Tout Terrain Vasco GT: Flottes Gravelbike aus Stahl im Dauertest
Gravelbike aus Stahl: Das Tout Terrain Vasco GT im Dauertest
Tout Terrain Vasco GT: Flottes Gravelbike aus Stahl im Dauertest
in Test & Teile
in Test & Teile
Mein morgendlicher Weg ins Büro könnte schöner kaum sein. Nach nur wenigen hundert Metern Stadtverkehr schlängelt sich meine Route über den Englischen Garten auf dem Isar-Radweg in den Münchner Norden hinaus. Keine Autos, keine Ampeln, dafür ein breiter moderater Schotterweg.
Camping mit dem Rad: Die Natur ruft!
Nach knapp 17 Kilometern mündet die morgendliche Sporteinheit über die Umkleidekabine frisch geduscht an den Schreibtisch. Ich gebe zu: Spätestens zur Mittagspause steigt meine innerliche Vorfreude auf die Rückfahrt in den Feierabend im Halbstundentakt spürbar an.
Tout Terrain Vasco GT Dauertest startet
Das Wetter spielt keine Rolle, schon oft habe ich mich aber bei der Überlegung ertappt, den Weg zurück in die Stadt noch ausschweifender zu gestalten. Mal hier und da rechts abzubiegen, über einen Trail noch tiefer ins Grüne einzutauchen.
Gepaart mit meiner Rennradaffinität könnte der ideale Begleiter nun ausfindig gemacht worden sein: das Gravelbike Vasco GT 28 Select 21.1 von Tout Terrain.
Die Breisgauer Manufaktur ist bekannt für die exzellente Fertigung von vielseitigen Gravelbikes. Das Vasco scheint mit seinen zahlreichen Ösen im Stahlrahmen sowie nicht allzu sportlicher Sitzposition auf den ersten Blick ein solches zu sein. Tägliches Pendeln oder mehrtägige Graveltouren – zu beidem fühle ich mich eingeladen.
Shimano 105 Schaltung
Auch optisch bin ich vom matten Olivton des Rahmens angetan, der fernab von Beliebigkeit stilvoll dezent auf mich wirkt. Die Ausstattung ist auf Funktionalität reduziert. Davon zeugen die Shimano 105er Schaltung mit 2×11 Gängen sowie die mechanischen TRP-Scheibenbremsen. Letztere lassen sich im Notfall einfacher reparieren als ein hydraulisches Model, was Unabhängigkeit schafft.
Gravelbikes: Reifen und Schlauchlos-System
Erfreut zur Kenntnis nehme ich ebenfalls die unterhalb des Lenkers angebrachten Spacer, mit deren Herausnahme die komfortable Sitzposition auch sportlich gestreckter ausfallen kann. Auch beim Blick auf das Preisschild bewegt sich das Vasco mit 1890 Euro in einem sehr attraktiven Segment – und will nun endlich auch die ersten Meter machen.
Erster Eindruck nach 17 Kilometern
Das Vasco passt! Als flinkes und talentiertes Gravelbike auf der Webseite angeboten, scheint mir Tout Terrain einen unkomplizierten Begleiter zur Seite gestellt zu haben. Bereits nach wenigen Kilometern begeistert mich die komfortable Rahmengeometrie ebenso wie die vergleichsweise breite Handauflage auf dem Lenker-Oberrohr.
Einfach-Schaltungen: Wenn weniger einfach mehr ist
Der Sattel ist großzügig gepolstert – ob dieser für ausgedehnte Touren taugt? Ebenso bin ich gespannt darauf, was mir Stahlrahmen und üppige 12,5 Kilogramm Gesamtgewicht bei Anstiegen abverlangen. Meine erste Pendelfahrt beende ich auf jeden Fall mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht – und freue mich auch schon sehr auf die nächste.
Tout Terrain Vasco GT: Offroad-Spaß mit viel Komfort
Lange hat es nicht gedauert, bis ich meine tägliche Pendelstrecke über den geschotterten Isar-Radweg um eine Tagestour im dreistelligen Kilometerbereich am Wochenende ergänzt habe. Gerade dort habe ich die stoßdämpfenden Eigenschaften des Stahlrahmens als perfekte Ergänzung zu einem rundum komfortablen Gravelerlebnis schätzen gelernt.
Moderate Sitzposition, breiter Lenker, geneigtes Sitzrohr, maximal vier Bar Reifendruck – es macht Laune, stundenlang im nicht zu weichen Selle Royal Vivo Athletic-Sattel zu sitzen. Erwartungsgemäß ist der Kraftaufwand für die Zeigefinger bei der mechanischen Scheibenbremse höher als bei einer hydraulischen. Spürbar wird das aber erst gegen Ende meiner 130-Kilometer-Tour.
