Riemen versus Kette: Der bessere Antriebsstrang
Antriebsstrang am Rad: Ist der Riemen besser als die Kette?
Riemen versus Kette: Der bessere Antriebsstrang
in Test & Teile
Pro Riemen: Abgeschmiert!
Ein Kommentar von Stephan Kümmel
Kürzlich habe ich an dieser Stelle dargelegt, wie gerne ich mit meinem kompakten Lastenrad unterwegs bin. Es ist mein Alltagsrad. Ich fahre damit ins Büro, zum Einkaufen und hin und wieder die 15 Kilometer zur Kompostierungsanlage, um den Grünschnitt aus dem Garten wegzubringen. Kurz: Fast jeden Tag sitze ich auf diesem Bike und erziele entsprechende Kilometerleistungen. Dabei ist Wartung und Pflege für mich eher notwendiges Übel als echte Freude. Darum schwöre ich bei diesem Rad auf seine hochwertige Nabenschaltung und – fast ebenso wichtig – auf den Riemenantrieb. Korrekt zentriert und gespannt verrichtet er stoisch unbeeindruckt von Schmutz, Regenwasser und Temperaturschwankungen seinen Dienst. Ich muss ihn weder von einem dick mit Staub verkrusteten Ölfilm befreien, noch tiefergehend reinigen und auch nicht ständig nachfetten. Er funktioniert einfach.
Einfache Routine
In der Freizeit bin ich oft mit meinem Mountainbike unterwegs. Natürlich hat das eine Kette. Da ist klar: Wenn ich nach Hause komme, steht Pflege auf dem Plan. Ich selbst gehöre dann unter die Dusche, aber auch das Rad muss geputzt werden – inklusive Kette, das ist ja Ehrensache. Aber hier preise ich das mit ins Hobby ein. Das gehört zur Mountainbike-Runde wie der Trail unterwegs und das alkoholfreie Weizenbier nach der Tour. Wenn ich aber zum Einkaufen fahre, hab ich keine Lust, anschließend noch den Putzlappen zu schwingen.
Natürlich weiß ich, dass ich nicht nach jedem kurzen Weg das gesamte Rad pflegen muss. Aber hin und wieder wird es nötig – meistens dann, wenn es mir überhaupt nicht in den Kram passt. Dann heißt es alten Dreck abschrubben, Kettenglieder sauber polieren, neu einfetten, später dann das überschüssige Öl oder Fett abreiben. Auch meinen Riemen mache ich ab und zu sauber. Dabei reicht mir aber ein wenig Wasser und ein Lappen. Zeitaufwand: weniger als fünf Minuten. Gleichzeitig kann kein Schmiermittel meine Hosenbeine verdrecken. Denn der Riemen braucht kein Öl. Ein weiterer Vorteil des Riemens: Er ist gänzlich unempfindlich gegen Salzwasser und Feuchtigkeit insgesamt. Es reicht nach einer langen Winterfahrt also, das Streusalz grob abzuspülen. Verfahre ich so mit einem Bike mit Kettenschaltung, sind Rost und Verschleiß vorprogrammiert.
Dass die Kette – vor allem in Kombination mit einer Kettenschaltung – effizienter läuft, also weniger Reibungsverluste hat als der Riemenantrieb, ficht mich nicht an. Denn das stimmt nur, wenn die Kette einwandfrei gewartet und geschmiert ist. Einmal richtig eingestellt, läuft mein Riemen hingegen fast immer gleich effizient. Im Alltag haben Reifendruck, Untergrund und Fahrtwind ohnehin einen deutlich höheren Einfluss auf die gesamte Effizienz als die Kette oder der Riemen.
Und dann ist da noch die Laufleistung. Eine Kette hält etwa 10.000 Kilometer. Oft sogar deutlich weniger lang, gerade wenn eine Kettenschaltung dazugehört. Da die Kette dann immer wieder schräg läuft, erreicht sie schnell ihr Lebensende. Der Riemen hält im Schnitt etwa zweieinhalb Mal so lange durch. Sagt zumindest Gates, der führende Hersteller. Ich habe diese Laufleistung noch lange nicht erreicht. Nach zwei Jahren stimmt jedenfalls die Riemenspannung (die man bequem per App prüfen kann), auch Verschleiß ist bis dato nicht zu erkennen. Darum erübrigt sich auch das Gegenargument, dass es eines speziellen Rahmens bedarf, um den Riemen zu wechseln. Zwar stimmt das meistens. Der Riemen meines Bikes etwa hat eine verschraubte Öffnung. Ohne ließe sich der Riemen nicht anbringen. Immer mehr Hersteller aber entwickeln Rahmen, an denen der Carbon-Riemen ganz ohne Öffnung gewechselt werden kann.
