Reiseräder 2024 im Test: Fahrräder für die Radreise
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Reiseräder 2024 im Test: Fahrräder für die Radreise
in Test & Teile
Was nehmt ihr mit? Eine der am heißesten und kontrovers diskutierten Fragen unter Radreisenden ist nicht die nach Kleidung, Geld, Zelt oder Technik. Es ist die nach Werkzeug und Ersatzteilen. Denn selbst die zuverlässigsten Räder sind nicht immun gegen Unfälle und Schäden. Sie können das Risiko aber auf ein Minium reduzieren. Lässt man es also darauf ankommen oder geht man auf Nummer sicher. Wir Deutschen tendieren wohl eher zu Letztem. Taschen voller Werkzeug und Ersatzteile mögen in unserer Versicherungsmentalität oder unserem Heimwerker-Gen begründet sein. Die Frage dreht sich aber auch um Packvolumen, Gewicht, Kraft, Reiseziel und Dauer, um rechte und linke Hände und auch darum, was das Rad so tragen kann. Viele der Faktoren sind individuell. Den Modellen im Reiseräder-Test kann man da ruhig einiges zumuten. Die vertragen das schon.
Reiseräder: Alte und neue Möglichkeiten
Beim Thema Reiseräder hat man ein sehr spezifisches Bild vom vollgepackten Zweirad vor Augen. Das entspricht weitestgehend der Realität, wird aber in den letzten Jahren, aus europäischer Perspektive, immer mehr vom Bild der Bikepacker unterbrochen. Die Möglichkeiten, Gepäck direkt am Rahmen, Gabel, Lenker zu montieren, werden vor allem an Gravelbikes und auch Mountainbikes genutzt und bieten sich primär für leichtere Ausrüstung an. Sie haben das Angebot auf jeden Fall erweitert. Der Test konzentriert sich zwar auf die europäisch klassische Version mit Gepäckträger und Lowrider, kommt aber nicht ganz ohne die Variation Gravelbike aus.
Im Prinzip kann ohnehin fast jedes Rad jeder Preisklasse ein Reiserad sein. Es hängt davon ab, wo, wie weit, wie lange und mit wie viel Gepäck man unterwegs sein will. Man muss sich dabei im Klaren sein, dass ein günstiges Rad für die Stadt bei Reisen schnell an seine Grenzen kommt und im Ernstfall auch gefährlich werden kann, wenn zum Beispiel Bremsen versagen oder Rahmen und Komponenten nicht stabil genug sind.
Das volle Potenzial
Anders bei den neun ausgewiesenen Spezialisten in diesem Test. Sie sind von der Kon- struktion her und auch von der Ausstattung und der Belastbarkeit auf große Herausforderungen ausgelegt. In den oberen Preisklassen steigert sich die Tauglichkeit tendenziell weiter. Man kann sich sicher sein, dass die Rahmen hochwertig und belastbar sind und auch alle Anbauteile. Billig – und nervige oder gar gefährliche – Kompromisse findet man normalerweise nicht oder nur sehr selten. Die Räder sind darauf ausgelegt, Radreisende auch auf entlegenen Strecken glücklich zu machen, sie die Reise genießen und nicht mit Problemen kämpfen zu lassen.
Das Testfeld belegt das eindrucksvoll mit hochwertigen und teils sehr ausgeklügelten Details. Was im Umkehrschluss eben nicht ohne Wirkung auf den Preis bleibt: Das günstigste Rad im Test ist das TX-1000 der vsf Fahrradmanufaktur, gefolgt vom Rennstahl 853 Pinion SE. Beide sind noch für unter 5000 Euro zu haben. Das teuerste Rad im Test ist mit fast 9000 Euro das oPinion von Idworx. Dabei hat es „nur“ einen Alu-Rahmen, kommt aber mit allerlei Details und Komponenten nah an das Maximallevel heran. Tatsächlich sind die beiden Titanräder von Falkenjagd und Poison noch ein gutes Stück „günstiger“, während sich die Testräder von Velotraum, Tout Terrain, Koga und Patria im Bereich von gut 5300 bis 6200 Euro positionieren.
