedem rät, vor Ort zurückhaltend zu sein und abzuwarten, bis etwas Schriftliches nachkommt.
Fokus weiter auf Zusammenarbeit
Abschließend hebt Mittelstädt nochmal die wichtige Arbeit aller Verbände hervor und betont, dass man auch in Zukunft eng zusammenarbeiten wolle, insbesondere bei derartigen Verwaltungsvorschriften, wie der des Bayerischen Staatsministeriums. Nicht zuletzt deshalb, weil diese sich schnell auf das Mountainbiken und Fahrradfahren in ganz Deutschland auswirken könnten.