E-Bike-Motoren: Antriebe für jeden Fahrradtypen – Panasonic und Mivice im Fokus
Mehr als nur Bosch & Co.
E-Bike-Motoren: Antriebe für jeden Fahrradtypen – Panasonic und Mivice im Fokus
in Test & Teile
„Ich will ein E-Bike, und zwar ein Bosch!“ – Diese Aussage hörten und hören zahllose Fahrradhändler in ganz Deutschland. Die E-Bike-Motoren des schwäbischen Traditionsunternehmens haben sich hierzulande geradezu zum Synonym für das E-Bike schlechthin entwickelt. Das hat natürlich einen Grund: Die Reutlinger haben als eine der ersten in Deutschland das Potenzial von E-Bikes erkannt. Die Mittelmotoren sind zuverlässig, selbsterklärend und technisch top. Das gleiche gilt für den zweiten großen Spieler im Markt, Shimano. Und doch lohnt es sich, einen Blick auf die nach unserem mitteleuropäischen Verständnis etwas exotischeren Anbieter zu werfen.
Panasonic: Big in Japan
Da ist zum Beispiel Panasonic. Japanische E-Bike-Fahrer sehen in deren Motoren in etwa das, was wir in Mitteleuropa in Bosch sehen: eine richtig große Nummer. Das Portfolio der Japaner ist dem der Schwaben dabei recht ähnlich.
Drei verschiedene Mittelmotoren decken nahezu den gesamten Einsatzbereich für E-Bikes ab – von E-MTB über Trekking und City bis hin zu Cargo-Bikes. Bei der Motorsteuerung ist Panasonic Vorreiter: Mit als erster Hersteller brachten die Japaner einen Automatik-Modus mit variabler, auf die jeweilige Fahrsituation angepasster Motorunterstützung auf den Markt. Heute sind diese Modi bei fast allen Herstellern Standard. Denn sie versprechen ein sehr natürliches Fahrgefühl: Der Motor unterstützt variabel, je nach Pedaldruck des Fahrers. Also genau so, wie auch beim klassischen Fahrrad die Kraft über die Kette ans Hinterrad abgegeben wird.
Was viele Fahrer – und auch manch ein E-Bike-Hersteller – bei Bosch bemängeln, ist das geschlossene System: Die Reutlinger liefern alles oder nichts: Motoreinheit, Displays, Akkus und Software. Nur zaghaft mit dem neuen Smart System können Hersteller und Fahrer auf die Motorabstimmung Einfluss nehmen. Ähnlich sieht es bei Shimano aus. Zwar ist hier die Motorfeineinstellung schon länger implementiert, auch Akkus von Drittanbietern funktionieren mit den Shimano-Antrieben. Wer aber das System bedienen möchte, braucht Schaltkulisse und Display direkt vom japanischen Fahrrad-Giganten.
Anders bei Panasonic: Die gibt es im Komplettpaket oder einzeln. Heißt: Das Display- und Steuerungsunternehmen Fit, einst entstanden im Haus des Panasonic-Großkunden Flyer, übernimmt von Panasonic die Motor-Hardware. Die Software, außerdem schicke Displays und eigene Bedieneinheiten, entstehen bei den Schweizern vor Ort in Huttwil. Im aktuellen Test ist das Flyer Upstreet 7 4.3 mit dem Fit-System und einem Panasonic GX Ultimate mit 75 Newtonmetern Drehmoment ausgestattet. Testergebnis: Sehr gut! Anmerkung: den ursprünglichen Drehmoment des GX Ultimate setzt Panasonic bei 95 Newtonmeter an.
Hersteller wünschen Freiheit
Der Vorteil für Fahrradhersteller liegt auf der Hand: Das Rahmendesign etwa ist deutlich freier, wenn mehr Motoren, Akkus und weitere Systemteile zur Auswahl stehen.
Dass die Branche diese Freiheit wünscht, zeigt sich auch bei Bosch. Die Schwaben haben mit dem neuen Smart System deutlich mehr Akkuvarianten, neue Displays und Bedieneinheiten, die ganz ohne Display funktionieren. Das war vor zwei, drei Jahren kaum denkbar.
Trend: Leichte E-Bikes
Ein weiterer Trend ist absehbar, auf den die etablierten Motoren-Hersteller derzeit noch nicht reagiert haben: Der Wunsch nach leichten, sehr natürlich zu fahrenden E-Bikes. In die Bresche springen hier weniger bekannte Anbieter, etwa Mahle aus Stuttgart und der chinesische Hersteller Mivice, der seinen Europasitz in Bamberg hat.
