Randonneure 2020 im Test: Schnelle Fahrräder für sportliches Reisen
Individuell und schnell
Randonneure 2020 im Test: Schnelle Fahrräder für sportliches Reisen
in Test & Teile
Ein Bild, gemalt mit den Rahmenfarben eines üblichen Testjahrgangs, wäre ganz schön düster. Schwarz, Anthrazit, Grau, das sind die vorherrschenden Töne. Einzelne Pinselstriche brächten ein paar strahlende Akzente ins Gemälde. Ganz ähnlich eintönig sieht es mit den Formen, Materialien und Komponenten der Testräder aus. Von preisbedingten Varianten einmal abgesehen. Der Markt besteht, ganz pessimistisch gesagt, aus einem echten Nullachtfuffzehn-Einheitsbrei. Das Angebot wirkt beliebig und austauschbar. Wer Abwechslung sucht, tut sich meist schwer.
Halt, stopp! Genug der Schwarzmalerei! Erstens ist es in der Realität doch nicht ganz so düster. Und, wer Abwechslung sucht, muss sich nur umsehen, dann findet man sie auch. Und wer etwas ganz Persönliches haben möchte, ein echtes Unikat, der geht zu einem Rahmenbauer. In den Manufakturen, also dort, wo auch der Rahmen vor Ort in Handarbeit hergestellt wird, bekommt man Rahmen und Rad meist sogar auf den Leib geschneidert.
Eigene Gründe für Randonneure
Warum man etwas ganz Individuelles sucht, kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Für manch Fahrrad-Verrückte muss es einfach nur die Abwechslung sein, manchmal ist rein Extravaganz die Triebfeder. Manchmal träumt man schon lange von einer ganz bestimmten Zusammenstellung oder einfach davon, ein ganz genau zugeschnittenes Rad zu besitzen. Aus purer Not an wirklich passendem Angebot. Zum Beispiel, wenn man besonders klein oder groß gewachsen oder schwer ist. Oder man weiß einfach, um wie viel besser sich ein maßgeschneidertes Rad anfühlt. Dazu gehört eine gewisse Erfahrung. Nicht unbedingt eine leidvolle, aber eben eine Erfahrung mit dem üblichen Angebot.
Gerade wer viel fährt im Alltag und viele, lange Radreisen unternimmt, wendet sich an die Manufakturen. Viele Kilometer im Sattel werden deutlich angenehmer, wenn das Rad perfekt passt. Für diesen Test sind solche Fahrer das Vorbild. Es geht uns hier aber nicht um die schwer bepackten Globetrotter, die, spitz gesprochen, ihren ganzen Hausstand durch die Länder fahren. Uns geht es um Fahrer, die auf leichten, sportlichen Rädern gerne zügig fahren und ihr Gepäck am liebsten reduzieren. Die idealen Gefährten dafür können die hier vorgestellten acht Randonneure sein.
Randonneure: Könner für Kenner
Naturgemäß überschwemmen die Manufakturen den Markt nicht gerade mit ihrem Angebot. Weswegen sie teils nur einem engeren Kreis bekannt sind. Bendixen, Guylaine, Krautscheid, Agresti gehören am ehesten dazu. Patria und Norwid sind schon verbreiteter. Nicolai ist auch nicht klein, aber vor allem Mountainbikern ein Begriff. Und Krabo kennen ältere Radsportbegeisterte wahrscheinlich ganz gut.
Um ein Rad ganz auf die Kunden abzustimmen, gehört mehr dazu, als mit Metall und Flamme umgehen zu können und einen Rahmen aus vielen Einzelteilen sinn- und kunstvoll zusammenzusetzen. Vermessen, Zuhören, Verstehen sind essentielle Aspekte dabei. Nur so werden am Ende alle zufrieden sein. So viel Zuwendung und Einsatz von Zeit und Material kann nicht ganz billig sein. Deshalb kostet ein individuelles Rad schnell ein paar Tausend Euro. Man bekommt aber auch viel dafür. Übrigens zeigt Krabo, dass ein Fahrrad mit Maßrahmen schon ab etwas über 2000 Euro zu haben ist.
Was macht einen Randonneur aus? Definition und Eigenschaften
Diese Randonneure haben wir getestet
Marke | Modell | Preis | Prädikat |
Krabo | Zona | 2350 Euro | Preis/Leistung |
Guylaine | NVC1200 | 3339 Euro | |
Patria | Randonneur Zona 27,5“ | 4112 Euro | |
Krautscheid | Randonneur Classic | 4386 Euro | |
Bendixen | Randonneur | 4490 Euro | Preis/Leistung |
Agresti | Gravel Road | 4500 Euro | |
Norwid | Skagerrak Randonneur | 5747 Euro | |
Nicolai | Argon CX PI | 7349 Euro |
Die ausführlichen Tests der Randonneure lesen Sie in der aktiv Radfahren 3/2020. Hier können Sie die Ausgabe als Print oder E-Paper bestellen!