Ich also schwöre beim Alltagsrad auf den Riemen. Nach Abwägung aller Argumente – pro wie contra Riemen – ist das Carbonband für mich die bessere Wahl. Deutlich weniger Wartung und wesentlich höhere Alltagstauglichkeit stechen die ein bisschen geringere Effizienz locker aus.
Contra Riemen: Kette, Kette, Fahrradkette!
Ein Kommentar von Jens Kockerbeck
Unser letzter Reiseradtest beweist ganz eindeutig: Die Kette gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Sieben von 12 Rädern sind damit ausgestattet. Und zwar durch die ganze Preisbandbreite. Sogar an den absoluten Spitzenrädern kommt die Kette also nach wie vor zum Einsatz. Aus gutem Grund.
Denn man muss wissen, dass ein Riemen nicht wartungsfrei ist. Er ist nur wartungsärmer als eine Kette. Richtig behandelt ist er von mir aus auch besonders stark in der Kraftübertragung. Aber wehe, wenn nicht! Genau genommen ist ein Carbon-Riemen nämlich sogar eine richtige Mimose. Man darf ihn nicht verdrehen, nicht knicken, nicht umgekehrt biegen. Transportieren sollte man ihn vorsichtig und richtig zusammengerollt. Sonst können die feinen Kohlefaserchen brechen und der Riemen gefährlich schnell reißen. Eine Kette packt man einfach ein – irgendwie.
Außerdem eignet sich ein Riemen sowieso nur für Getriebeschaltungen und Singlespeeder. Kettenschaltungsräder, das sagt ja schon der Name, können damit nichts anfangen. Es werden also sehr viele Fahrer von den „Vorteilen“ ausgeschlossen. Aber die juckt das vermutlich nicht wirklich. Profitieren sie doch ohnehin von einem relativ preisgünstigen und flexiblen System. Denn Ketten und Ritzel gibt es in allen Preisklassen beinahe überall auf der Welt. Für einen Riemenantrieb sind Anschaffungs- und Ersatzteilkosten dagegen relativ hoch. Mit –immer noch günstigeren – hochwertigen Komponenten und etwas Pflege kommt man gut an die Laufleistungen eines richtig behandelten und gepflegten Riemens heran und spart damit am Ende auch Geld.
So ein Aufwand
Zudem ist eine Kette viel einfacher auszutauschen. Etwas Werkzeugeinsatz und Übung vorausgesetzt, klappt das mit wenig Zeitaufwand. Mit einem Kettenschloss geht das sogar fast wörtlich im Handumdrehen. Für den unteilbaren Riemen ist der Aufwand dagegen ungleich höher, ebenso die Fehleranfälligkeit. Denn es wird erstens eine Öffnung im Rahmen benötigt, die, wenn schlecht gemacht, immer eine Schwächung bedeutet oder viel zu weit vom Antriebsstrang entfernt sitzt. Im nicht seltenen „Sonderfall Platten“ muss der Riemen zweitens so gelockert werden, dass er schadlos vom Ritzel genommen werden kann und drittens später auch wieder richtig gespannt werden. Das ist viertens recht herausfordernd und fünftens eigentlich nicht ohne Hilfsmittel wie App oder Prüfwerkzeug möglich. Dabei muss sechstens penibel auch auf ein gerade ausgerichtetes Laufrad geachtet werden, damit der Riemen auch wirklich auf Linie, geräuscharm und effizient läuft. Das ist siebtens wiederum nur mit einem sehr präzisen Hinterbau – und entsprechend hochwertigen und teuren Rädern – umstandslos zu bewerkstelligen.
Sicher muss eine Kette auch gespannt werden. Und, anders als der mit Carbonfasern verstärkte Riemen, längt sie sich auch, was bei Nichtbeachtung für die Haltbarkeit nicht gerade förderlich ist. Aber das ganze System muss bei weitem nicht so penibel maßhaltig sein. Einen guten Vorteil hat der Riemen aber gebracht: Damit die Riemenlinie und Spannung immer stimmen, müssen die Kettenstreben zertifiziert steif sein. Sonst darf man ihn nicht benutzen. Davon profitieren auch Kettenfahrer.
Und auch Rohloff legt für optimale Kraftübertragung hohe Maßstäbe an, schreibt sogar den Einsatz eines „Snubbers“ – diesem schaltwerkssähnlichen Anhängsel am Ausfallende – vor, der den Riemen nicht aus Versehen überspringen lässt. Ganz schön viele Vorkehrungen für ein empfindliches System.
Da lob ich mir die Kette! Der Aufwand im Umgang ist doch um ein deutliches Maß geringer. Das ist mir das bisschen mehr Pflege allemal wert.