Auch wenn Mivice das gesamte Sortiment – Front- Mittel- und Heckmotoren – im Portfolio hat, kommen den leichten Heckmotoren eine Schlüsselrolle zu: „Der Heckmotor erfährt aktuell wieder einen Boom“, sagt dazu Steffen Krill, Marketingdirektor von Mivice Europe. „Gerade im Bereich der leichten Urbanbikes wird dieser gerne eingesetzt. In Verbindung etwa mit einem Riemenantrieb ist dies eine gerne gewählte Kombination für den täglichen, wartungs- und verschleißarmen Einsatz.“ Denn Heckmotoren wirken direkt aufs Laufrad, nicht auf die Kette oder den Riemen. Diese werden also wesentlich geringer beansprucht als bei Mittelmotoren.
Mivice-Sensorik ist stark gefragt
Ähnlich wie Panasonic bietet auch Mivice seine Komponenten nicht ausschließlich im Komplettpaket an. Derzeit etwa ist die Sensorik der Antriebe sehr gefragt. Denn hochwertige Systeme reagieren sehr feinfühlig auf Pedaldruck. Hier haben sich die Bamberger seit ihrer Gründung 2017 viel Knowhow und einen guten Ruf erarbeitet. Eine Komponente, von denen viele E-Bike-Besitzer nicht einmal wissen, dass sie von Mivice stammt. Nun aber sollen auch die Motoren deutlich mehr Absatz erfahren. Einen ersten Fahreindruck haben wir uns im Rahmen des Großen ElektroRad-Tests bereits verschafft: Im Tenways (Seite 76) und im Java (Seite 77) werkeln Hecknabenmotoren von Mivice mit Drehmomenten um 40 Newtonmetern. Die Fahrleistungen sind beeindruckend. Insbesondere deren jeweiliger Motor trägt zum guten Abschneiden der beiden Urbanbikes bei.
Apropos Newtonmeter: Der reine Wert ist wenig aussagekräftig. Denn newtonmeterstarke Mittelmotoren durchlaufen, bis sie ihre Kraft auf die Fahrbahn bringen, das Tretlager, die Kette und (meistens) die Schaltung. Das reduziert die Kraft, die über die Reifen aufgebracht wird. Somit sind Mittelmotoren mit 85 Newtonmetern und mehr durchaus mit Hecktrieblern mit 40 Nm vergleichbar.
E-Bike-Motoren: Verschiedene Charakteristika
Insgesamt aber sind auch die Charakteristika der beiden Motorgattungen unterschiedlich: Mittelmotoren haben für gewöhnlich eine interne Übersetzung, über die sie ihre Kraft aufs Tretlager abgeben. Daher drehen sie höher als Heckmotoren, die ihre Kraft direkt an der Nabe in der Rotationsgeschwindigkeit des Rades abgeben.
Deshalb arbeiten Mittelmotoren bei niedrigen Geschwindigkeiten gefühlt kraftvoller als Heckmotoren, die dafür mit zunehmender Geschwindigkeit immer souveräner ihren Schub entfalten. Da Mittelmotoren höher drehen und mehr bewegliche Teile haben als Heckmotoren, sind sie gewöhnlich auch lauter.
Jeder Fahrer ist anders
Am Ende ist jeder Fahrer anders. Wie es Rahmengeometrie, Sattel, Sitzposition und Schaltungen gibt, die mal besser und mal schlechter zu Ihren persönlichen Vorlieben passen, so lohnt es sich auch beim Motor, die gesamte Bandbreite an verfügbaren Systemen zu betrachten. Das geht bei der Ergonomie der Tasten am Lenker los, zieht sich über die Ablesbarkeit des Displays und endet noch lange nicht bei der Entfaltung der Motorunterstützung.
Auch Werte wie der Q-Faktor, die Gewichtsverteilung und das Gesamtgewicht der Antriebseinheit spielen eine große Rolle. Letztlich ist auch die Akkugröße ein Faktor, über den es sich nachzudenken lohnt.
Deshalb ist unser Großer ElektroRad-Test bestens geeignet, sich einen Überblick über die verfügbaren E-Bikes zu verschaffen. Die Entscheidung, welches das beste Pedelec für Ihre Bedürfnisse ist, können aber auch wir Ihnen nicht abnehmen.
E-Bike-Motoren von Panasonic und Mivice im Überblick
Name | Drehmoment | Gewicht |
Panasonic GX Ultimate | 95 Nm | 2,95 kg |
Panasonic GX Power | 60 Nm | 3,2 kg |
Panasonic GX Power Plus | 75 Nm | 3,2 kg |
Mivice M070 | >35 Nm | 1,7 kg |
Mivice M080 | >40 Nm | 2,5 kg |
Mivice M090 | >75 Nm | 4,5 kg |
Dieser Artikel erschien in der ElektroRad 1/2023. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.