Die getesteten Randonneure in Bildern
Ähnlich, nicht gleich
Die Räder in unserem Test sind alle prinzipiell für zügiges Reisen auf Asphalt ausgelegt. Es gibt also gewisse Gemeinsamkeiten wie der gebogene Rennlenker und die üblichen Bremsschalthebel. Aber eigentlich fangen die Unterschiede da schon an.
Denn am Rad von Nicolai wird das als wenig sportlich leicht geltende Pinion-Getriebe mit dem üblichen Drehgriff bedient. Der ist zentral auf den Rennlenker geschoben. Auch sonst gibt es bei der Schaltung Unterschiede: Üblich und auch hier verbreitet ist eine Zweifach-Rennrad-Kurbel – meist Shimano, am Krautscheid Campagnolo. Mit moderater Abstufung und Trekking-Kassette wird der Antrieb breit aufgestellt. Er ist damit touren- und sogar gut bergtauglich, hält aber auch noch Spurt-Gänge parat. Davon weichen dann Norwid mit einer Rohloff-Schaltung, bedient über Rennradhebel, und Agresti mit einer 1×11-Kettenschaltung ab.
Man kann noch nicht einmal sagen, dass alle acht eine sehr ähnliche Fahrcharakteristik haben. So „ziehen sich“ das Patria und das Krabo deutlich gerade, während die anderen, mehr oder weniger, agil ausfallen. Was alle doch ein bisschen eint, sind eine gewisse Agilität im kurzen Heck und eine spürbare Antrittsfreudigkeit.
Alltagsausstattung der Randonneure im Test
Alle acht Kandidaten kommen auch bei der Alltagsausstattung zusammen. Schutzbleche, Lichtanlagen und Gepäckträger gehören zum nötigen Equipment für Alltagsfahrten und machen auch sonst Sinn. Dadurch werden die Räder zwar etwas schwerer. Ihre Masse ist mit rund 12 bis 15 Kilogramm aber noch sportlich.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es dagegen beim Seitenständer. Gerade, wenn es um Gewicht geht, wird er gerne weggelassen. Und nicht alle Fahrer vermissen ihn im Alltag. Wir finden, dass eine Parkstütze sehr praktisch ist, immer. Dennoch haben wir im Sinne der Sportlichkeit die Bewertung etwas milder ausgeführt.
Viel oder wenig Gepäck
Alle Räder haben einen Gepäckträger an Bord. Passend zum schnellen Reisen mit weniger Gepäck, fallen die meisten eher schlank aus und sind nicht so tragfähig wie die Reiseträger am Guylaine, Norwid oder Krabo. Nicolai geht mit einer sehr reduzierten Variante stark ins urbane Milieu. An den meisten Testrädern lassen sich auch Frontträger, Lowrider, montieren. Sie vergrößern die Lademöglichkeiten.
Wichtiger noch als diese Optionen ist die Belastbarkeit des Rades. Sie entscheidet letztlich, abhängig von Fahrrad- und Fahrergewicht, über die Transportbeschränkungen. Da gibt es im Test große Unterschiede. Mit insgesamt rund 120 Kilogramm werden die Reisen wahrscheinlich weniger weit und aufwändig, dafür etwas sportlicher ausfallen. Mit bis zu 150 Kilogramm Gesamtgewicht kann es schon auf Weltreise gehen.
Mehrheitlich Stahl
Für die Basis, also Rahmen und Gabel, ist das am häufigsten eingesetzte Rahmenmaterial eindeutig Stahl. Das gilt allgemein und für diesen Test. Bei uns kommt einmal Aluminium zum Einsatz, nämlich bei Nicolai.
Sonst wird oft auch noch Titan verarbeitet und Edelstahl. Aluminium ist tatsächlich eher selten. Stahl und Titan wirken klassischer und besitzen komfortable, langlebige Eigenschaften. Das macht sie für Rahmenbauer sehr interessant.
Alles von Hand gemacht
Eines gilt für alle Räder: Sie sind von Grund auf in vielen Arbeitsstunden und -schritten händisch aufgebaut, mit Sachverstand, Herzblut und mit viel Liebe zum Detail. Das merkt man im Ergebnis an jedem einzelnen Testrad. Und alle Räder sind Unikate. Es macht die Bewertung nicht immer einfach, wenn alles individuell variierbar ist und die Räder nur eine Art Momentaufnahme sind.
Für Kunden sind die Möglichkeiten aber in den meisten Fällen fast grenzenlos. Solange es Sinn macht, lässt jeder Maßrahmenbauer über alle Details mit sich reden. Die Farbe ist da die kleinste Hürde. Schließlich bieten schon viele große Hersteller hier einige Optionen an. Der Farbkasten besteht also durchaus aus mehr als Grau und Schwarz. Man muss sich nur umschauen.