E-Rennräder und E-Gravelbikes im Test: Sportliche E-Bikes
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E-Rennräder und E-Gravelbikes im Test: Sportliche E-Bikes
in Test & Teile
Dass der Fahrrad-Markt, insbesondere der für Elektroräder, gewaltig boomt, ist eine erfreuliche wie längst bekannte Nachricht. Die Verkaufszahlen des vergangenen Jahres 2020 machen dies mehr als deutlich: 38,7 Prozent der in Deutschland verkauften Fahrräder hatten einen E-Antrieb. Waren Anfang 2020 „nur“ 5,9 Millionen E-Bikes in deutschen Haushalten zu finden, so zählte das Statistische Bundesamt zu Jahresbeginn mit rund 7,1 Millionen satte 1,2 Millionen mehr.
Eine der unzähligen positiven Folgen des E-Bike-Booms: Elektronische Unterstützung wird immer flächendeckender auch in Rad-Gattungen verbaut, die noch vor wenigen Jahren gänzlich außen vor gelassen wurden. Im Jahr 2021 statten immer mehr Hersteller auch ihre Rennräder und Gravelbikes mit E-Motoren aus. Eine Entwicklung, die auf den ersten Blick Fragen nach der tatsächlichen Sinnhaftigkeit aufwerfen kann. Sind diese sportiven Radtypen nicht vorrangig auf Leistung und Performance mit ausschließlich eigener Muskelkraft ausgelegt? Überschreitet man nicht ohnehin permanent die Unterstützungsstufe von 25 Stundenkilometern und fährt so die Antriebssysteme die meiste Zeit unnötig spazieren?
Vielleicht in Teilen nachvollziehbar. Aber längst nicht für alle zutreffend und auf den zweiten Blick schlichtweg falsch.
E-Rennräder und E-Gravelbikes: Zielgruppen und Möglichkeiten
Die Daseinsberechtigung und Vorteile der E-Rennräder und E-Gravelbikes kristallisieren sich schnell heraus. Und die Zielgruppen verdichten sich. Zum Beispiel Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen, etwa nach einer Verletzung oder Erkrankung, erst wieder an einst gewohnte Belastungsgrenzen herantasten oder gewöhnen wollen. Mit einem E-Antrieb lässt sich ein schonender und kontrollierter Wiederaufbau der Form unterstützen.
Ein weiterer Vorteil: Leistungsunterschiede zwischen Trainingspartnern oder in Gruppen können mindestens minimiert, wenn nicht gar vollständig ausgeglichen werden. Auch bei der Zusammensetzung einer Gruppe bieten sich neue Möglichkeiten. Und: Ein unterstützender Elektroantrieb kann die Hemmschwelle herabsetzen, überhaupt erst mit dem Radfahren anzufangen. Wenn E-Rennräder oder E-Gravelbikes noch mehr Menschen zum Radfahren bewegen, kann diese Entwicklung wohl nur positiv bewertet werden.
Wo liegen, neben der Motorisierung, die wesentlichen Unterschiede zwischen Rennrädern mit und ohne Motor? Allen voran beim Gewicht, das bei den E-Modellen in der Regel zwischen fünf und acht Kilogramm höher ist. Neben der Antriebseinheit als Hauptfaktor müssen auch der Rahmen und manche Komponenten stabiler und folglich schwerer konstruiert werden. Das höhere Gewicht wirkt sich auf die Fahreigenschaften aus. Der Rahmen-Schwerpunkt wird durch die Antriebseinheiten, die bis zu einem Drittel des Gesamtgewichtes ausmachen können, noch klarer, zumeist mittig, definiert.
Straße und Schotter
Oftmals sind in den E-Gravelbikes stärkere Motoren und größere Akkus verbaut als in den E-Rennrädern. Zudem ist ihre Geometrie meist weniger sportiv, die Ausstattung robuster. Ein entscheidendes Kriterium für die Ausrichtung, und die Fahreigenschaften eines Modells, sind: die Reifen beziehungsweise die maximale Reifenfreiheit des Rahmens und der Gabel. Mittlerweile bieten viele Hersteller ihre Modelle in verschiedensten Ausstattungsvarianten an, auch die Gabeln lassen immer größere Reifenbreiten zu.
BH, Fuji und Trek verbauen an ihren Test-E-Rennrädern verhältnismäßig breite Pneus: 28, 30 und 32 Millimeter. Storck setzt mit 25 Millimeter auf minimalen Rollwiderstand und stellt das „reinrassigste“ Rennrad mit klarem Aerodynamik-Fokus. Im Testfeld am klarsten auf den Offroad-Einsatz ausgerichtet sind die E-Gravelbikes von Rose und Canyon. Sie rollen auf grobstolligen 45 beziehungsweise 50 Millimeter breiten Gravelreifen. Canyons in Sachen Design polarisierender Hover-Bar-„Doppel-Lenker“ überzeugte im Testverlauf, gerade im Langstrecken-Einsatz, durch seinen Federeffekt. Sowohl das Rose Backroad+ GRX RX 600 als auch das Canyon Grail:ON CF 7 sind je mit sehr drehmomentstarken Motoren von Shimano beziehungsweise Bosch ausgestattet.
