Trekkingräder für 999 Euro im Test: Hohe Qualität bei niedrigem Preis?
Wie hoch ist die Qualität bei günstigen Trekkingrädern?
Trekkingräder für 999 Euro im Test: Hohe Qualität bei niedrigem Preis?
in Test & Teile
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Überschlägt man eine Aufstellung des Immobilienverbandes Deutschland, kann man in München für das Geld einen halben Quadratmeter Baugrund kaufen. In Stuttgart ist immerhin ein ganzer und in Hamburg sind sogar zwei Quadratmeter Grundstück drin. Alternativ könnte man laut Porsche Homepage für 999 Euro auch etwas mehr als ein Prozent eines Porsche Cayenne S, Basispreis, erwerben.
Für 999 Euro kann man aber auch ein komplettes Trekkingfahrrad erstehen, das schon eine ganze Menge zu bieten hat. Das sind zwar nicht mehrere Hundert PS oder ein Supercomfort-Entertainment-Paket. Aber das ist ja auch nicht der Anspruch. Dafür hat man reichlich Bewegung und die Klimaanlage spart man sich auch. Wie viel Trekkingrad man wirklich bekommt und wie die Räder sich fahren, das will dieser Test eruieren. Obige Vergleiche dagegen sind natürlich eine Milchmädchenrechnung und von zweifelhaftem Mehrwert und Sinn.
Sieben Tourenräder
Sieben Trekkingräder treten hier gegeneinander an. Dabei haben wir uns für Preis, Ausstattung und Typ ein wenig Spielraum gelassen. So kosten nicht alle sieben exakt 999 Euro. Sondern mit dem Stevens Savoie haben wir einen Vertreter für 899 und mit dem Morrison T6.0 einen für 1099 Euro. Schließlich ist das Budget in der Realität auch nur selten absolut unverrückbar.
Vom Typ her sind die meisten klassische Trekkingräder mit Kettenschaltung, Federgabel und wahrgenommen meist mit Diamantrahmen – wie bei uns auch. Davon weicht optisch etwas das Victoria Trekking 5.8D ab, das hier mit Trapezrahmen auftritt. Gemein hat es mit dem Specialized Sirrus die Starrgabel. Letztes ist optisch weit reduzierter als die übrigen sechs und bietet eine ebenfalls reduzierte 2×9-Schaltung.
Das Victoria ist zudem das einzige Rad im Test, das mit Nabenschaltung und Riemenantrieb ausgerüstet ist. Weitere Teilnehmer mit typischem Look sind KTM Life Force und RRaymon TourRay 6.0. Dazu kommt noch das Radon Solution Comfort aus dem Direktvertrieb.
Diese sieben Trekkingräder um die 999 Euro haben wir getestet
Marke | Modell | UVP | Prädikat |
Stevens | Savoie Gent | 899 Euro | Kauftipp |
KTM | Life Force | 999 Euro | Kauftipp |
R Raymon | TourRay 6.0 | 999 Euro | |
Radon | Solution Comfort | 999 Euro | Preis/Leistung |
Specialized | Men’s Sirrus Sport EQ | 999 Euro | |
Victoria | Trekking 5.8 D | 999 Euro | |
Morrison | T 6.0 | 1099 Euro |
Die ausführlichen Testbriefe mit allen technischen Daten, einer Bewertung der Ausstattung, Verarbeitung, Alltagstauglichkeit, Sicherheit, Ergonomie, der Fahreigenschaften und vielem mehr finden Sie in der aktiv Radfahren 7-8/2019. Jetzt bestellen!
Ausgabe 7-8/2019 der aktiv Radfahren: Alle Inhalte im Überblick
Trekkingräder für 999 Euro: Die Testräder in der Bildergalerie
Wie viel Fahrrad gibt es fürs Geld?
Wie oben erwähnt, ist eine Kettenschaltung üblich. Verbreitet sind 3×10 Gänge. Einzelne Schaltungskomponenten kommen aus Shimanos Trekking-Top-Gruppe XT. Sind sie verstärkt im Einsatz, geht das oft genug zu Lasten anderer nicht unwichtiger Komponenten, wie Licht, Bremsen, Schutzblechen oder Gepäckträger. In Teilen kommen untere Gruppen wie Deore oder Alivio (Stevens) zum Einsatz, manchmal sind die Kurbeln auch gruppenlos. Funktionseinbußen sind uns nicht aufgefallen. Im Gegenteil profitieren eben andere Komponenten vom übrigen Budget. Alle Scheinwerfer, von B+M, Herrmans und Axa, sind zwar einigermaßen hell mit 35 oder 40 Lux.
Je nach Augenmerk fallen sie aber technisch einfacher oder besser aus – nur mit Schalter oder mit Helligkeitssensor und Tagfahrlicht. Mehr Licht bietet hier nur Radon mit dem IQ-XS. Preisliche Vorteile kommen Kunden auch bei der Gabel zugute, die am Radon mit einer Luftkammer abfedert. Dadurch ist sie feiner einstellbar und spricht besser an. Üblich sind technisch relativ einfache Stahlfedergabeln, die aber alle einstell- und blockierbar sind. Unterschiede liegen in der Art und Geschmeidigkeit der Bedienung und der Dicke der Standrohre – 28 oder 30 Millimeter –, die sich leicht auf die Stabilität auswirken kann. Alle Räder bieten Scheibenbremsen. Weit verbreitet, aber leider nicht durchgängig ist das Einsteiger-Modell MT200 von Shimano. Es kostet nicht mehr als andere dieser Preisklasse, überzeugt aber mit Leistung.
Trekkingräder für 999 Euro: Preisunterschiede spürbar?
Ob die Räder nun hundert Euro mehr oder weniger kosten, ist gar nicht so entscheidend. Alle gefallen mit ihren sehr ausgewogenen und immer kontrollierbaren Fahreigenschaften. Sie können agil und spurtreu. Technisch betrachtet fällt wohl am ehesten die günstigere, aber keinesfalls schlechtere Alivio-Schaltgruppe am günstigeren Stevens auf. Morrison kann in Summe etwas mehr etwas bessere Komponenten bieten – besserer Nabendynamo, besserer Reifen und XT-Teile. Am deutlichsten ist der Sprung aber zu Radon, die mehr finanziellen Spielraum nutzen können.
Unterschiede, Gutes und weniger Gutes sind ganz individuell über alle Preise zu finden. So gibt es optimale (Specialized und KTM) und weniger gute (RRaymon) Schutzbleche. Oft sind sie eher kurz. Mehrfach sind die Sättel mittig zu breit, was an den Beinen stört. Die erlaubte Zuladung der Räder schwankt zwischen 103 und 119 Kilogramm, was kaufentscheidend sein kann. Die Zugverlegung ist generell gut gelöst. Meist innen verlegt, nahezu optimal bei Specialized. Stevens lässt sie außen, was den Zugang vereinfacht.
Generell haben wir festgestellt, dass ein wenig Zurückhaltung bei den üblichen auffälligen Komponenten dem ganzen Rad guttut. Beispielhaft steht dafür das KTM, das eine ausgewogene, absolut zufriedenstellende Ausstattung hat.
Für den Preis eines Porsche Cayenne S kann man also hundert sehr gute Fahrräder kaufen. Hundert Fahrräder nehmen zwar deutlich mehr Raum ein, wiegen dafür aber deutlich weniger (1,6 zu über 2 Tonnen) und bewegen 95 bis 99 Menschen mehr – noch dazu sehr umweltfreundlich. Da stellt sich schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Gute Fahrt!