Große Reifenfreiheit und hohes Gesamtgewicht
Die Reifenbreite von 47 Millimeter stellt einen überzeugenden Mix aus Griffigkeit im moderaten Gelände und minimiertem Rollwiderstand auf Asphalt dar. Sollte es auf noch „wilderes“ Offroad-Terrain gehen, können Pneus bis 54 Millimeter Breite aufgezogen werden. Etwas Abstriche bei der Leichtfüßigkeit muss man bei Anstiegen in Kauf nehmen – 12,5 Kilogramm Gesamtgewicht fordern am Berg spürbar einen höheren Krafteinsatz. Umso flotter flitzt es sich den Berg hinunter.
Tout Terrain Vasco GT: Geländegänger
Wir sind im Herbst angekommen, mein Vasco und ich, und das tägliche Pendeln auf dem Isarradweg bleibt weiterhin unsere Hauptdisziplin. Spritzige Antritte im Wiegetritt lassen das Gravelbike zügig auf Geschwindigkeiten im Mittzwanziger-Bereich bringen.
Die feinstollige Terra Trail-Bereifung von Continental bietet auch auf feuchten Schotterwegen verlässlichen Grip. 17 Kilometer in unter 45 Minuten: die Laufräder mit Ryde Andra 321-Felgen und Black Label TK-R1-Naben überzeugen mich mit ihrer Leichtläufigkeit.
3RIDES Festival 2022 – Europas größte Party rund ums Fahrrad
Ich gebe zu: Zwei der drei Spacer habe ich unter dem Vorbau gelegentlich schon rausgenommen, um auf Kurzstrecken noch sportlich gestreckter Platz zu nehmen. Auf meiner anstehenden Bikepackingtour werde ich wieder die moderatere Sitzposition durch erhöhten Lenker genießen.
Überzeugende Schaltperformance
Ein gelungener Mix, der auf die Vielseitigkeit einzahlt, mit der mich das Vasco bislang überzeugt. Mit der Shimano 105-Schaltung (Baureihe R7000) hat Tout Terrain die Einstiegsgruppe aus dem Rennradbereich verbaut. In Summe etwa 300 Gramm schwerer als die Ultegra-Gruppe, steht diese in puncto Schaltperformance ihrer „großen Schwester“ in nicht viel nach.
Gangwechsel zwischen Kurbel (46/30 Zähne) und Kassette (11-34 Zähne) verlaufen präzise. Für Freude bei Bergauffahrten sorgt zudem die großzügige Übersetzungsbandbreite. Auffallend bei Nässe: Auf die mechanischen TRP-Scheibenbremsen (160 Millimeter Durchmesser) muss erwartungsgemäß, und spürbar für die Zeigefinger, noch mehr Kraft einwirken.
Zwischenfazit nach 604 Kilometern
Das Tout Terrain begeistert mich durch seinen gelungenen Mix aus Geländetauglichkeit und Rennrad-Ersatz. An das vergleichsweise hohe Gesamtgewicht (12,5 Kilogramm) gewöhnt man sich schnell – und schätzt bei nassen Herbstausfahrten umso mehr die Spurtreue. Jetzt geht’s auf Bikepackingtour durchs Bayerische Oberland.
Tout Terrain Vasco GT: Flotter Gravelspaß auf Stahl
Das Beste kommt bekanntlich ja zum Schluss. Da macht auch mein Dauertest mit Tout Terrains Vasco GT 28 Select 21.1 keine Ausnahme. Fiel die Anfangszeit noch in die (zumeist) trockenen Hochsommermonate Juli und August, so war das Gravelbike ab September zunehmend der herbstlichen Witterung mit Nässe und von Laub bedeckten Waldböden ausgesetzt.
Wellness-Bereich: Ergonomie auf dem Gravelbike
Im Schlussdrittel bis Anfang Dezember stellten erste Minusgrade sowohl mich als auch das Material auf die Probe – und die tägliche Pendelstrecke auf dem geschotterten Isarradweg wurde zunehmend herausfordernder. Aber keinesfalls weniger attraktiv. Im Gegenteil: Gerade jetzt kamen viele Facetten der großartigen Fahreigenschaften des Vasco noch mehr zur Entfaltung.
Top Bremsverzögerung und satte Spurtreue
Angefangen von der satten Spurtreue aufgrund des vergleichsweise hohen Gesamtgewichts von 12,5 Kilogramm. Eine Eigenschaft, die auf rutschigem Laub und nassen Schotterwegen ein Sicherheitsgefühl erzeugte. Kein trügerisches: Gerade mit Beginn der Herbstmonate optimierte ich die Bremsverzögerung immer mehr und tastete mich vorsichtiger in Kurven hinein.
Ich behielt mein Gefährt stets unter Kontrolle, das Heck brach zu keiner Zeit aus. Selbstredend warteten auf von Blättern bedeckten Waldwegen zahlreiche Unwägbarkeiten. Wurzeln, Steine, andere kleine Hindernisse. Hier lernte ich die gutmütigen Dämpfungseigenschaften, die Stahlrahmen stets nachgesagt werden, ausgiebig kennen – und vor allem lieben.
