Light-E-MTBs im Test: Leichte E-Mountainbikes im Vergleich
Kulturschock
Light-E-MTBs im Test: Leichte E-Mountainbikes im Vergleich
in Test & Teile
Beeindruckend starke Motoren und ein maximal leistungsstarker Akku für entsprechend hohe Reichweite – darauf liegt beim klassischen E-Mountainbike der Fokus. Eine gute Sache, schließlich sind das wünschenswerte Qualitäten für all jene, die in tagfüllende, intensive Geländeabenteuer starten. Je nach Preisklasse (günstige Parts wiegen mehr) und Modell geht mit manch top leistungsstarkem E-MTB indes ein wuchtiger Look und hohes Gewicht einher. E-MTBs mit rund 27 Kilo brauchen freilich mehr Krafteinsatz, will man sie flüssig durch technische Trails manövrieren.
Leichter, handlicher, natürlicher: Light-E-MTBs
Genau hier bildet das Konzept Light-E-MTB einen erfrischenden Gegenpol, der mittlerweile mit verschiedenen Antrieben und Modellen für diese Gattung richtig Tempo aufgenommen hat. Die konkrete Idee: Mithilfe weniger starker und deutlich kompakterer E-MTB-Motoren sowie kleineren – und deutlich leichteren Akkus – ein ernsthaft leichtes E-Mountainbike kreieren, dessen Handling sehr viel spielerischer daherkommt und dessen Fahrverhalten entschieden natürlicher anmutet.
Will heißen: Ein Light-E-MTB orientiert sich in puncto Fahrdynamik und Beschleunigung näher am nur per Muskelkraft betriebenen Mountainbike. Das bedeutet auch: Antriebsseitig Pionier war vor einigen Jahren der bayerische E-Antriebshersteller Fazua, wozu sich längst weitere Anbieter wie Specialized oder auch Shimano gesellt haben; letzterer in Gestalt eines auf 60 Nm gedrosselten EP8-Motors. Dieser findet so nur exklusiv im Orbea Rise Anwendung. Klares Ziel der Light-E-MTB-Bauer: die 20-Kilo-Marke zu reißen.
Luxuriöses Testfeld
Das Testquartett könnte exklusiver kaum sein: Gewaltige 47.497 Euro kosten die vier Light-E-MTBs im Test. Zweierlei begründet diese absolute Edelauswahl: Zum Testzeitpunkt konnten die Hersteller „nur“ ihre Topmodelle liefern; ferner wollte die Redaktion gerne veranschaulichen, welche Gewichte sich mit leichter Highend-Ausstattung realisieren lassen.
Insbesondere im direkten Gewichtsvergleich mit traditionellen „maximale Power“-E-MTBs beeindrucken die Gewichte. An die Spitze setzt sich das S-Works Turbo Levo SL mit gerade mal 17,56 Kilo, gefolgt vom neuen Trek Fuel EXe mit 18,75 Kilo. In etwa gleichauf zu den beiden US-Bikes liegt das spanische BH iLynx Trail, das zwar 20,07 Kilo auf die Waage stellt, dies allerdings mit einem, für Light-E-MTB-Verhältnisse, großzügigen 540-Wh-Akku und passgenau im Flaschenhalter fixierten 180-Wh-Zweitakku. Auf Platz vier schließlich liegt das bekannte Nox Helium AM mit 20,30 Kilo – kein Superleichtgewicht und trotzdem fernab von schwer.
Warum ist das Gewicht der Light-E-MTBs so gering?
Die geringen Gewichte der vier E-All-Mountains begründen sich dabei nicht allein durch die leichteren Kompaktmotoren und kleineren Akkus. Alle vier Bikes nutzen einen leichten Kohlefaserrahmen als Fundament und sind quasi mit noblen, gewichtsoptimierten Teilen gespickt. So rollen das Trek und Specialized auf schnellen Carbonlaufrädern, rotiert am Trek eine leichte e*13-Kurbel aus Carbonmaterial.
Selbstverständlich legen alle vier Hersteller die genannten Modelle auch in günstigeren (obgleich finanziell immer noch anspruchsvollen) Varianten auf. So startet das Trek preislich immerhin „schon“ bei 6499 Euro, basiert dabei auf dem gleichen Carbonchassis wie das getestete Topmodell. Das Mehrgewicht durch schwerere Anbauteile ist hierbei durchaus zu verschmerzen, schließlich erklärt sich eine tolle Fahrdynamik nicht ausschließlich mit geringem Gewicht.
Light-E-MTBs: Erfrischend anderes Fahrverhalten
Und mit reichlich Fahrdynamik gesegnet sind alle vier Light-E-MTBs im Test, wobei die einzelnen Charaktere sich markant voneinander unterscheiden. Was sie gemein haben: Ein tatsächlich angenehm natürlich geprägtes Fahrgefühl, das sich durch einen dezenteren, zugleich durchaus kräftigen Motorschub auszeichnet. Das Beschleunigungsverhalten der Bikes hat ganz klar Wumms, mutet aber eben nicht „raketenähnlich“ an, wie von so manchem Vollblut-E-MTB gewohnt, wenn man dieses in mittlerer oder gar höchster Fahrstufe bewegt. Mit dem Ergebnis, dass man sich am Volant der Light-E-MTBs als integraler, harmonischer Teil des Bikes und Vortriebs fühlt und – überspitzt formuliert – nicht als Passagier eines turbostarken E-MTBs.