E-Rennräder und E-Gravelbikes: Motoren und Akkus
Drehmoment, Lautstärke, Akkuleistung, Reichweite: Die sechs verschiedenen E-Antriebe der elf Testräder unterscheiden sich in vielen Merkmalen. Angefangen bei der Bauart. Von den eingesetzten Motoren wird nur der Mahle Ebikemotion X35 in der Hecknabe verbaut. Alle anderen sind Mittelmotoren, welche ihre Kraft mittels des Kettenantriebs auf das Hinterrad übertragen. Ein Vorteil dieser Bauart: Der Gewichts-Schwerpunkt liegt tief und zentral – was zu einer höheren Spurstabilität und besseren Kontrolle führt.
Motoren in der Hinterradnabe sind hingegen optisch deutlich unauffälliger. Die Leistungsdifferenz in unserem Test reicht von 40 Newtonmetern Drehmoment (Mahle Ebikemotion X35) bis zu 85 Newtonmetern Drehmoment beim Bosch Performance Line CX sowie dem Shimano EP8. Während die Grenzen des Mahle-Motors am Berg spürbar werden, schieben die Antriebe von Bosch und Shimano auch an steileren Anstiegen auf losem Untergrund enorm stark an.
Auch der erstmals in einem ElektroRad-Testfeld vertretene italienische Polini-E-P3-Antrieb überzeugt, auch und gerade bergauf. Jedoch ist er in den starken Unterstützungsstufen auch am deutlichsten von allen Test-Motoren zu hören. Bei den E-Rennrädern liefert der BH2ES Mag die kraftvollste Performance ab.
In den anderen drei E-Rennrädern ist je der Fazua-Evation-1.0-Antrieb verbaut, der den Modellen von Fuji, Storck und Trek ein natürliches Fahrgefühl mit einer „sanften“ E-Unterstützung verleiht. Die Kapazitäten der Akkus reichen von 250 bis 540 Wattstunden. Dementsprechend variieren die Reichweiten zwischen rund 90 und 140 Kilometern. Sie können jedoch bei den meisten Herstellern durch einen zusätzlichen Erweiterungsakku, der meist in einem Flaschenhalter Platz findet, vergrößert werden. Urwahn gelingt das optisch mit einer stilvoll-unauffälligen Lösung.
Wie weit komme ich mit meinem Akku?
Wie weit man mit einer Akkuladung tatsächlich kommt, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Erstens: Der Tritt-Frequenz – die meisten Motoren haben den höchsten Wirkungsgrad bei Frequenzen zwischen 75 und 90 Umdrehungen pro Minute.
Bewegt man sich in diesem Bereich, kann die Reichweite vergrößert werden. Zweitens spielen die absolvierten Höhenmeter und die Wahl der Unterstützungsstufen natürlich die entscheidende Rolle.
Rahmen und Schaltgruppen
Alle vier E-Rennräder sind mit Carbonrahmen sowie -gabeln ausgestattet. Vorteile gegenüber Aluminium: Gewichtsersparnis, direkte Kraftübertragung, reaktionsfreudiger. Bei den E-Gravelbikes setzen Lapierre, Cannondale und Giant auf Alu-Rahmen. Urwahn bedient sich als einziger Hersteller vollständig am Werkstoff Stahl mit seinen positiven Dämpfungseigenschaften. Neun der elf Testräder sind mit Carbongabeln ausgestattet, von denen die E-Gravelbikes von Urwahn, Giant, Rose, Cannondale und Lapierre Befestigungspunkte für Bikepacking-Equipment bieten.
Auch bei den Schaltungen setzen alle vier E-Rennradhersteller mit der Shimano Ultegra auf die gleiche Gruppe – Trek und BH mit der Di2 allerdings auf die noch flinker schaltende elektronische Variante. Weitere Unterschiede gibt es bei der Übersetzung. Bis auf Bassos Volta (Sram Apex 1) sind auch alle E-Gravelbikes mit gravelspezifischen Schaltungen von Shimanos GRX-Gruppe ausgestattet – bis auf Lapierres E-Crosshill 5.2 (2×11) mit 1×11 Gängen.
Bevor wir Ihnen auf den nächsten Seiten unser Testfeld im Detail präsentieren, sei vorab in jedem Fall versichert: Horizonte erweitern alle. Ob sportlich ambitioniert oder gemütlich in geselliger Runde.