Man kann die aktuellen Preise ruhig als exorbitant einstufen. Wegen der Qualität ist das im Prinzip auch gerechtfertigt. Die allgemeine Kostensteigerung dreht aber ordentlich mit am Preis-Glücksrad. Koga reagiert darauf mit Tagespreisen – was fast absurd konsequent erscheint.
Schaltzentrale als Dauerläufer
Für diese Premium-Reiseräder kommen für uns nur hochwertige und erwiesen haltbare Getriebeschaltungen in Frage. Sie verringern zudem den Wartungsaufwand deutlich. Das trifft klar auf „die Rohloff“ aus Fuldatal zu. Dem Planetensystem für die Hinterradnabe kann als Dauerläufer bisher kein anderes Getriebe das Wasser reichen. Der zweite Typ, der dafür in Frage kommt, ist das im Tretlager eingesetzte Stirnradgetriebe von Pinion. Hochwertig konstruiert, trifft es auf sehr viel Begeisterung. Die Schwaben bauen den Zahnradblock gleich in mehreren Versionen. Gerade das Spitzenmodell mit 18 fein abgestuften Gängen hat eine unübertroffene Übersetzungsbandbreite, die ein Entscheidungskriterium sein kann, wenn etwa das Relief viel Abwechslung bietet.
Rohloff und Pinion besitzen aber grundsätzlich ein voll ausreichendes Gangspektrum. Auch sonst tun sich die beiden praktisch nicht viel. Beide Schaltungen sind voll gekapselt und unter fast allen Witterungsverhältnissen einsatzbereit. Für welches der unverwüstlichen Getriebe man sich letztlich entscheidet, hängt vom Geschmack ab oder ob man sich mit dem Rahmen andere Schaltoptionen offenhalten will oder man eher einen zentralen Schwerpunkt und ein leichteres Heck bevorzugt.
Zur Kraftübertragung wird oft der sehr hochwertige und wartungsarme, aber auch umsichtig zu handhabende Riemenantrieb eingesetzt. Alternativ kommt immer noch die gute, alte, dafür pflegebedürftigere Kette in sehr robusten Premiumausführungen zum Einsatz.
Alles dreht sich um Ausfallsicherheit
Verlassen können muss man sich auch auf die Bremsen. Hydraulische Scheibenbremsen mit für Gepäcktransport ausreichend großen Scheiben (mindestens 180 Millimeter) vorne und hinten sind der Standard. Für noch mehr Bremskraft sorgen noch größere Rotoren oder Bremsen mit vier statt zwei Kolben, wobei die Gabeln und die Laufräder auch stabil genug sein müssen. Die Qualität der Bremsen ist auf diesem Niveau ohne Tadel.
Weil sie weniger anfällig und leichter zu reparieren sind, bleiben mechanische Scheiben- und Felgenbremsen weiter beliebt, sind aber nicht so standfest und spielen im Test eine untergeordnete Rolle.
Ausfallsicherheit und Stabilität gelten letztlich für alle Komponenten. Deshalb sind zum Beispiel auch die Laufräder idealerweise mit doppelt endverstärkten Speichen und breiten Naben mit großen Steckachsen aufgebaut. Eine auch unter schlechten Bedingungen zuverlässige Lichtanlage hilft unterwegs und im Alltag. Mit den edlen Nabendynamos von SON bekommt man aktuell die bestmögliche Qualität.
Starkes Gerüst
Ganz zentral für den Preis und den, sicheren, Fahrgenuss sind die Rahmen und Gabeln. Während anfälliges Carbon bei den Rahmen aus gutem Grund keine Rolle spielt, kommt es für den leichteren Bikepacking-Einsatz als Gabelmaterial durchaus in Frage. Vor allem hochwertiger Stahl als Rahmen- und Gabelmaterial dominiert weitergehend das Reiseradangebot. Aufgrund seiner Robustheit bei gleichzeitigem Komfort ist das nachvollziehbar. Im Test setzt knapp die Hälfte auf hochwertigen Stahl. Ähnliche Eigenschaften, bei gesteigerter Unempfindlichkeit (kein Rost und noch fester) bietet Titan, das aber auch die Kasse stärker beansprucht. Dafür halten die Räder „ewig“. Rahmen aus hochwertigen Aluminiumlegierungen können Reiseräder leicht machen bei sehr gezielten technischen Eigenschaften des Rahmens, im Test immerhin mit drei Rädern vertreten.