Wer um den gewaltigen Vortrieb, den starke, „normale“ E-MTB-Motoren hervorbringen, weiß, empfindet die gemäßigte Power der Light-Motoren als erfrischend andersartig! Sie animieren dazu, sich engagiert tretend in den Vortrieb einzubringen – und belohnen stärkeren Pedaldruck mit noch kraftvollerer Unterstützung. So zu erleben beim Fazua-Motor des Nox, der im technischen Steilanstieg die nützliche, gewisse Extrapower generiert. Ohne deswegen seiner 1-a-Dosierbarkeit verlustig zu gehen.
Antriebskonzepte
Mit schön natürlichem Vortrieb glänzen auch die Antriebe von BH, Specialized und TQ (Trek), wobei sich das Trio dank jeweils schmalem Q-Faktor sehr natürlich pedalieren lässt. Am nachdrücklichsten nimmt man das am Trek wahr, das man jenseits der 25-km/h-Unterstützungsmarke wie ein normales Bike weiterbeschleunigt. Möglich macht’s der TQ-Antrieb, der dem Tritt quasi keinen Widerstand entgegensetzt. In puncto absoluter Motorpower und Schubkraft an steilen Rampen ist dem kräftigen Fazua Ride 50 Trail echte Konkurrenz erwachsen.
Einen etwas anderen Weg schlägt Specialized mit dem eigenen, ganz bewusst weniger starken Leichtmotor ein. Als Antrieb mit moderaterer Unterstützung fordert er vom Fahrer in steilerem Geläuf engagiertere Beinarbeit. Das Bikekonzept geht für Sportive auf, die sich stärker in den Vortrieb einbringen wollen, oder Biker, die so in einer Gruppe konditionell Stärkerer mithalten.
Erstmals beim Test eines Fazua-Motors, erlebte die Redaktion im Testlauf des Nox mit Fazua Ride 50, dass der Motor nach der ersten Testrunde bereits bei moderater Steigung regelmäßig für etwa bis zu drei Sekunden seine Unterstützung einstellte. Laut Fazua ein Einzelfall, den der Antriebshersteller nach Fehleranalyse im Fazua-Service so erklärt: „Das Auslesen des Fehlerprotokolls hat in diesem Fall ergeben, dass ein Fehler an der Sensorelektronik vorlag. Dies hat zur Folge, dass der Ride 50 die Unterstützung nicht optimal berechnen kann. Dieser Fehler führt dann zu den im Test aufgetretenen Aussetzern der Motorunterstützung. Durch den Austausch eines Bauteils konnten wir den Fehler schnell beheben und das Testbike wieder in vollem Umfang einsetzbar machen.“
Fazit
Die vier Light-E-MTBs sind unterschiedlichen Charakters. Während das Nox ob langhubigerem, sehr schluckfreudigem Fahrwerk und flacheren Lenkwinkels der Konkurrenz auf groben Abfahrten enteilt, punktet Treks Fuel EXe als potenter E-All-Mountain-Alleskönner, der bergauf und -ab gleich stark agiert.
Auch das BH iLynx Trail überzeugt als allroundiges, umtriebiges E-All-Mountain, das gekonnt mit Enduro-Rennwürze abgeschmeckt ist.
Das quirlige, tourigere Specialized hat in derben Steilabfahrten das Nachsehen: Hier verhindert der kürzere Hauptrahmen bessere Manövrierbarkeit, der steilere 66°-Lenkwinkel Laufruhe. Der Test zeigt außerdem: Light-E-MTBs zaubern mit Qualitäten wie geringem Gewicht, weniger kraftraubendem und agilerem Handling sehr viel Fahrspaß auf den Trail, der richtungsweisend für das gesamte E-MTB-Metier sein könnte. Somit ist das Fahrerlebnis Light-E-MTB unbedingt als erfreulicher, erfrischender Kulturschock zu werten!
Diese Light-E-MTBs haben wir getestet
Marke | Modell | Gewicht | Preis | Prädikat |
BH | iLynx Trail Carbon Pro 8.9 | 20,07 kg | 9099 Euro (inkl. Zusatzakku) | |
Nox | Helium All-Mountain 5.9 Pro Phantom | 20,30 kg | 8899 Euro (inkl. Zusatzakku) | |
Specialized | S-Works Turbo Levo SL | 17,56 kg | 14.500 Euro | |
Trek | Fuel Exe 9.9 XX1 AXS | 18,75 kg | 14.999 Euro | Empfehlung |
Die ausführlichen Testberichte der Light-E-MTBs lesen Sie in der ElektroRad 6/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.