Diese E-Rennräder und E-Gravelbikes haben wir getestet
Gattung | Marke | Modell | Preis |
E-Rennrad | Fuji | SL-E | 4599 Euro |
E-Rennrad | Storck | e:nario AE | 5999 Euro |
E-Rennrad | BH Bikes | Core Race C. 1.8 EC 181 | 6999 Euro |
E-Rennrad | Trek | Domane+ LT7 | 7999 Euro |
E-Gravelbike | Lapierre | E-Crosshill 5.2 | 2999 Euro |
E-Gravelbike | Cannondale | Topstone Neo SL1 | 3399 Euro |
E-Gravelbike | Rose | Backroad+ GRX RX600 | 4699 Euro |
E-Gravelbike | Canyon | Grail:ON CF 7 | 4999 Euro |
E-Gravelbike | Giant | Revolt E+ | 4999 Euro |
E-Gravelbike | Basso | Volta | 6190 Euro |
E-Gravelbike | Urwahn | Waldwiesel.E | 6499 Euro |
Die ausführlichen Testberichte der E-Rennräder und E-Gravelbikes lesen Sie in der ElektroRad 7/2021. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.
E-Rennräder und E-Gravelbikes: Die Testräder in der Bildergalerie
E-Rennräder und E-Gravelbikes im Test: Die E-Motoren
Bosch Performance Line CX
- Drehmoment: 85 Newtonmeter
- Akkuleistung: 500 Wattstunden
- Reichweite: rund 120 Kilometer
Der Bosch-Motor liefert mit 85 Newtonmetern mit das höchste Drehmoment im Test. Seine Modi: Tour, Eco, Sport, Turbo – mit bis zu 340 Prozent Unterstützung. In den schwächeren Stufen spricht der Antrieb sanft an. Der Schub im „Turbo“-Modus ist dafür sehr stark und überzeugt vor allem im bergigen Terrain.
Shimano EP 8
- Drehmoment: 85 Newtonmeter
- Akkuleistung: 500 Wattstunden
- Reichweite: rund 120 Kilometer
Shimanos EP8-Motor arbeitet mit einem Drehmoment von 85 Newtonmetern und lässt sich per App konfigurieren. Ab Werk sind die drei Modi Eco, Trail, Boost schubstark auf den Geländeeinsatz eingestellt. Er entfaltet seine Kraft recht geräuscharm und wiegt mit seinem Magnesium-Gehäuse 2,6 Kilogramm.
Polini E-P3
- Drehmoment: 70 Newtonmeter
- Akkuleistung: 500 Wattstunden
- Reichweite: rund 140 Kilometer
Der Mittelmotor liefert ein gutes Drehmoment von bis zu 70 Newtonmetern und starke 400 Prozent maximale Unterstützung. Sehr gut: Abgestuft auf fünf Modi, sorgt sein effizienter Energieverbrauch für die größte Reichweite im Test. Auffällig: Der italienische Motor ist während der Fahrt deutlich hörbar.
BH Bikes BH2ES Mag
- Drehmoment: 65 Newtonmeter
- Akkuleistung: 540 Wattstunden
- Reichweite: rund 150 Kilometer
Dank Magnesiumgehäuse wiegt der Motor nur 2,2 Kilogramm und bietet mit 65 Newtonmetern Drehmoment ordentlich Schubkraft. Über 25 km/h entkoppelt er sanft. Angesteuert wird er über einen sehr unauffälligen Druckknopf auf dem Lenkervorbau. Top: Auch bergauf äußerst geräuscharm.
Fazua Evation 1.0
- Drehmoment: 55/60 Newtonmeter
- Akkuleistung: 250 Wattstunden
- Reichweite: rund 90 Kilometer
Der Münchner Hersteller Fazua bietet mit dem Evation 1.0 einen sportiven Allrounder an. Verbaut an drei Testrädern, überzeugten vor allem das natürliche Fahrgefühl sowie die intuitive Bedienung. Steuern lässt sich der Antrieb über verschiedene Remote-Einheiten. Am hochwertigsten: Der RemoteFX-Knopf.
Mahle Ebikemotion X35
- Drehmoment: 40 Newtonmeter
- Akkuleistung: 250 Wattstunden
- Reichweite: rund 100 Kilometer
Der Mahle-Motor fällt auf den ersten Blick nicht auf – er ist in der Hinterradnabe verbaut. Die drei Modi leisten in jeder Stufe angenehme Unterstützungskräfte, die sich sanft zuschalten und für ausgewogene Fahreigenschaften sorgen. Gut: Mit Blick auf den filigranen Akku überrascht die hohe Reichweite.