Dazu kommen in allen Fällen hoher Konstruktionsverstand und aufwendige, teils perfektionistische Detailarbeit, die sich ganz in den Dienst genussvollen Reisens und voller Zuverlässigkeit in allen Ecken der Welt stellen. Wer „weiße Flecken“ der Landkarte entdecken möchte, sollte Kapazitäten für viel Gepäck haben. Das bezieht sich nicht nur auf den Platz an den Gepäckträgern hinten und vorne. Sondern vor allem auf das mögliche Gesamtgewicht des Rades. Im Test bieten die Räder ein Systemgewicht von eher knappen 130 bis reichlichen 180 Kilogramm. Nach Abzug von Rad- und Fahrergewicht bleiben dann in vielen Fällen große Reserven für viel Gepäck, Lebensmittel und Wassertransport – der nicht unterschätzt werden sollte.
Wenn man sich auf sein Rad wirklich verlassen kann, muss man auch keine Angst vor dem vielen Gepäck haben. Man kann sich daran gewöhnen und man kann das Fahren damit trainieren. Das gilt sowohl für das Fahrverhalten als auch für die eigenen Muskeln. Und wenn dann unterwegs immer wieder ein bisschen was dazu kommt – das wird es unweigerlich – gewöhnt man sich auch daran wieder schnell. Am Ende wundert man sich vermutlich, wie man mit einem über 50 Kilogramm schweren Gefährt die Berge hochkommen konnte.
Aus dem Test
Im Vergleich der Besten können wir trotzdem drei Gewinner ausmachen: Idworx, Tout Terrain und Velotraum. Sie alle bringen die nötige Souveränität mit, überzeugen durch ihre Fahreigenschaften ohne und mit Gepäck. Weder sind sie unbeladen zu hart noch beladen zu weich. Die Abstimmung zwischen Geradeauslauf und Lebendigkeit, Bergauf- und Bergabfahren sowie Tempo und nicht zuletzt eine ausgeprägte Sicherheit bei sehr guter Ergonomie und Komfort bringen letztlich die Spitzenpositionen. Schwächen leisten sie sich, wenn nur minimal. Wer die Räder live erlebt hat, weiß was gemeint ist.
Nimmt man rein die Fakten, wäre allein das Idworx die Krönung im Testfeld. Für seine bis an die Perfektion reichenden Details und Komponenten muss man aber einiges an Geld sammeln. Das Velotraum-Testrad geht manche Punkte dagegen eher etwas klassisch an, wie etwa den Gepäckträger mit einer Einhängebene oder die Schnellspanner-Achsen. In Summe ist das Ergebnis aber unbedingt überzeugend und sportlich dynamisch. Und das Tout Terrain pirscht sich auch dank spannender technischer Details, wie dem angeschweißten Gepäckträger, und trotzdem mit wahrer Gelassenheit ins Spitzentrio.
Natürlich weiß das ganze Feld zu überzeugen. Alles andere wäre auch überraschend. Die eine oder andere Kleinigkeit stört hier und da aber doch. Trotzdem drückt das enge Notenspektrum die allgemein sehr hohe Qualität aus. Mit den Rädern kann man seinem Werkzeug also ruhig die Welt zeigen.
Diese Reiseräder haben wir getestet
Marke | Modell | Preis | Prädikat |
VSF Fahrradmanufaktur | TX-1000 | 4799 Euro | |
Rennstahl | 853 Pinion SETestbrief | 4910 Euro | |
Tout Terrain | Tanami II 29 Select 3.1 | 5349 Euro | Empfehlung |
Velotraum | VK10 VT900 | 5632 Euro | Empfehlung |
Koga | Worldtraveller S | 5815 Euro | |
Patria | Tribos | 6263 Euro | |
Poison | Argentum Pinion | 7399 Euro | |
Falkenjagd | Hoplit RTestbrief | 7754 Euro | |
Idworx | oPinion Trekking | 8818 Euro | Empfehlung |
Die ausführlichen Testberichte der Reiseräder lesen Sie in der Radfahren 7/2023. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.