Spürbar weicher als Aluminium- oder Carbonrahmen, habe ich bei Tout Terrains Dauertestrad dafür gerne den Preis des höheren Gewichts bezahlt. Und bei steileren Anstiegen etwas Spritzigkeit eingebüßt. Selbiges lässt sich auch der Stahlgabel attestieren: Moderate Stöße kamen sanfter in Handgelenken an.
Breiter Lenker mit Lenkanschlag
Weiter zahlte sich bei anspruchsvolleren Offroad-Touren der breit gewählte Rennradlenker aus. Mit großzügigen 440 Millimetern waren auch kniffligere Manöver über schmale Wege gut kontrollierbar möglich. Als Sicherheits-Feature hat die Breisgauer Manufaktur ihrem Vasco einen Lenkanschlag verpasst, der bei Stürzen eine 360-Grad-Drehung sowie mögliches Abreißen von Schalt- und Bremszügen verhindert.
Zum Einsatz kam diese Funktion glücklicherweise nicht – außer einem platten Hinterreifen hatte ich auf knapp über 1.100 Kilometern keine Zwischenfälle zu beklagen. Apropos: Auch beim abschließenden Rundum-Check hatte Werkstattleiter Florian Rebel keinen ungewöhnlichen Materialverschleiß zu beanstanden. Kette, Ritzelpaket oder Bremsbeläge: alles im zu erwartenden Abnutzungsbereich.
Auch die feinstolligen Terra Trail-Reifen von Continental hatten einen „vergleichsweise geringen“ Abrieb vorzuweisen. Etwas, das ich aus der Praxis nur bestätigen konnte: Die 40 Millimeter breiten Gravelpneus überzeugten mich bis zum Testende mit ihrem optimalen Mix aus Griffigkeit im leichten Gelände und geringem Rollwiderstand auf Asphalt. Und erwiesen sich damit als ideale Reifenwahl für ein Gravelbike, das genau diesen Spagat auch in Gänze bemerkenswert gut hinbekommt.
Moderat sportliche Sitzposition
Spritzige Antritte im Wiegetritt ließen das Vasco zügig auf Geschwindigkeiten im Mittzwanziger-Bereich bringen. Auch begünstigt durch die leichtläufigen TK-R1-Naben mit Ryde Andra 321-Felgen. Auf ausgiebigen Tagestouren über unbefestigte Wald- oder Schotterböden genoss ich die moderate, nicht zu sportliche Sitzposition – nachdem ich vorab alle drei zur Verfügung stehenden Spacer unterhalb des Vorbaus montiert hatte.
Der Selle Royal Vivo Athletic-Sattel erwies sich als nicht zu weich und beugte Ermüdungserscheinungen gut vor. Wenig überraschend war der Kraftaufwand der Zeigefinger zur Bedienung der Bremshebel der mechanischen TRP-Scheibenbremse höher als bei vergleichbaren hydraulischen Modellen.
Zuverlässige mechanische Scheibenbremsen
Spürbar wurde dies aber erst gegen Ende von Tagestouren im dreistelligen Kilometerbereich. Ihr Vorteil auf der anderen Seite: Im Notfall ist sie einfacher zu reparieren. Die verbaute Shimano 105-Schaltung lieferte, ähnlich ihrer 300 Gramm leichteren Schwestergruppe Ultegra, eine durchweg zuverlässige Schaltperformance ab.
Gangwechsel zwischen der FSA-Kurbel (46/30 Zähne) sowie dem Ritzelpaket (11-34 Zähne) verliefen bei regelmäßigem Putzen und Ölen präzise. Auch steileren Anstiegen von 15-18 Grad war das Vasco mit seiner großen Übersetzungsbandbreite gewachsen.
Zugegeben: Auf meiner mehrtägigen Bikepacking-Tour verstaute ich sämtliches Equipment in einem an der Black Label-Sattelstütze bzw. im Rahmendreieck befestigten Back- und Midloader. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Vasco außergewöhnlich viele Ösen am Stahlrahmen für allerhand Taschen oder Getränkehalterungen vorzuweisen hat.
Tout Terrain Vasco GT: Schlussfazit
Nach nun 1.124 Kilometern fällt es mir wirklich schwer, einen Schlussstrich unter die Testphase des Vasco GT 28 Select 21.1 zu ziehen. Zu sehr hat mich Tout Terrains gelungener Mix aus Geländetauglichkeit und Rennrad-Ersatz überzeugt.
Mit seinen 12,5 Kilogramm Gesamtgewicht nicht primär auf Performance ausgelegt, stechen umso mehr die komfortablen und sicheren Fahreigenschaften heraus. Mit einer vergleichsweise einfachen, aber durchdachten Ausstattung, gelingt Tout Terrain ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis.
Wird der Gravelbike-Markt doch klar von Aluminium und Carbon dominiert, so hat mir das Vasco ein halbes Jahr gezeigt, wie unterschätzt der Werkstoff Stahl bei dieser Radgattung (noch) ist.